Das Fachpublikum holt sich in Leonberg Tipps zum Thema „Reiten und Rückenschmerzen“

Leonberg - Die Antwort auf ihre Einstiegsfrage, wer von den mehr als 90 Anwesenden im Raum im vergangenen Jahr keine Rückenschmerzen hatte, ist bezeichnend. Nur vier heben die Hand. Keine Überraschung für Uta Adorf, die Referentin beim 27. Seminar für Therapeutisches Reiten im Casino des Reit- und Fahrvereins Leonberg, die sich dem Thema „Reiten und Rückenschmerzen“ widmete. Laut einer Untersuchung der Betriebskrankenkassen im vergangenen Jahr betrifft das Thema Rückenschmerz 66 Prozent aller Menschen.

 

Am Beispiel zweier Reiter, die auf Grund vergangener Bandscheibenvorfälle immer wieder an Rückenschmerzen leiden, demonstriert Uta Adorf dem Fachpublikum – Physiotherapeuten, Hippotherapeuten, Pädagogen oder aktive Reiter –, die Vorgehensweise ihrer Arbeit. Die Therapeutin erkennt Blockaden in der Becken-Bewegung des Reiters, gibt kleine Korrekturen, die auf Anhieb zu einem entspannteren Bewegungsablauf führen.

Die Pole kommunizieren miteinander

Sie schaut sich das Bewegungsmuster des Pferdes an und wie sich dieses auf die Bewegung des Reiters auswirkt. Hier kommt die „Spiraldynamik“ mit ins Spiel. Ein Therapie- und Bewegungskonzept, das Uta Adorf „ihr jüngstes Projekt“ nennt. Dabei wird mit Polen gearbeitet, die über Strukturen und Bewegungsgesetze miteinander kommunizieren. Beispielsweise das Becken und der Kopf. Muskeln und Bänder, die dem Gesetz der spiraligen Verschraubung gehorchen, verbinden sie.

Im Idealfall ist alles im Fluss. Der Patient soll die richtige Bewegung selbst spüren und üben. Der Therapeut geht in die Tiefe, bezieht Bänder, Muskeln und Knochen mit in seine Arbeit ein. Ziel soll mehr Freiheit und Beweglichkeit in der körperlichen Empfindung sein. „Das Pferd bietet mir die optimalen Grundlagen, und wenn ich richtig reite, merke ich schnell Verbesserungen im Bewegungsapparat“, sagt Uta Adorf.

Die staatlich anerkannte Physiotherapeutin und Hippotherapeutin nennt drei Hauptursachen für Rückenschmerzen: Übergewicht, Bewegungsmangel und technische Reizüberflutung. „Wobei ich die technischen Fortschritte gar nicht verteufeln möchte, so gibt es auch gute Bewegungsangebote für zu Hause, was beispielsweise für Seniorenheime sehr sinnvoll ist.“

Ausgleichsübungen gegen einseitige Belastung

Grundsätzlich habe sich die körperliche „Rundumbelastung“ verringert – Schwerpunkt werde mehr und mehr auf die Ausbildung spezieller Fähigkeiten gelegt. Wer „nur“ reite, „nur“ Fußball spiele oder „nur“ laufe, belaste den Bewegungsapparat allerdings zu einseitig. Uta Adorf rät in ihrem Umfeld auch Turnier-Reitern, gymnastische Ausgleichsübungen zu machen, um den Bewegungsapparat zu stärken oder muskuläre Dysbalancen auszugleichen.

Die Ursachen von körperlichen Beschwerden würden schon im Kindesalter gesät, davon ist die Expertin überzeugt. „Kinder sollten sich täglich drei bis vier Stunden aktiv bewegen. Es gibt aber viele überängstliche Eltern, die sich nicht trauen, ihre Kinder alleine rauszulassen. Viele dürfen nur unter Aufsicht spielen, und dann mischen sich die Eltern auch noch ein. Doch Kinder haben eine gute Sozialkompetenz und können viel untereinander regeln“, sagt Adorf, die selbst Mutter ist und sich wünscht, dass Bewegung wieder mehr in den Alltag miteinbezogen wird.