Langer Kampf für fünf Sterne

Viele Monate ist unklar, ob der CSI St. Moritz in seine zweite Auflage gehen kann. Erst seit kurzem sind die Auflagen erfüllt. Der sportliche Wert des Turniers hält sich in Grenzen – trotz dem Start des Schweizer Olympiateams.

Sara Peschke
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Kurz nach den Olympischen Spielen tritt Steve Guerdat in St. Moritz an. (Bild: Laurent Gillieron / Keystone)

Kurz nach den Olympischen Spielen tritt Steve Guerdat in St. Moritz an. (Bild: Laurent Gillieron / Keystone)

Fast wäre der Wunsch der Organisatoren des CSI St. Moritz in Erfüllung gegangen, es fehlten 99 Hundertstelsekunden. Wäre der Schweizer Steve Guerdat am Freitag in Rio de Janeiro jene zwei Galoppsprünge schneller gewesen, hätte er Bronze an den Olympischen Spielen gewonnen. Und die Veranstalter des Springreitturniers, das ab Mittwoch zum zweiten Mal im Oberengadin ausgetragen wird, hätten Guerdat als alten und neuen olympischen Medaillengewinner präsentieren und ehren können.

Die Realität wollte es anders, Guerdat wurde Vierter im Einzelspringen. Die Schweizer Equipe mit Guerdat, Romain Duguet, Martin Fuchs und Janika Sprunger ritt im Teamfinal auf den sechsten Platz. Gemessen an den eigenen Ansprüchen – man hatte in beiden Fällen eine Medaille angepeilt – waren die Wettkämpfe in Brasilien weniger erfolgreich als erhofft. Der CSI St. Moritz wirbt dennoch kräftig mit der hochkarätigen Besetzung. Man erwarte ein «ausgezeichnetes Teilnehmerfeld mit vielen Olympia-Reitern», heisst es in der Presseankündigung des Anlasses, «nicht nur das komplette Schweizer Olympiateam, sondern auch Teilnehmer der Olympiamannschaften aus Deutschland, Grossbritannien und den USA» seien am Start.

Werbung ohne Bewilligung

Um zu verstehen, warum das Organisationsteam rund um die OK-Präsidentin Leta Joos laut für seinen Anlass wirbt, muss man einige Monate zurückblicken, eigentlich sogar bis ins letzte Jahr. Damals wurde der CSI erstmals auf der Polowiese in St. Moritz ausgetragen, als Vier-Stern-Turnier. Doch der Sponsor Longines wollte mehr sehen für sein Geld. So bemühten die Veranstalter sich, so schnell wie möglich zu einem Turnier der höchsten Kategorie zu werden. Bereits im Januar schalteten sie eine Anzeige im Jahresmagazin des Schweizerischen Verbands für Pferdesport, dort stand: «Schon ein Jahr nach der Premiere bekommt der Longines CSI St. Moritz fünf Sterne.» Nur: Zu dem Zeitpunkt war gar nicht klar, ob das Turnier überhaupt würde stattfinden können.

Im Februar wurde bekannt, dass die Gemeinde St. Moritz dem Organisationskomitee Auflagen gemacht hatte, weil finanzielle Altlasten aus dem Vorjahr zurückgeblieben waren. So sollten Joos und ihre Kollegen unter anderem ein Finanzierungskonzept vorlegen, um diese Altlasten zu bereinigen. Sie sollten auch die gesicherte Finanzierung des geplanten Turniers nachweisen. Die Gemeinde wollte ihnen zudem eine externe Fachperson zur Seite stellen, die Einsicht in sämtliche Unterlagen haben sollte. Erst dann würde die Bewilligung für den neuen Anlass erteilt, hiess es. Und auf diesen waren die Veranstalter angewiesen, wollten sie die offenen Rechnungen mit Geldern aus neuen Sponsorenverträgen tilgen.

Ende Juni kam die Nachricht: Der CSI könne wie geplant durchgeführt werden, alle Voraussetzungen für die Bewilligung durch die Gemeinde seien erfüllt. Allerdings müssten bis zum 20. Juli noch einmal verschiedene Auflagen betreffend die Sponsorenverträge und den Leasingvertrag für den Sand- und Bodenbelag eingehalten werden. Erst vor gut einem Monat gaben alle Seiten grünes Licht für das Turnier – fünf Wochen vor dessen Beginn.

Angesichts dieser schweren Geburt kann man sich fragen: Braucht es solch einen Anlass tatsächlich? Einen Anlass, an dem es dank den Sponsoren zwar viel Geld – insgesamt 570 000 Franken – zu gewinnen gibt, dessen sportliche Relevanz zwischen Olympia und dem Nationenpreis von Gijon aber eher bescheiden ist? Guerdat kritisierte diese Art der Turniere vor einiger Zeit sogar, er sagte in der NZZ: «Warum wird Geld in Turniere gesteckt, die keinen interessieren? Die keine Tradition haben? Das tut unserem Sport nicht gut.» Ihm fehle es vor allem im Hinblick auf die Sponsoren an Nachhaltigkeit. «So wird kein echter Sport gemacht», sagte er.

Höchstgelegenes Turnier

Guerdat wird dennoch in den nächsten Tagen in St. Moritz zu sehen sein, am «höchstgelegenen Fünf-Sterne-Reitturnier Europas (. . .) in der einzigartigen Umgebung der Engadiner Bergwelt», wie man auf der Homepage des Anlasses lesen kann. Nun, wenngleich sich der sportliche Wert in Grenzen halten mag: Die Bilder, die von St. Moritz aus in die Welt gehen, werden mindestens das Tourismusbüro und die Geldgeber zufriedenstellen.