Nach Todessturz 2014 Trotz Reformen bleiben Reiter in Luhmühlen in der Kritik
Hamburg · Vor vier Jahren starb in Luhmühlen nach einem schweren Sturz der erst 25 Jahre alte Nachwuchsreiter Benjamin Winter. Seither hat die Zahl der schweren Unfälle abgenommen, dennoch bleibt das Vielseitigkeitsreiten eine gefährliche und scharf kritisierte Reitdisziplin.
Benjamin Winter bleibt unvergessen. Der Todessturz des erst 25 Jahre alten Nachwuchsreiters vor vier Jahren beim Vielseitigkeitsturnier in Luhmühlen hallt nach – auch am kommenden Wochenende, wenn sich die Weltelite erneut im beschaulichen Heideörtchen trifft.
Striktere Kontrollen, verkürzte Geländestrecken, Hindernisse, die teilweise nachgeben - es tut sich durchaus etwas bei den Buschreitern, denen spektakuläre Stürze mit manchmal tragischem Ausgang das Image verhageln. Und so schaut auch das Internationale Olympische Komitee genau hin, ob diese Reitdisziplin noch in das Programm seiner Sommerspiele passt.
„Es ist schon eine Menge verbessert worden in den vergangenen Jahren. Wir wollen sicheren Sport, das steht an erster Stelle. Aber ein letztes Restrisiko kann man nie ausschließen", sagt Bundestrainer Hans Melzer.
2014 entlud sich dieses Restrisiko in Luhmühlen an Sprung 20. Winters Pferd Isco überschlug sich beim Versuch, das Hindernis zu meistern und überrollte seinen am Boden liegenden Reiter. Der hochtalentierte Warendorfer erlitt beim Aufprall auf den Boden ein schweres Schädel-Hirn-Trauma und starb wenige Stunden später in einem Hamburger Krankenhaus.
Isco blieb seinerzeit beim Absprung mit den Vorderbeinen am Hindernis hängen, mit tödlichen Folgen. Da setzen die Verbesserungen an, die zunehmend vor allem bei großen Turnieren umgesetzt werden. Als risikomindernd gelten vor allem Hindernisse, die nicht mehr komplett fest, sondern dank eingebauter Pins deformierbar sind, und bei zu großem Druck von oben nachgeben.
Melzer allerdings sieht da Grenzen: "Der Weltverband hat da einiges aufgearbeitet. Aber wenn alles abwerfbar wäre wie im Springreiten, wäre das einfach nicht mehr unsere Sportart."
Doch genau an diesem Punkt könnte sich entscheiden, ob das gerade für Deutschland so medaillenträchtige Vielseitigkeitsreiten eine sportliche Zukunft hat. Denn eine Untersuchung der australischen Wissenschaftlerin Denzil O'Brien ergab, dass die größte Gefahr von sogenannten „Rotational Falls" ausgeht, bei denen sich Pferd und Reiter gemeinsam überschlagen. Genau dieses Szenario kostete Winter das Leben.
Fast noch bedrohlicher für den Fortbestand der Sportart könnten die noch häufiger zu Tode kommenden Pferde sein, auch wenn die Zahl der Stürze insgesamt sinkt. O'Brien prognostiziert: „Die steigende Abneigung der Öffentlichkeit den Tod von Tieren zu Unterhaltungszwecken in Kauf zu nehmen, wird für die Vielseitigkeit immer mehr zum Thema werden."
Dafür sorgen auch die Tierschutzorganisationen in Deutschland. „Vielseitigkeitswettkämpfe sind für die Pferde eine Tortur", kritisiert der Deutsche Tierschutzbund, die Tierrechtsorganisation Peta geht noch einen Schritt weiter: "Ein Sport, bei dem der Tod von Tieren mit einkalkuliert wird, gehört sofort abgeschafft."