Irgendwie ging alles schon immer ein bisschen schnell bei den reitenden Philippaerts aus Belgien. Vater Ludo nahm schon mit 26 Jahren an seiner ersten Europameisterschaft teil. Vier Jahre später probierte er erneut sein Glück bei den kontinentalen Meisterschaften im spanischen Gijon. Doch sein Glück lag an diesem 30. Juli 1993 nicht gerade auf dem Rücken seines berühmten Hengstes Darko sondern zuhause in Genk. Genau dort kamen just am Tag des Nationenpreises seine Zwillinge Nicola und Olivier zur Welt.
Und der jüngere Olivier schreibt jetzt beim CHIO in Aachen Geschichte. Der 18-Jährige dürfte als bislang Jüngster Teilnehmer in die Geschichte der bislang seit 1929 ausgetragenen 71 Nationenpreise eingehen. Genau weiß so etwas niemand. Ebenfalls dürfte der großgewachsene Olivier Philippaerts auch gleichzeitig der jüngste Null-Fehler-Reiter zumindest in einem Umlauf gewesen sein.
Das war genau am Donnerstagabend. Als 13. Starter durfte der Youngster vor den 40000 gespannt auf ihn blickenden Zuschauern sein Debut geben und der Beifall überschüttete einen glücklichen Debutanten in der Aachener Soers. Erst zehn Jahre alt ist sein Holsteiner Hengst (von Cassini I) Cabrio van de Heffinck. Der stand schon im Stall der Philippaerts in Gruitrode, gerade mal eine halbe Stunde vom Aachener Turnierplatz entfernt, als vielversprechender Dreijähriger. Im zweiten Umlauf lieferte er erneut ein passables Ergebnis mit neun Fehlerpunkten ab. „Die letzte Linie mit der zweifachen Kombination zum Schluss war schon sehr schwer“, begründete er sein immer noch bestes Ergebnis in der belgischen Mannschaft, den Weltmeisterschafts-Dritten von Kentucky.
Dabei hat der 18-Jährige, obwohl erstmals beim CHIO in Aachen dabei, doch schon einige Erfahrung sammeln können. In Rom und in Lummen stand Olivier schließlich auch schon im Nationenpreisteam der Belgier. Dabei konnte er einen dritten und zweiten Platz auf seinem Habenkonto schon mal verbuchen, ebenfalls jeweils mit einem fehlerfreien Ritt im ersten Umlauf! Zwei Europameister-Titel stehen bislang auf seiner doch schon beträchtlich langen Erfolgsliste. 2010 war es der im Juniorenalter und vor einem Jahr kam noch der Junge Reiter-Titel dazu.
Alles nur geerbtes Talent? „Talent gehört auch dazu“, sagt Olivier Philippaerts, „aber um die Weltspitze zu erreichen und sich dort zu etablieren, muss vor allem hart gearbeitet werden“. Sicherlich kommt noch dazu, dass Vater Ludo („er erklärt mir alles ganz genau“) ein wichtiger Fixpunkt und Erfolgsfaktor in seinem Reiterleben ist. „Ich glaube wir haben noch Reserven“, sieht er sich auf einem guten Weg.
Und der Weg führt direkt zur XXX. Olympiade in London. Dorthin wird Olivier Philipaerts als Ersatzreiter zusammen mit seinem Schimmelhengst reisen und im Olympischen Dorf wohnen. Immerhin kann Vater Ludo mit bislang vier olympischen Teilnahmen und mit zwei vierten Plätzen glänzen. Da müssen unbedingt noch die genannten Reserven her, um zumindest mal gleich zuziehen.
Nach diesem sportlichen Höhepunkt macht sich Olivier wieder auf den Schulweg. Dann wird das Pensum von bisher sieben auf drei bis vier zu reitende Pferde pro Tag wieder reduziert. Erst nach dem Schulabschluss führt der Weg zielgerichtet auf seinen Berufswunsch, Profireiter zu werden.
(Jörn Rebien für reitturniere.de)