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Neustadt

Förderer der Pferde in der Talenteschmiede Neustadt

Christian Lehmann mit dem fünfjährigen Schimmel Call me Crazy zu sehen. 

Christian Lehmann mit dem fünfjährigen Schimmel Call me Crazy zu sehen.

Neustadt. In verschiedenen Grauschattierungen schimmert Call me Crazys Fell. Der Schimmel ist einer von Christian Lehmanns Schützlingen. Fünf an der Zahl betreut der Pferdewirt im Brandenburgischen Landgestüt von Neustadt, wo ausschließlich Hengste stehen.

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Der Name Call me Crazy will nicht so recht zu dem fünfjährigen Pferd passen. Crazy, zu Deutsch „verrückt“, ist der silbrig graue Schimmel, ganz und gar nicht. Eher das Gegenteil. „Er hat einen sehr ausgeglichenen Charakter. Wenn er gestreichelt wird, hält er still und schnappt nicht“, sagt Lehmann, der sich auf Zucht und Haltung spezialisiert hat. Er fördert die Talente von Pferden.

Ausdrucksstarke Fohlenjahrgänge aus Neustadt

Liebevoll tätschelt der 42-Jährige Call me Crazy über den hellgrauen Nasenrücken, legt ihm Zaumzeug und Sattel an, richtet die dunkle Mähne. „Geboren ist er am 28. Mai 2013, Vater ist Chacco Me Biolley, die Mutter heißt Lena.

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Der Stammbaum von Call me Crazy 

Der Stammbaum von Call me Crazy.

Das Gestüt hat den Schimmel von einem Züchter aus Wenddorf gekauft.“ Vater Chacco Me Biolley war schon ein vielbeachteter Pachthengst in Neustadt mit ausdrucksstarken Fohlenjahrgängen.

Der Stammbaum allein reicht nicht aus

Der Stammbaum eines Zuchtpferdes alleine reiche jedoch nicht, damit aus ihm ein Champion wird, sagt Lehmann: „Sein Talent muss entdeckt und gefördert werden. Ich bringe die Tiere auf den richtigen Weg.“

Der sportliche Pferdenarr reitet die Dressur- und Springhengste im Neustädter Gestüt zu. Täglich trainiert er mit „seinen“ Hengsten. „Als Fohlen kommen die meisten zu uns. Bis sie drei Jahre alt sind, toben sie sich draußen auf den Koppeln aus.

Dann werden sie vorselektiert, bereits angeritten und ihre Ausbildung beginnt.“ Erst jetzt sind sie für Züchter interessant. Etwa 20 Bereiter gibt es im Gestüt Neustadt, erzählt Christian Lehmann, während er Call me Crazy auf den sonnigen Hof führt.

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Im Winter wird in der Reithalle trainiert

„Im Sommer trainieren wir draußen, im Winter in der Reithalle.“ Erst werden nur Runden gedreht, dann Hindernisse gewagt. „Ein Jahr dauert es, bis die Tiere Angaloppieren und Springen beherrschen.“

Elegant schreitet der drahtige Schimmel auf die Allee zu, die das Land- mit dem Hauptgestüt verbindet. Die Neustädter konnten mit Call me Crazy bereits in dessen ersten Fohlenjahrgang ein Championatsfohlen stellen.

Christian Lehmann ist Pferdewirt – für ihn ein Traumberuf 

Christian Lehmann ist Pferdewirt – für ihn ein Traumberuf.

Im 14-Tage-Test der Hengstleistungsprüfung bekamt der Schimmel die Gesamtnote 7,83 und im Springen eine 8,2. „Eine Acht sollte bei Springreifeprüfungen vorne schon stehen“, meint Lehmann. Das sei die Motivation.

Der Bereiter nimmt regelmäßig an Turnieren teil

Mit seinen Springpferden nimmt der Berufsreiter regelmäßig an Turnieren teil. Auch der sechsjährige Hengst Cocobell, ein weiterer seiner Schützlinge, hat großes Talent. „Jetzt am Wochenende gehe ich mit ihm zum nächsten Springturnier in Berge. Cocobell hat sich auch bei den Bundeschampionaten in Warendorf qualifiziert.“

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Ein anspruchsvolles Turnier. „Eine Qualifizierung allein reicht bereits, um den Wert eines Tieres zu steigern. Es muss nicht mal teilnehmen“, erklärt Lehmann. „Ist der Hengst erfolgreich, rufen Züchter an und sagen, dass das Tier gut für ihre Stute sei und sie decken wollten. Oder aber die Tiere werden gleich verkauft.“

Spitzenreiter bis Hobbyreiter fragen im Gestüt Neustadt an. Lehmanns Schützling Let’s go beispielsweise ging nach Amerika.

Das Abschiednehmen fällt oft schwer

Nicht immer leicht für den Bereiter, der die Pferde drei bis sechs Jahre lang trainiert. „Man lernt damit umzugehen, dass sie das Gestüt verlassen.“ Manche Zöglinge kommen auch zurück, so etwa der 16-jährige Samba Hit II.

Der 1,75 Meter große Hengst stammt aus der goldenen Zuchtformel des Neustädter Gestüts selber, war Körungssieger 2004 und Finalist der Bundeschampionate 2005 und 2006.

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Christian Lehmann beim Ausreiten mit  Schimmel Call me Crazy 

Christian Lehmann beim Ausreiten mit Schimmel Call me Crazy.

Lehmann stellt die imposante Erscheinung, die es liebt, hinterm Ohr gekrault zu werden, im Stall vor. Der Bruder, Samba Hit I, sei kürzlich gestorben, nun solle Nummer zwei in dessen Fußstapfen treten, sagt Lehmann: „Er ist ein Deckhengst, wird nicht mehr geritten.“

Lehmanns Leidenschaft für Pferde begann früh

Christian Lehmanns Leidenschaft für Pferde begann früh. Tiere gab es auf dem elterlichen Hof im kleinen Steinberg nahe Perleberg, den schon sein Großvater und Urgroßvater führte, reichlich. Auch heute noch hat die Familie ein paar Kühe, Hühner, Pferde und Lehmann wohnt dort.

Schon in der Kindheit ist er zuhause geritten, erinnert sich der Pferdewirt: „Zu DDR-Zeiten dachte ich, ich steige später in der LPG mit ein. Als kleiner Junge bin ich jedoch regelmäßig bei der jährlichen Hengstparade in Neustadt gewesen und wusste schließlich, ich möchte was mit Pferden machen. Hengste, vor die Kutsche gespannt, haben mir schon immer gefallen.“

Das Gestüt Neustadt, das 1788 von König Friedrich Wilhelm II. gegründet wurde und das die größte Gestütanlage Deutschlands ist, wurde schließlich sein Arbeitsplatz.

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Das Pferd war in der DDR ein Exportschlager

„Auch in der DDR lief der Betrieb. Das Pferd war ein Exportschlager und brachte Devisen“, erzählt Lehmann, dem natürlich die Geschichte seines Arbeitgebers bestens vertraut ist.

Händler aus Westdeutschland oder England wären nach Neustadt gekommen. Ein paar hundert Pferde wurden im Jahr verkauft. „Zentraler Exportstall hieß das Gestüt damals.“

Seit 20 Jahren arbeitet der Prignitzer mittlerweile in Neustadt. „1997 habe ich im Gestüt meine Ausbildung begonnen. Die Berufsschule war in Groß Kreutz.“ Alle paar Wochen musste er hin und für eine Woche Theorie pauken, die Praxis erlernte er vor Ort in Neustadt.

Früher waren die Hengstparaden weit weg

Waren die Ausflüge zu den Hengstparaden in Lehmanns Kindheit eine halbe Weltreise, sind sie heute seine tägliche Arbeitsstrecke: „Eine Stunde fahre ich hin und zurück von Steinberg nach Neustadt. Halb fünf klingelt der Wecker. Um sechs beginnt der Stalldienst, dann wird gefüttert, gemistet, geputzt. Gegen halb acht geht es raus mit den Tieren, eins nach dem anderen.“

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Christian Lehmann arbeitet im Wechsel. Von Mitte Juli bis Ende Februar ist er auf dem Neustädter Gestüt tätig, die restlichen Monate zuhause auf dem elterlichen Hof. Dort hat er seine Deckstation, deckt eigene Stuten. Und „seine“ Neustädter Hengste begleiten ihn dorthin, stehen dann im Stall in Steinberg.

„Hengste dürfen erst decken, wenn sie die Hengstleistungsprüfung absolviert haben und diesen 50-Tages-Test bestehen.“ Cocobell ist ein prima Kandidat. Er bekam die Endnote 8,06.

Jedes gelungene Turnier ein Glücksmoment

Jedes gelungene Turnier, jede erfolgreiche Prüfung ist ein Glücksmoment für Deckstellenleiter Lehmann. Es geht jedoch auch kleiner, alltäglicher. „Wenn ich im September morgens gegen sieben über die Wiesen reite und leichter Nebel aufsteigt, das sind für mich unbeschreibliche Augenblicke. Dafür müssen einige viel Geld zahlen.“

Lehmann darf sie gratis im Job erleben und genießt sie in vollen Zügen. So wie alles andere auch. Früher war er der kleine Zuschauer auf der Hengstparade, heute reitet er selber mit.

Die Proben für die Traditionsveranstaltung im September beginnen in Kürze, sagt der 42-Jährige. Dann wird Call me Crazys graues Fell gestriegelt und gebügelt und der Schimmel darf sich in voller Pracht zeigen. Folgsam schreitet er jetzt erstmal zurück in den Stall. Cocobell ist dran mit dem Training.

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Von Anja Reinbothe-Occhipinti

MAZ

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