Antonio Lagator

Nach dem Abitur fragen sich viele junge Menschen, was sie später im Leben machen sollen. Einige überbrücken die Zeit mit einem Freiwilligen Sozialen Jahr, andere reisen ins Ausland. Natascha Krumpak will ans Meer: Mit ihrem Pferd Amadeus hat sich die 21-Jährige auf den Weg an die Nordsee gemacht, um sich den Wunsch "jeder Reiterin zu erfüllen": einmal am Sandstrand der untergehenden Sonne entgegenreiten.

Manchmal weiß Natascha Krumpak nicht, wo sie morgen übernachten wird. Doch das stört sie nicht. "Unter Reitern und Pferdehaltern kennt man sich", sagt sie. Meistens erfahre sie über Mundpropaganda, wo der nächstgelegene Pferdehof liegt.

Der Weg ist das Ziel. Das ist Krumpaks Lebensmotto. Eine Pferdefreundin von ihr sieht das anders. Sie ist mit ihrem Pferd an den Gardasee gereist, mit Auto und Pferdeanhänger. Natascha Krumpak ist da eher der Abenteurer-Typ. Gefühle der Angst hat sie bisher noch nicht erlebt. Trotz allem will sie die Reise abbrechen, wenn sie bis November die rund 1000 Kilometer nicht schaffen sollte – wegen der einsetzenden Kälte. "Viele haben gefragt, ob das Wanderreiten auch eine Reise zur inneren Mitte wäre, aber ein religiöser Bezug besteht nicht", stellt sie klar.

Natascha weiß von ihrer Reiseerfahrung auf dem Pferderücken nur Positives zu berichten. Sie sei durch das Wanderreiten ruhiger und gelassener geworden, erzählt sie, und habe gelernt, sich auf das Wesentliche, die einfachen Dinge im Leben zu besinnen: "Unterwegs sieht man viel mehr wegen der langsamen Reisegeschwindigkeit und hat Zeit nachzudenken." Und doch scheint es nie langweilig zu werden. Vieles beschäftigt sie: "Häufig ist man mit den Gedanken beim Pferd. Wo werden wir heute Nacht schlafen? Wie komme ich an Futter? Welche Route eignet sich für Amadeus am besten und wie überquere ich Flüsse oder Autobahnen?" Die Verantwortung für das Wohlergehen des Pferdes lastet durchaus auf Natascha Krumpaks Schultern. Und doch weiß sie Amadeus als Reisebegleiter sehr zu schätzen: "Es entsteht eine besondere Verbindung zwischen Mensch und Tier. Es ist viel angenehmer, als alleine zu reisen, und doch wünscht man sich von Zeit zu Zeit auch die Gesellschaft von Menschen."

Die Gastfreundschaft vieler Hofbesitzer und Anwohner wird sie deshalb nicht so schnell vergessen. Die erste spannende Begegnung ereignete sich bereits zu Beginn ihrer Reise, als sie im Zollernalbkreis unterwegs war. Dort lernte sie einen Bekannten des Pferdehalters von Accatone, Amadeus' Vater, kennen, der ihr viel über den Zeuger ihres Pferdes aus erster Hand erzählen konnte. Mit einer fast gleichaltrigen Pferdehalterin aus der Gegend von Aschaffenburg hat sie sich angefreundet und sie zum Gegenbesuch nach Engen eingeladen. Eine weitere besondere Begegnung ereignete sich mit einem älteren Pferdekutscher aus dem Spessart, der Natascha durch seine zuvorkommende Art ganz besonders in Erinnerung bleiben wird.

Kritik an ihrem Unternehmen hört sie dagegen selten und wenn, dann eher in wohlwollender Weise: "Einige belächeln mein Unterfangen und glauben nicht daran, dass ich es bis ans Ziel schaffen werde", erklärt die junge Frau: "Doch es gibt weit mehr Leute, die mir Mut zusprechen und von meiner Reise begeistert sind."

Sie hatte ursprünglich mit Kosten von 250 Euro in der Woche gerechnet. In Wirklichkeit ist sie bisher auch mit 150 Euro wöchentlich gut über die Runden gekommen. Zudem hat Krumpak ihre Reise vorher sorgfältig geplant: Gerade über die richtige Ausrüstung hatte sie sich viele Gedanken gemacht und durch Fahrradfahren und Laufen hat sie sich auf die körperlichen Strapazen vorbereitet. "Jeden Tag lege ich etwa fünf bis zehn Kilometer zu Fuß zurück", erklärt sie. Denn schließlich tue "von dem stundenlangen Reiten irgendwann auch der Hintern weh."

Reise und Pläne

Rund acht Wochen hat Natascha Krumpak, Tochter einer alten Engener Kutscherfamilie, für die Reise zum Zielort Cuxhaven veranschlagt. Sie ist bisher fünf Wochen unterwegs und hat gerade Hannover hinter sich gelassen. Im Winter möchte die Abiturientin in Kanada auf einer Ranch arbeiten und danach in Afrika ein Freiwilliges Soziales Jahr absolvieren. Amadeus bleibt solange auf dem Pferdehof des Vaters, der den 19-jährigen Wallach vor etwa sechs Jahren in Engen gekauft hat. (al)