Eine (fast) perfekte Show – handgemacht und ehrlich

Professionell und präzise auf der einen Seite, emotional und spektakulär auf der anderen: Das ist typisch für die jährliche Hengstschau der Hannoveraner Privathenghengsthalter. Züchter und Pferdesportbegeisterte aus ganz Niedersachsen und weit darüber hinaus genossen am 6. Februar einen Abend voller Überraschungs-Effekte. Dazu zählten ein zwei Tonnen schwerer Swimmingpool mitten in der Niedersachsenhalle, eine exklusive Premiere für Helen Langehanenberg und Damsey sowie ein souveräner Auftritt von Doppel-Weltmeister Sezuan mit Dorothee Schneider.

 

Wenn die Hannoveraner Privathengsthalter zur großen PB-Schau nach Verden einladen, dann öffnen sie den Gästen wirklich jedes Tor. Ganz nach dem Motto: Nichts findet hinter verschlossenen Türen statt. Ob beim Stallgassenklönschnack oder in der Vorbereitungshalle – die Züchter und Zuschauer sind ganz nah an den Hengsten und in engem Kontakt mit den Hengststationen. Dieses Konzept hat nichts an Anziehungskraft verloren. Das diesjährige Fachforum zum Thema „Chancen und Risiken der genomischen Selektion“ war ein Thema von Züchtern für Züchter und fand wie gewohnt in einer offenen Gesprächsatmosphäre statt – eben ganz auf die Züchter zugeschnitten und sehr gut frequentiert. Dahinter steht das mit viel Einsatz und Leidenschaft für die Hengstschau arbeitende Team des veranstaltenden Vereins, das für eine perfekte Vorbereitung (Wie transportiert man ein Bassin mit 1500 Litern Wasser gefüllt mit einem Radlader in die Halle?) und präzise Abläufe (intensive Besprechung mit allen Reitern, Technikern und Helfern, minutiöses Timing am Einlasstor). Das „Wir-Gefühl“ spielt dabei eine wichtige Rolle. Es soll einfach alles passen, wenn die Gäste erwartungsvoll um 17 Uhr auf den ersten Hengstauftritt hinfiebern und dreieinhalb Stunden beste Unterhaltung erwarten. Und warum eigentlich nur fast perfekt? Weil natürlich bei jeder Schau auch mal der eine oder andere Hengst eine Trab-Runde extra einlegt oder Kleinigkeiten nicht funktionieren, von den der Zuschauer zwar nichts mitbekommt, die aber das Team noch verbessern möchte. Nobody is perfect.

 

Geprägt war die 26. PB-Schau von einem starken Jahrgang der fünfjährigen Hengste. Den Anfang machten die beiden Fürstenball-Söhne Finest (Gestüt W.M.) und Farrell (Blue Hors), fein und altersgerecht vorgestellt sowie sportlich auf einem sehr guten Weg. Dass bei der PB-Schau Wert gelegt wird auf eine ansprechende reiterliche Präsentation, die sich an der Skala der Ausbildung orientiert, hat sich inzwischen herumgesprochen. Und das honoriert das Publikum natürlich und nimmt auch beim Applaus Rücksicht auf die vierbeinigen Youngster, die sich an der einen oder anderen Stelle noch von der Atmosphäre in Verden beeindrucken lassen. Vom Beifall gar nicht genug bekommen konnten ein sportlich bis Grand Prix-Niveau geförderter Hannoveraner und sein Reiter, die anlässlich einer ganz besonderen Ehrung eingeladen worden waren. Jan-Dirk Gießelmann, Sohn des bekannten Hengstaufzüchters und Hengsthalters Heinrich Gießelmann aus Barver, stellte sein Top-Pferd Real Dancer anlässlich der Verleihung des Reitabzeichens in Gold vor. „Einen Guten hat die Familie mal behalten“, kommentierte Jan Tönjes den Ritt des jungen Berufsreiters. Ganz zur Freude von Jan-Dirk bekam sein Pferd vom Hannoveraner Verband den Namenszusatz „FRH“ verliehen. Mit exzellent zelebrierten Piaffe-Einlagen verabschiedete sich Paar unter tosendem Beifall.

 

Das waren aber nicht alle Ehrungen des Abends. Bereits zum fünften Mal verlieh der Hannoveraner Verband den Stakkato- und Weltmeyer-Preis an die jahrgangsbesten vierjährigen Hengste. Entgegennehmen durften den Weltmeyer-Preis die Züchter von Lasogga S v. Lord Loxley (Tobias Schnöink) und Frisco v. Fürstenball (Gestüt Grasekamp, Hengststation Letter Berg). Der Stakkato-Preis ging an die Züchter der beiden Celler Hengste Grand Stakkato v. Graf Top (Wilhelm Klausing) und Light My Fire v. Light On (Heinz Schütte). In diesem Reigen präsentierte sich als bester Absolvent des 30-Tage-Tests auch Bon Coeur v. Benetton Dream (Gestüt W.M.), der von Birgit Tietjen gezogen wurde. Geladen war übrigens mit Fahrenheit (Gestüt Tannenhof) auch einer der aktuellen Nürnberger-Burgpokal-Finalisten. Eine besonders weite Anreise hatte übrigens Susan Pape, die extra aus Florida eingeflogen kam, wo sie bei einer großen Turnierserie im Einsatz ist, um in Verden die Hengste der Station Pape gemeinsam mit Lena Stegemann persönlich vorzustellen. Was den beiden Damen vorzüglich gelang. Mit einem breit aufgestellten Hengstlot vertreten war auch der Klosterhof Medingen.

 

Parcours-Fans kamen ebenfalls ganz auf ihre Kosten. In zwei Schaubildern gaben sowohl die jungen Springhengste einen Einblick in Sachen Sporteignung über den Stangen (O-Ton Zuchtleiter Werner Schade: „Die Vierjährigen präsentierten sich hier sehr vielversprechend, reell und altersgerecht.“) als auch die weiter geförderten Vererber. Hier glänzte vor allem der neunjährige Chacco-Blue Sohn Chacco Chacco (Gestüt Tannenhof) mit Vermögen, Eleganz und perfekter Silhouette über dem Sprung und bekam anerkennenden Szenen-Applaus. Die Hengststation Tebbel hatte mit Light On und Lycon Hengste dabei, die auch international sehr erfolgreich im Einsatz sind.

 

Zu einer stimmigen Komposition einer so aufwändigen Schau gehören auch immer einige besondere Acts. Diesmal begrüßten die schwarz-gelb gekleideten jungen Sportakrobaten der Gruppe „In-Motion“ aus Vechta das Publikum und testeten mit ihrer turnerisch sehr hochkarätigen Einlage gleich zu Beginn, ob die Gäste Lust hatten, sich von Musik und Turnkunst, begeistern zu lassen. Barockreiterin Andrea Schmitz bezauberte im blau-schillernden Vogelkostüm und galoppierte freihändig mit ihrem P.R.E.-Hengst über wogende Wellen aus Stoff. Ein farbenfroher Ausflug in Arielles Welt unter dem Meer. Der dritte internationale Show-Act sorgte dann aber wirklich für den Wow-Effekt. „Wir hatten hier schon Seelöwen und Kamele und die irrsten Sachen, aber heute setzen wir nochmal einen drauf“, kündigte Jan Tönjes die letzte Schaunummer an. Extra für das aus der Ukraine und Armenien stammende Akrobatenpaar wurde ein mit 1500 Liter gefülltes Wasserbassin per Radlader mitten in die Halle gefahren. In völliger Dunkelheit wurde nur der dampfende Pool in leuchtenden Farben illuminiert, während das auf internationalen Zirkusfestivals ausgezeichnete Paar mit fast schon erotisch anmutender Turnkunst auf allerhöchstem Niveau beeindruckte. „Jetzt kommen sicher noch ein paar Seepferdchen“, hörte man im Anschluss aus den Zuschauerreihen.

 

Trotz des „Ebbe-und-Flut-Platzes bei X in der Bahnmitte“ (O-Ton Tönjes) kamen nun wieder reale Hengste in die Halle. Begleitet von „Freude schöner Götterfunken“ gab es die mit Spannung erwartete Premiere eines neuen Dream-Teams: Damsey und Vize-Weltmeisterin Helen Langehanenberg. Nach der Geburt ihres ersten Kindes im November 2015 hat die erfolgreiche Dressurreiterin erst 20 Mal auf dem Deckhengst der Hengststation Meyer Platz genommen und wird den 14-jährigen Dressage Royal-Sohn nun im Sport reiten. Möglich gemacht hat das der langjährige freundschaftliche Kontakt zu Familie Meyer. Mit dem Schlussbild des Doppel-Weltmeisters der Jungen Dressurpferde, dem dänischen Hengst Sezuan (Gestüt Peterhof) und Olympia-Mannschaftssilbermedaillengewinnerin Dorothee Schneider, fand die 26. PB-Schau einen perfekten Abschluss mit Sahnehäubchen. Zu den Klängen von „I am what I am“ von Gloria Gaynor und Dr. Albans stampfenden Beats von „Sing Hallelujah“ kochte die Stimmung auf dem Siedepunkt. Und man soll ja immer Schluss machen, wenn es am schönsten ist...

 

Infos: www.hannoveraner-pb.de und www.facebook.com/hannoveranerpb

 

 

PM

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