Foto: Drei Olympiasieger im Springreiten - Ludger Beerbaum, Steve Guerdat und Jeroen Dubbeldam (v.l.) - Fotograf: RI
Drei großartige Reiter, Jeroen Dubbeldam (Niederlande), Steve Guerdat (Schweiz) und Ludger Beerbaum (Deutschland), erinnern sich in einer Pause des CSI** Indoors Riesenbeck International an den Großen Tag zurück, an dem sie jeweils Einzel-Olympiasieger der Springreiter wurden. Ludger Beerbaum gewann 1992 mit Classic Touch in Barcelona unter dramatischen Umständen. Tags zuvor war er noch von der Stute abgesprungen, da das Zaumzeug gerissen war; Jeroen Dubbeldam siegte 2000 in Sydney mit seinem De Sjiem – einem Schimmel, nach dem er aus Dankbarkeit seinen Stall genannt hat. Steve Guerdat reitet sein Olympiapferd von London 2012, Nino de Buissonnets noch immer. Mit dem 15 Jahre alten Wallach, seinem „Freund, Bruder, Partner“ wurde er bei Olympia 2016 in Rio vierter in der Einzelwertung.„Olympiasieger“ ist man ein ganzes Leben lang – bei diesem Titel wird niemals ein „Ex-“ davor gesetzt. Wie wichtig ist für die drei Vorzeigereiter dieser Erfolg gewesen? Hat er sie verändert?
Stimmt es, dass der Sieg bei Olympischen Spielen das Allerhöchste ist, das einem Sportler im Leben widerfahren kann?
Dubbeldam: Für mich war der Olympiasieg großartig. Aber er war nicht der größte sportliche Erfolg. Die Anerkennung in der Gesellschaft zählt natürlich aber viel mehr als bei einem anderen Sieg. Für mich war der Erfolg 2015 in Aachen bei den Europameisterschaften mit Zenith vom Gefühl her noch wertvoller. Da hatte ich wirklich ein tolles Turnier.
Beerbaum: Da stimme ich Jeroen zu. Allein die Tatsache, dass wir bei nachfolgenden Olympischen Spielen als Fahnenträger unser Land vertreten durften, sagt sehr viel über den Stellenwert eines Olympiasieges aus. Aber die hippologische Leistung… Wenn ich daran denke, dass ich Tage zuvor noch auf dem Hosenboden landete… Da habe ich in hippologischer Hinsicht schon größere Highlights gehabt.
Guerdat: Ein Olympiasieg ist das Schönste, was ein Sportler erleben kann. Ich habe zwar schon größere Reitkunst gezeigt, zum Beispiel bei meinem Weltcupsieg in diesem Jahr mit Corbinian. Da bin ich viel besser geritten. Dennoch: Dieser Sieg war das Größte für mich.
Wie oft haben Sie Ihren Siegesritt nach Olympia angeschaut?
Dubbeldam: Ich schaue nicht so viel zurück. Eigentlich habe ich den Ritt bewusst nicht oft angeschaut.
Beerbaum: Das ist so lange her. Ich wüsste gar nicht, wo ich den Ritt jetzt noch finde würde (lacht). Die letzten 15 Jahre habe ich das nicht mehr angeschaut.
Guerdat: Ich habe meinen Ritt auch nicht oft angeschaut. Aber ich könnte den Ritt von Ludger in Barcelona 1992 noch immer nachzeichnen. Ich weiß jedes Hindernis noch ganz genau. Meinen Ritt habe ich nie zuhause allein angeschaut. Das passierte eher beiläufig bei Festen, Einladungen, wo das auf dem Bildschirm gezeigt wurde.
Wie war der Moment auf dem Treppchen, erinnern Sie sich?
Dubbeldam: Oh ja, da kann ich mich sehr gut daran erinnern. Da war ich emotional.
Beerbaum: Das war ich auch. Ich habe gedacht: Was hast du für ein Glück gehabt. Als 44. von 45 Reitern hatte ich mich für dieses Springen noch qualifiziert, weil ich zuvor auf dem Boden gelandet war. Ich habe den Augenblick nur genossen. Ich habe auch an 1988 gedacht, als ich schon mit der Mannschaft in Seoul die Goldmedaille gewonnen hatte.
Guerdat: Ich erinnere mich nicht so gern daran. Das war nicht mein Moment. Das ging alles viel zu schnell - mir wurde gesagt, wohin ich schauen muss, wie ich wem die Hand schütteln muss, das war sehr offiziell und vorgegeben. Ich war auf dem Treppchen nicht ich selbst. Dagegen hatte ich Glück, dass um Platz zwei und drei gestochen werden musste. In dieser Zeit konnte ich mit meinem Team, meinen Kollegen und meiner Familie den Erfolg genießen.
Dubbeldam: Albert Voorn und ich standen beide auf dem Treppchen. Er wurde zweiter. Ich weiß noch, dass ich ihm dort oben für die Unterstützung gedankt habe. Er hat sich die Wochen vor dem Turnier sehr um mich gekümmert, hat mich an die Hand genommen und mich auch gebremst, wenn ich zu viel wollte. Danach sind dann die Tränen geflossen.
Gibt es ein geheimes Band zwischen den Olympiasiegern - so was wie: „wir gehören zu den wenigen, die diesen Sieg errungen haben“?
Guerdat: Nein. Ich weiß es sehr zu schätzen, dass mein Sport sehr bodenständig ist. Man kommt nach einem Erfolg immer wieder sehr schnell auf die Erde zurück.
Beerbaum: Nein!!!
Dubbeldam: Überhaupt nicht. Es ist zwar etwas Besonderes. Aber man fühlt sich nicht besonders. In dem Moment, wenn man sich als etwas Besonderes fühlt, geht es mit einem den Berg runter.
Was hatte/hat ihr Olympiapferd für eine Bedeutung für sie?
Dubbeldam: Ihm habe ich alles zu verdanken. Er hat mich in den Sport gebracht. De Sjiem war mein erstes internationales Pferd, mit ihm ist meine Karriere losgegangen. Er wurde mir von meinem Ex-Schwiegervater gekauft. Ich habe ihn selbst „gemacht“. Neun Jahre lang waren wir ein super Paar, er war mein einziges Grand Prix-Pferd in dieser Zeit. Wir haben voneinander gelernt. Ich habe von ihm Geduld lernen müssen. Er war sehr, sehr speziell: Als er sieben Jahre alt war, ritten wir zum ersten Mal in der schweren Tour. In Paderborn. Dort hat er auch gewonnen. Der ist immer alles gegangen, nonstop – und ohne Verletzung. Zum Beispiel 1998: Er hatte alle Qualifikationen zu den Nationenpreisen mitgemacht, war sechsmal Doppelnull, war immer unter den besten fünf Platzierten. Aber gewinnen konnte er in der ganzen Karriere genau drei wirklich schwere Springen: Olympia in Sydney, den Großen Preis von Aachen mit einer Doppel-Nullrunde – und sein Abschiedsspringen, wieder in Paderborn.
Beerbaum: Bei mir war klar, dass ich die Stute nur ein Jahr lang reiten durfte, danach ging Classic Touch zurück zu ihren Besitzern. Die konnte unheimlich springen. Ich hatte vielleicht niemals mehr ein Pferd mit größerem Vermögen. Aber sie war so übermotiviert! Achtjährig hatte sie im Frühjahr das Weltcupspringen in Göteborg gewonnen. Danach habe ich mal nachgefragt, ob sie nicht eine Option für Olympia wäre. Der Rest ist bekannt.
Guerdat: Nino ist für mich ein Teil meiner Familie. Er ist wie ein bester Freund/Bruder/Partner. Es vergeht nicht einen Tag, an dem ich nicht an ihn denke. Ich habe ihn jetzt seit sieben Jahren. Er war international schon erfahren, als er zu mir kam. Ich habe kaum zehn Sprünge beim Ausprobieren gemacht, da wusste ich: das ist mein Pferd! Wie groß dann die Enttäuschung war, als ich beim ersten Turner in Amsterdam nicht einmal das erste Hindernis mit ihm geschafft habe. Ich bin ausgeschieden. Ich war so deprimiert! Danach waren wir sehr erfolgreich.
Inwiefern haben Sie von Ihrem Olympiasieg profitiert?
Dubbeldam: Es gehen Türen auf, die normalerweise geschlossen bleiben. Und dann ist es an einem selbst, diese Chance zu nutzen.
Beerbaum: Ich hätte vielleicht meinen Job in Buchloe gar nicht bekommen, wenn ich nicht als Olympiasieger dort angekommen wäre.
Guerdat: Ich habe Sponsoren in Größenordnungen bekommen, die sonst nicht möglich gewesen wären. Sonst hat sich wenig in meinem Leben geändert.
Gibt es noch ein Ziel, das Sie sich jetzt gesetzt haben?
Guerdat: Noch ganz viele! Ich bin noch so weit weg von Ludger und Jeroen! Ich möchte noch viel reiten und viel gewinnen. Ich freue mich auf jedes Pferd, auf jedes Reiten. Ich habe niemals das Gefühl, dass ich zum Arbeiten muss, dass ich mich zwingen muss. Ich lebe mein Hobby. Aber ich bin Sportler und ich möchte mir Ziele setzen, erfolgreich sein!
Dubbeldam: Ja klar. Für mich ist jedes Pferd eine Herausforderung. Wenn es bei einem ***-Turnier seine Grenze erreicht hat, und es dies gut macht, dann kann das für mich sehr befriedigend sein. Wenn einer wie wir vom Sport leben muss, dann muss es immer weitergehen. Der Tag nach dem Olympiasieg ist der erste Tag, an dem es bergab geht, wenn du kein nächstes Pferd hast. Wenn du aber dann mit jungen Pferden hierher nach Riesenbeck kommst, wenn du in die Halle reitest und diese Bedingungen vorfindest, dann kann ich den Sport sehr genießen.
Beerbaum: Wenn du dann denkst, jetzt ist alles prima, ich bin ganz oben, dann ist es schon vorbei. Tatsächlich muss man das abhaken, weitermachen …Ein paar Wochen später kannst du dir vom Olympiasieg schon nichts mehr kaufen. Wenn du dann aber ein junges Pferd reiten darfst, das Hoffnungen auf was ganz Großes weckt, dann bist du wieder elektrisiert. Das ist es, warum wir dann wieder weiterkämpfen.
PM