Reiten:Der Fuchs und der Lkw

Vielseitigkeit-DM Geländeritt Luhmühlen

Die Erfolgsserie dauert an: Sandra Auffarth bei ihrem Sieg bei den deutschen Meisterschaften.

(Foto: Philipp Schulze/dpa)

Michael Jung will wieder die Goldmedaille bei den Olympischen Spielen in der Vielseitigkeit. Seine größte Konkurrentin ist Teamgefährtin Sandra Auffarth.

Von Gabriele Pochhammer, Luhmühlen

Es gibt immer etwas auszusetzen. Auch mit der neuen Deutschen Meisterin, Sandra Auffarth, war Bundestrainer Hans Melzer nicht voll zufrieden, genauer gesagt, mit ihrem Pferd, dem 14-jährigen Opgun Luovo. "Noch ein bisschen rund", mahnte Melzer. Dem französischen Fuchs droht eine Diät. Ansonsten wird Wolle, wie er im Stall genannt wird, geschont. "Er wird jetzt etwas heruntergefahren, meine Mama reitet ihn spazieren", sagt Sandra Auffarth. Sie ist die Chefin des familieneigenen Reitbetriebs im Emsland. 80 Pferde stehen dort, vom Freizeitross über die vier Zuchtstuten bis zum Turnier-Crack, zehn davon trainiert die 29-Jährige selbst für den Vielseitigkeitssport. Die Mutter, geprüfte Pferdewirtschaftsmeisterin, dirigiert das Training der Tochter. Für das Aufbauen von Geländehindernissen hat sie eigens eine Prüfung abgelegt.

Erst vor der letzten Pflichtsichtung für alle Rio-Kandidaten in Aachen am 16. Juli wird das Training von Opgun Luovo intensiviert, dann steht wieder Galopparbeit auf dem Programm. Da Bodenerhebungen, die die Bezeichnung Hügel verdienen, in der norddeutschen Ebene rar sind, wird er hin und wieder nach Altenberge gebracht. Zwei Stunden dauert die Fahrt. Dort, am Rande des Teutoburger Waldes, hat das Deutsche Olympiadekommittee für Reiterei (DOKR) ein Gelände für Bergtraining gepachtet. Stolze 79 Meter über dem Meeresspiegel.

Den beiden Querfeldein-Reitern werden auch Chancen bei den Spezialisten zugetraut

Nicht erst seit ihrem nationalen Titel gilt Auffarth für Rio als gesetzt. Ihre Vorleistungen sind beeindruckend, bei keinem Wettkampf in den vergangenen vier Jahren haben Opgun Luovo und Auffarth enttäuscht. 2012 gehörten sie zum Londoner Goldteam, einzeln gab es Bronze, damals war das noch überraschend. Im Jahr 2013 pausierte der Fuchs gesundheitsbedingt, 2014 war er wieder voll da. Auffarth wurde vor den begeisterten Franzosen, die das Pferd aus eigener Zucht bejubelten, in der Normandie Weltmeisterin vor Michael Jung auf Rocana, auch das deutsche Team holte Gold. 2015 gewann sie in Blair/Schottland EM-Silber hinter Jung.

Auffarth ist die Konkurrentin, die Grand-Slam-Sieger Jung in Rio also am meisten fürchten muss. Die beiden haben viel gemeinsam, wenn auch nicht unbedingt äußerlich: klein und kompakt ist der eine, zierlich und elegant die andere. Beide stammen aus Elternhäusern, in denen Pferde den Lebensunterhalt sichern. Beide saßen im Sattel, bevor sie laufen konnten und werden von einem starken familiären Umfeld gemanagt. Viel wichtiger ist aber das große Talent, das sie beide haben. Michael Jung und Sandra Auffarth können nicht nur querbeet reiten wie wenige, sie würden auch als Spring-oder Dressurreiter zur internationalen Spitze gehören. So hört man es aus den Reihen der Reiter. Sie sind wahre Mehrkämpfer, und das macht sie für die Konkurrenz so gefährlich.

Michael Jung war in Luhmühlen nicht dabei, er zog einen Start in Strzegom in Polen am kommenden Wochenende vor. Dort kann er mit fünf Pferden antreten. Ein Lkw voll einsatzbereiter Buschpferde - so weit hat es Sandra Auffarth noch nicht gebracht. Während Jung jede Saison neue Cracks aus dem Hut zaubert, setzt Auffarth auf zwei Siebenjährige, die in die Fußstapfen von Opgun Luovo treten sollen, Franzosen wie er. Will sie international weiter vorne mitreiten, muss sie für die Zukunft planen. Das war vielleicht der Grund, warum sie Ispo, das Pferd des 2014 in Luhmühlen tödlich verunglückten Benjamin Winter übernahm. Nach einigen guten Ergebnissen, aber auch gefährlichen Situationen, darunter ein Sturz in Wiesbaden, gab sie das Pferd wieder zurück. "Es hat dann doch nicht gepasst", sagt sie vorsichtig. Auch die glänzendste Trophäe ist es nicht wert, das Schicksal heraus zu fordern.

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