Skaryszew, 26.03.2014. Der traditionelle Pferdemarkt in Skaryszew ist der größte seiner Art in Polen und wird bereits seit dem 16. Jahrhundert abgehalten. Eingebettet in eine Art Volksfest wechseln dabei hunderte Pferde ihre Besitzer − leider unter zum Teil grausamen Bedingungen. Der Markt, der vor einigen Tagen stattfand, zog bereits mehrfach die Aufmerksamkeit von Tierschutzorganisationen auf sich: Misshandlungen der Pferde, Unfälle, kein Wasser für die gestressten Tiere und auch die Missachtung von Vorschriften zu den Transportbedingungen führten in der Vergangenheit zu zahlreichen Protesten.
Wenngleich es mittlerweile zumindest tierärztliche Kontrolleure vor Ort gibt, deckte die internationale Tierschutzorganisation VIER PFOTEN zahlreiche Missstände auf. Nutztierexpertin Nina Jamal von VIER PFOTEN über das tierquälerische „Spektakel“: „Die Tiere wurden teilweise nicht nur nicht ausreichend getränkt und gefüttert, viele wurden auch grundlos geschlagen und getreten. Sie mussten stundenlang eng zusammengepfercht stehen, bevor sie brutal, unter Drahtpeitschenhieben, in die Transporter getrieben wurden“. Das Team von VIER PFOTEN sah viele stark verängstigte und gestresste Pferde, die nassgeschwitzt in der Kälte ausharren mussten. Darunter auch verletzte und kranke Tiere, die tierärztliche Versorgung benötigt hätten, sowie Stuten, die, von ihren Fohlen getrennt, unter prallen Eutern zu leiden hatten.
Auch die Transportbedingungen waren miserabel und verstießen gegen die EU-Verordnung von Tiertransporten. Jamal: „Die Transporter waren zu niedrig und zu klein – die Pferde konnten sich nicht aufrichten und standen viel zu eng nebeneinander, was großen Stress bei ihnen auslöste. Zudem wurden die Tiere auf brutale Art und Weise auf einer viel zu steilen Rampe in den Transporter getrieben“. Die Tierschützer verfolgten einen Transport innerhalb Polens und stellten fest, dass die Tiere während der Fahrt auch nicht mit Wasser versorgt wurden.
Der Großteil der Tiere wird direkt vom Pferdemarkt in Skaryszew in nationale und internationale Schlachthäuser gebracht; 75 Prozent der Schlachtpferde aus Polen gehen nach Italien. Polen zählt neben China, Kasachstan, USA, Mexiko, Argentinien und Russland zu den größten Produzenten von Pferdefleisch (rund 21.000 Tonnen jährlich). Hauptabnehmer in Europa sind die Niederlande, Belgien, Frankreich und Italien. In Deutschland und Österreich wird Pferdefleisch seltener konsumiert, in der Schweiz etwas häufiger.
Dennoch exportiert und importiert auch Österreich Pferdefleisch: 2012 wurden rund 850 Tonnen Lebendgewicht für die Fleischerzeugung produziert, der Großteil (670 Tonnen) der Pferde wurde jedoch im Ausland geschlachtet. „Anders als bei Rindfleisch muss das Herstellungsland bei Pferdefleisch nicht angegeben werden – für Konsumenten ist daher nicht ersichtlich, woher das Fleisch eigentlich stammt“, so Nina Jamal über die undurchsichtigen Verhältnisse des europäischen Pferdefleischhandels. Seit langem fordert VIER PFOTEN eine gesetzliche Kennzeichnungspflicht für alle Fleischsorten mit Angaben zum Ort der Geburt, der Aufzucht und der Schlachtung.
„Traditionen können auch ohne Tierleid gepflegt werden. Viel mehr sollten sie die Wertschätzung gegenüber den Tieren und den hohen Stellenwert, den sie seit Jahrhunderten im Leben der Menschen einnehmen, widerspiegeln. Wir werden weiterhin versuchen, mit den polnischen Behörden in Kontakt zu treten, um eine bessere Behandlung der Tiere auf dem Pferdemarkt und die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften durchzusetzen. “, meint auch Robert Hengl, Leiter der Pferdeprojekt-Abteilung bei VIER PFOTEN.
PM