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Vermischtes (Print WAMS)

Rosskur für reiche Mädchen

Ob Bruce Springsteen, Michael Bloomberg oder Bill Gates: Viele US-Promis haben Töchter, die Turniere reiten. Typisch Elite? Im Gegenteil. Denn auf dem Pferderücken spielen Herkunft und Geld keine Rolle mehr

Im Jahr 2003 drehte der damals 23-jährige Jamie Johnson, zukünftiger Erbe des Johnson & Johnson-Vermögens, einen fabelhaften Dokumentarfilm über die Weltsicht junger Menschen, die schon als Superreiche zur Welt gekommen sind. „Born Rich“ gelang es, gleichzeitig bösen Sozialneid („Wenn ich wollte, könnte ich jetzt einfach losgehen und mir einen Ferrari kaufen“, sagt einer) und tiefes Mitleid hervorzurufen. Was sonst sollte man mit einem Zwanzigjährigen empfinden, der kundtut, er wolle keine weiteren Reichtümer mehr anhäufen, sondern nur noch in Unternehmungen investieren, an denen er selbst teilnehmen könne – zum Beispiel zum Maßschneider zu gehen und mit ihm über Schnitte und Farben zu verhandeln? Oder mit einem jungen Mann, der erzählt, er habe einmal einem Klassenkameraden gedroht, dessen „Familie zu kaufen“ – und der sei in Tränen ausgebrochen, weil er ihm geglaubt habe?

Doch dann taucht in „Born Rich“ Georgina Bloomberg auf, die jüngere Tochter des Medien-Tycoons Michael Bloomberg, damals schon seit einem Jahr Bürgermeister von New York. Sie führt ihren neuen Stall und ihre Pferde vor. Das ist Nadia, sagt sie, und das hier ist Juliet. Und während sie so weitermacht, sagt sie unvermutet, es nerve, den Namen „Bloomberg“ zu tragen. Es war die undiplomatisch sachliche Feststellung einer jungen Frau, die keine Lust mehr hat auf die mentalen Verrenkungen, die mit Ruhm und Reichtum einhergehen.

Mittlerweile ist Georgina Bloomberg 33, aber die Liebe zum Reiten und ihre direkte Art hat sie nie abgelegt. Sie ist eine „Rossfrau“, wie die Schriftstellerin Juli Zeh das in ihrem Roman „Unterleuten“ nennt. Eine, deren Ehrgeiz nicht unbedingt darin liegt, die gängigen Schablonen menschlichen Umgangs auszufüllen, weil sie ihr Glück schon bei den Pferden gefunden hat. Als sie 2010 ein paar Tage nach einem üblen Reitunfall von ihrem damaligen Freund, dem Eisschnellläufer Joey Cheek, verlassen wurde, gab sie in der „New York Post“ zu Protokoll, sie sei überrascht davon, dass jemand so unsensibel sei, seine Freundin abzuschießen, während sie gerade nicht aus dem Haus könne. Andererseits seien „da draußen viele Männer, und es gibt Schlimmeres auf der Welt, als verlassen zu werden“. Und den – längst nicht mehr mit ihr liierten – Vater ihres mittlerweile fast drei Jahre alten Sohnes Jasper hat sie nie geheiratet, weil sie laut eigenem Bekunden nun mal „nicht ans Heiraten glaube“.

Aber sie ist ganz sicher keine unemotionale Person. Sie liebt Pferde, sie ist eine fantastische Springreiterin und hat es zu den Olympischen Spielen in Rio wohl nur deswegen nicht geschafft, weil ihr Pferd lange verletzt gewesen ist und geschont werden musste. Zum ersten Mal auf einem Pony saß sie mit vier, sie mochte es nicht. Die Leidenschaft kam erst mit sechs, nachdem sie an einem Wettbewerb teilgenommen hatte. Man kann sich ja leicht ausrechnen, warum einer wie ihr das Turnierreiten so viel Freude macht: weil es ihr die Gelegenheit gibt, sich auf einem Parcours zu beweisen, auf dem ihr Herkunft und Reichtum nichts nützen. Sicher sind die Pferde, die sie reitet, obszön teuer. Aber ebenso sicher ist auch: Das blinde Vertrauen zu ihnen aufzubauen, das sie über mannshohe Oxer springen lässt, das muss sie selbst. Ihre Millionen können ihr dabei nicht helfen.

Es könnte sein, dass das einer der Gründe ist, warum erstaunlich viele Töchter reicher Eltern sich im Pferdesport beweisen wollen. Sie sind ja einmal Mädchen gewesen wie alle anderen auch, Mädchen, die auf den Rücken jedes Ponys wollen, dessen sie ansichtig werden. Und wenn ganz normale Mädchen Eltern hätten, die sie in ihrem Wunsch nach dem eigenen Pferd unterstützen könnten, würden gewiss auch viele von ihnen Springreiterin werden wollen. Das ist das Privileg, das die reichen Mädchen haben: Ihre Eltern kaufen ihnen das Pferd, den Trainer und den Stall, statt mit ihnen darüber zu verhandeln, ob die vielen Reitstunden, die neuen Stiefel alle paar Monate und die ständigen Fahrten zum Reiterhof wirklich sein müssen.

Microsoft-Gründer Bill Gates und seine Frau Melinda zum Beispiel haben für ihre Tochter Jennifer in den letzten drei Jahren in Wellington, einer Gemeinde in Florida, für 35 Millionen Dollar eine ganze Straße aufgekauft, immer ein Grundstück nach dem anderen, insgesamt acht Hektar bestes Pferdeland. Ganz in der Nähe stellt seit Kurzem auch Eve Jobs ihre Tiere unter: Ihre Mutter Laurene Powell Jobs, Investmentbankerin und Witwe des Apple-Gründers Steve Jobs, hat für 15,3 Millionen Dollar eine Ranch mit Ställen für 20 Pferde erworben.

Der von der Klatschpresse dankbar ausgeweidete Umstand, dass eine Gates- und eine Jobs-Tochter in derselben Kleinstadt ihrer Passion nachgehen, hat allerdings nichts mit der legendären Rivalität ihrer Väter zu tun. In Wellington findet alljährlich zwischen Januar und April das „Winter Equestrian Festival“ statt, der größte Reitsportwettbewerb Amerikas, zwölf Wochen lang ungebremster Pferdewahnsinn; da liegt es nur nahe, dass Reiter dort hinziehen.

Wie Bloomberg reitet Jennifer Gates seit ihrer frühesten Kindheit. Bis vor Kurzem hat sie nicht daran gedacht, daraus eine Profikarriere zu machen, aber weil sie so erfolgreich ist, erwägt sie nun doch, sich nach ihrem Biologie-Studium in Stanford ein paar Jahre aufs Springreiten zu konzentrieren. Steve Jobs’ Tochter Eve, im Mai 18 geworden, gilt als so talentiert, dass man ihr zutraut, irgendwann die USA bei den Olympischen Spielen vertreten zu können.

Das hat Jessica Springsteen dieses Jahr nur ganz knapp nicht geschafft, nachdem sie 2012 als Ersatzfrau für London nominiert worden war. Sie ist die Tochter von Bruce Springsteen und Patti Scialfa und hat ihre Eltern mit dem Pferdefieber längst angesteckt. Der Hamburger Turnierveranstalter Volker Wulff, der beide kennt, erzählt, mittlerweile stimme der „Boss“ seine Tourneepläne mit den Wettbewerben seiner Tochter ab, um sie so oft wie möglich sehen zu können.

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Bei Hannah Selleck dagegen ist die Liebe zu den Pferden vererbt. Ihr Vater, der Schauspieler Tom Selleck, hat in mehreren Western mitgespielt und wurde sogar von der „National Cowboy Hall of Fame“ ausgezeichnet. Mit vier setzte er Hannah auf ein schwarzes Shetlandpony namens Sheba. Seitdem ist sie für ein Leben jenseits von Koppeln verdorben. Nach ihren Studium hat sie versucht, in einer PR-Firma zu arbeiten, aber nach ein paar Monaten wieder hingeschmissen und bei ihrer Trainerin als Assistentin angeheuert. Selleck ist jenseits des Hollywood-Trubels recht normal aufgewachsen und auf eine Schule gegangen, statt wie andere rich kids von Hauslehrern unterrichtet zu werden. Und weil sie selbst es für verrückt hält, welche Preise für gute Pferde verlangt werden, hat die 27-jährige damit begonnen, sich ihre Karriere als Turnierreiterin durch eine eigene kleine Zucht zu finanzieren.

Der Reitsport ist dankbar für die Prominenten-Töchter, die sich ihm verschrieben haben. Denn anders als in Europa wurden Springreiter in den USA bis vor Kurzem kaum wahrgenommen. Es gibt zwar jede Menge Turniere, aber Georgina Bloomberg und die anderen Celebrity-Rossfrauen erzählen immer mal wieder, wie traurig es sie macht, dass so wenige Zuschauer kommen – und sind davon begeistert, dass sie in Deutschland im Autoradio die Ergebnisse des Wettbewerbs zu hören bekommen, an dem sie gerade teilgenommen haben. Wenn nun in Amerika über die Pferdeleidenschaft der reichen Töchter berichtet wird, sind sie dankbar, weil das auch ihrer Sache hilft. Für sie selbst ist das Reiten ja kein Elitesport, sondern einer, bei dem alle mitmachen sollen, die für ihn begabt sind – etwas dann doch sehr Egalitäres. So schwärmt denn auch Turnierveranstalter Wulff davon, wie „allürenfrei“ die reichen Töchter sind. Reiten ist wohl auch sozial therapeutisch.

Für den Nachwuchs aus weniger begüterten Verhältnissen hat Georgina Bloomberg schon 2006 die Initiative „The Rider’s Closet“ gegründet, die leicht gebrauchte Reiterkleidung an jene vermittelt, die sie sich selbst nicht leisten können. Und damit die Pferdemädchen träumen können, schreibt sie in ihrer Freizeit Jugendromane über den Turniersport, die bald verfilmt werden sollen.

Kann sein, dass millionenschwere Rossfrauen gewöhnungsbedürftig sind, weil sie sich nicht zähmen lassen von den Unterhaltungsbedürfnissen der Massen – und weil sie ihr Leben nicht auf Partys vergeuden, von denen es dann schöne Fotos gibt. Aber Schnösel sind sie nicht.

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