Dressur:Der Traum auf dem Reiterhof

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Mit Famoso ist Benjamin Werndl sehr zufrieden, seit zwei Jahren trainiert er bereits mit dem dunkelbraunen Wallach.

(Foto: Lafrentz/imago)

Dressurreiter Benjamin Werndl will sich mit Famoso in kleinen Schritten an den internationalen Grand-Prix-Sport herantasten - in Frankfurt wartet die nächste Herausforderung.

Von Nadine Regel

Benjamin Werndl sitzt auf einer Bank in der Reithalle und führt Selbstgespräche. Er ist in eine dicke Decke gehüllt. Im Viereck bemühen sich vier Pferde und Reiter, trotz der Kälte konzentriert zu arbeiten. "Kopf nach oben, bei einer Rede schau' ich auch nicht auf den Zettel", sagt er. Der Reitlehrer ist per Kopfhörer mit seiner Schülerin verbunden. Er weist das junge Mädchen an, zwischen den Ohren des Pferdes durchzuschauen. Die Haltung ist bei der Dressur sehr wichtig.

Benjamin Werndl ist einer der erfolgreichsten Dressurreiter Deutschlands. Seit diesem Jahr gehört der 34-Jährige dem deutschen Perspektivkader an. Mit Bundestrainerin Monica Theodorescu ist Werndl auch darüber hinaus über eine Trainer-Patenschaft verbunden. "Das Jahr 2018 läuft sehr gut für mich", sagt Werndl. Ende September gewann er mit Daily Mirror, neben Famoso sein zweites Pferd, die Weltcup-Kür (78,025 Prozent) in Budapest, am vergangenen Wochenende den Grand Prix (74.783 Prozent) und die Kür (80,790 Prozent) beim Weltcup in Salzburg. Damit führt er gemeinsam mit Dorothee Schneider den Gesamt-Weltcup an. Von Freitag bis Sonntag startet er mit seinem Wallach Famoso beim Louisdor Finale in Frankfurt - dem wichtigsten Wettbewerb für Nachwuchspferde im Alter von acht bis zehn Jahren im Grand Prix.

Werndl lebt mit seiner Frau und seinen zwei Töchtern in Aubenhausen, einem kleinen Ort zwischen München und Rosenheim. Die Reitanlage im Ort ist ein Familienprojekt, vor 25 Jahren bauten die Eltern Micaela und Klaus Werndl den Reiterhof auf. Benjamin und seine Schwester Jessica von Bredow-Werndl, Mannschafts-Weltmeisterin in der Dressur, übernahmen den Hof 15 Jahre später. Mittlerweile beschäftigen sie 18 Mitarbeiter, drei davon sind Grand-Prix-Bereiter. 25 der 50 Pferde auf dem Hof gehören den Geschwistern. Die Eltern sind noch als persönliche Berater eingebunden.

Benjamin Werndl trägt braune Jodhpurreithosen mit Volllederbesatz. An den Schenkeln sitzt die Hose etwas lockerer. Eine dunkelblaue Strickmütze mit grasgrünem Rand verleiht dem 34-jährigen Profireiter etwas Jugendliches. Die Reitstunden nehmen zehn bis 20 Prozent seines Alltages ein, erfolgreich ist Werndl aber nicht nur als Reiter sondern auch als Ausbilder. Bei den Asian Games in Jakarta holte das von ihm trainierte südkoreanische Team Silber in der Dressur.

Seine Schwester Jessica von Bredow-Werndl tritt ein, eigentlich in Vollzeit Profireiterin. Aktuell jedoch bestimmt ihr kleiner Sohn den Alltag. Sie habe nur noch Auslauf, wenn er schlafe, sagt sie mit einem Blick auf ihre Uhr. Sie lehnt an der Bande und beobachtet die Reitschülerin ihres Bruders. "Umsitzen", sagt sie, ohne zu wissen, ob das Mädchen sie hören kann. Immerhin ist sie durch die Kopfhörer auf Benjamin fixiert, der dann auch reagiert. Das Wort der großen Schwester hat Gewicht.

Dass er professioneller Sportler werden wollte, wusste Werndl schon immer. Aber dass er ausgerechnet Dressurreiter werden würde, war eher Fügung. Zur Auswahl standen: Skifahren, Fußball oder Tennis. Dann Springreiten. Da seine Mutter und Schwester sich aber schon für die Dressur entschieden hatten, war sein Weg vorgezeichnet. "In dem Alter hat man da nicht viel entgegenzusetzen", sagt Werndl lachend. Heute bedeutet ihm der Sport viel mehr als damals als Kind. "Mit den Pferden lebe ich meinen Traum", sagt er.

Die lange Fensterfront der Reithalle gibt den Blick auf das Voralpenland frei. An den Wänden hängt Weihnachtsdeko, in der Mitte ein riesiger Kronleuchter. Fast wirkt die Halle wie ein Festsaal, nur dass ein Staatsbankett wohl ohne Stallgeruch auskäme. Werndl redet mit ruhiger Stimme auf die junge Frau ein. Unter seine Worte mischt sich immer wieder Lob. Positive Verstärkung nennt er das. Anstatt zu bestrafen, belohnt er gute Leistung. So arbeitet er auch mit seinen Pferden.

"Das richtige Pferd zu finden, ist in unserem Job das Schwierigste überhaupt", sagt Werndl wenig später in einer kleinen Küche mit Fensterblick in die Reithalle. Der einzig ehrliche Weg sei es, sich ein junges Pferd zu holen und es über Jahre auszubilden. "So sind wir aufgewachsen", sagt er. Famoso ist ein Glücksgriff. Werndl trainiert den dunkelbraunen Oldenburger seit zweieinhalb Jahren. Was Famoso auszeichnet, ist sein großes Bewegungspotential - und seine hohe Motivation, gute Leistungen zu erbringen. Das Pferd gehört Flora Keller, einer Mäzenin, die Werndl ihr Pferd zum Training zur Verfügung stellt, ohne es selbst zu beanspruchen. Das sei sehr selten, sagt Werndl - und für ihn ideal, zumal das Vertrauensverhältnis ohne Vertrag auskommt. Famoso bleibt ihm auf unbestimmte Zeit erhalten. "Ich fühle mich aber immer noch am Anfang", sagt Werndl. In kleinen Schritten will er sich mit Famoso an den internationalen Grand-Prix-Sport herantasten. Der Wettbewerb in Frankfurt wird eine nächste Herausforderung für ein Team sein, das jetzt schon tadellos funktioniert.

Draußen ist es mittlerweile dunkel geworden. An den Bäumen hängen Lichterketten, die auf dem Vorplatz der Reithalle weihnachtliche Stimmung verbreiten. Mittendrin stehen drei gesattelte Pferde, auf einem sitzt eine junge Frau. Eine Tupperdose mit Marmorkuchen wird herumgereicht. Einmal wöchentlich lädt Micaela Werndl, seine Mutter, eine Behindertgruppe aus Rosenheim zum Reiten ein, um ihnen "etwas von unserem Glück zurückzugeben", wie Benjamin Werndl sagt. Dann geht er zurück in die Halle, setzt sich die Kopfhörer wieder auf und redet geduldig auf die zweite Reitschülerin des Abends ein.

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