Foto: Dressurreiter Matthias Rath und sein Pferd Totilas - Fotograf: Marius Becker - dpa
Aachen (dpa) So kompliziert und so schwierig wie bei Totilas war eine Olympia-Nominierung noch nie. Wird der erkrankte Reiter Matthias Rath rechtzeitig fit? Welches Risiko darf für den Kampf um Olympia-Gold eingegangen werden? Und vor allem: Wer trifft die letzte Entscheidung?
Diese Fragen werden derzeit hinter den Kulissen des CHIO in Aachen diskutiert, denn beim teuersten Dressurpferd der Welt geht es auch um viel Geld. Bis spätestens am Sonntag soll geklärt sein, ob Rath trotz des noch nicht auskurierten Pfeiffer'schen Drüsenfiebers mit nach London reisen darf.
«Das entscheidet der Dressur-Ausschuss, keine Einzelperson», erklärte Bundestrainer Jonny Hilberath. Und genau das macht die Angelegenheit pikant und brisant, denn zum Ausschuss gehören zwei Männer, die wirtschaftlich sehr eng mit Totilas-Besitzer Paul Schockemöhle verbunden sind: Der Ausschuss-Vorsitzende Klaus Roeser ist bei Schockemöhle als Geschäftsführer angestellt, und Ullrich Kasselmann ist ein langjähriger Geschäftspartner, der beim gemeinsamen Pferdehandel Millionen erwirtschaftet.
«Der Ausschuss besteht ja nicht nur aus den beiden», sagte der Bundestrainer: «Ich bin sehr sicher, dass die Entscheidung objektiv getroffen wird.» Gleichwohl sieht auch Hilberath die Problematik: «Man ist sich dessen bewusst. Deshalb wird man darauf achten, besonders sachlich zu sein.»
Wie unbefangen können Roeser und Kasselmann sein, wenn es für ihren Chef respektive Geschäftspartner um viel Geld geht? Für geschätzte zehn Millionen Euro hat Schockemöhle den Hengst 2010 erworben und Anteile an Raths Stiefmutter weiterverkauft. Aber mit den Totilas-Zuchtrechten verdient der Pferdehändler viel Geld - Olympia-Medaillen wären weitere Werbung für den Totilas-Samen. «Ich bin mit der Brisanz bewusst», sagte Roeser. Er könne den Verdacht der Befangenheit «durchaus nachvollziehen, aber ich mache den Job so neutral wie möglich».
Auch ohne die personellen Verquickungen ist die Entscheidung schon schwierig genug. «Wir hängen in der Luft», sagte der Bundestrainer. «Es hängt vom Arzt und von der Diagnose ab.» Der Reiter aus Kronberg musste nach Auskunft seines Pressesprechers am Dienstag aber noch immer das Bett hüten: «Er hofft, dass er rechtzeitig fit wird.» Prognosen seien aber schwer möglich. Es werde in diesen Tagen noch weitere Untersuchungen geben.
Es ist ein Wettlauf mit der Zeit für Rath, der seit mehr als einer Woche im Bett liegt. «Wir wollen ihn am Freitag auf dem Pferd sehen», sagte Roeser. Der Bundestrainer, Roeser sowie ein Mediziner gehören zu der Delegation, die dafür nach Kronberg fahren wird: «Wir wollen uns einen Eindruck machen, wie fit er dann ist.»
Das teure Pferd ist zumindest kerngesund. «Er strotzte vor Kraft», berichtete der Coach vom Besuch am vergangenen Wochenende. Matthias Raths' Vater und Coach Klaus Martin Rath trainiert den Hengst, bis der Sohn wieder in den Sattel steigen kann.
Schon jetzt ist für Totilas eine Ausnahme gemacht worden. Ursprünglich sollte jeder Olympia-Kandidat auch bei der zweiten Sichtung in Aachen starten. Angesichts der guten Vorstellung bei den deutschen Meisterschaften in Balve und der besonderen Umstände könnte das Paar aber auch ohne CHIO-Start für London nominiert werden.