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Sport CHIO in Aachen

Am Hofe der Königin Ingrid Klimke

Chefreporter
Ingrid Klimke führt das deutsche Team zum Sieg

Ingrid Klimke und Michael Jung beweisen beim CHIO in Aachen ihre ganze Klasse. In der Vielseitigkeit belegen die Europameisterin und der dreimalige Olympiasieger Platz eins und zwei.

Quelle: CHIO Aachen/ WELT

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Ein Tag im Leben der Olympiasiegerin Ingrid Klimke. Eine Frau voller Adrenalin, Mut und Herz. Beim CHIO in Aachen gewinnt sie mit ihrem Bobby die Vielseitigkeit und krönt sich selbst.

Eigentlich kann sich Ingrid Klimke auf ihren Bobby blind verlassen. Wenn sie mit ihrem braunen Wallach aber am Berg galoppiert, kann es für sie schon mal gefährlich werden. Bobby möchte nämlich auf keinen Fall von einem mitgaloppierenden Pferd überholt werden. Kommt ihm eines zu nahe, bockt er. Einmal fiel Klimke in vollem Galopp deshalb hinunter. Und Bobby? Der drehte sich nicht einmal um. Voller Freude lief er den Berg hinauf und war glücklich, dass er als Erster oben ankam. Ein Siegerpferd eben.

In Aachen versammelt sich in diesen Tagen die Weltelite des Pferdesports. Ein buntes Treiben, nicht nur für Pferdenarren, aber natürlich besonders für sie. Sonntag werden beim Großen Preis in Dressur und Springen die Besten gekürt. Das Starterfeld verspricht hochklassigen Sport.

Das spektakulärste und für die Zuschauer attraktivste Event entscheidet sich bereits einen Tag zuvor. Wenn die Vielseitigkeitsreiter nach ihren Spezialauftritten ins Gelände gehen. Aachen setzt sich über die Tradition, bei diesem Dreikampf das Springen als letztes stattfinden zu lassen, hinweg. Dadurch erleben die Zuschauer an der Strecke deutlich mehr Spannung, denn der nach zwei Disziplinen Beste geht als Letzter ins Rennen.

Auslaufen: Klimke mit Tochter Greta (l.) und Managerin Barbrock
Auslaufen: Klimke mit Tochter Greta (l.) und Managerin Barbrock
Quelle: S.Frommann

Ingrid Klimke gehört zu den Favoriten in der Vielseitigkeit. Zweimal wurde sie Olympiasiegerin, zweimal Welt-, viermal Europameisterin. Sie stammt aus einer berühmten Pferdefamilie, ihr Vater Dr. Reiner Klimke war eine Dressur-Ikone, er gewann fünf olympische Goldmedaillen. Die Konkurrenz für Klimke in Aachen ist groß, der Neuseeländer Tim Price war zuletzt sehr stark, natürlich gehört auch Michael Jung zum Favoritenkreis, der Gold-Jockey von Rio. Nach der Dressur liegt sie in Führung, nach dem Springen ist sie Dritte. Im Gelände reitet sie wie entfesselt und holt sich unter großer Begeisterung der Zuschauer den Sieg.

Vielseitgkeitsreiter werden für Mut und Geschick bewundert

Die Vielseitigkeitsreiter sind die Könige des Pferdesports, ähnlich den Zehnkämpfern in der Leichtathletik. Sie werden bewundert, weil sie Mut und Geschick miteinander verbinden. Für die WELT hat Königin Ingrid Klimke seltene Einblicke in die Szene der reiterlichen Triathleten zugelassen.

Es ist noch dunkel am Dienstagmorgen, als Klimke auf ihrem Hof in Münster die Sachen für Aachen packt. Als Reiterin und Mutter muss sie an vieles denken, denn sie nimmt ihre beiden Töchter Greta (16) und Philippa (9) und das Patenkind Ida (9) mit, die beste Freundin von Philippa.

Um 6.30 Uhr ist sie im Stall. Carmen Thiermann,seit 20 Jahren ihre Stallmanagerin, hat dort alles vorbereitet. Sie verladen die Pferde. Klimke hat sich viel vorgenommen für Aachen. Sie startet mit Franziskus in der Dressur, mit Weiße Düne im Springen und mit Bobby in der Vielseitigkeit. Bobby heißt eigentlich SAP Hale Bob OLD, wobei OLD für das Zuchtgebiet Oldenburg steht, das ist keine Bewertung des Alters des 15-jährigen Wallachs „Gerade in Aachen will man natürlich zeigen, was man kann“, sagt Klimke. „Die Pferde sind gut drauf. Bobby war schon ein paar Mal dort, er kennt alles in Aachen. Das hilft ungemein.“

Heimat: Klimke mit ihrem Bobby vor dem Horsetruck
Heimat: Klimke mit ihrem Bobby vor dem Horsetruck
Quelle: S.Frommann

Um 7.00 Uhr ist Abfahrt. Team Klimke hat dafür von einem Sponsor einen Horsetruck gestellt bekommen, quasi einen überdimensionalen Wohnwagen, der an einer Seite und in der Höhe ausfahrbar ist. Darin ist Platz für alle Pferde, und die sechs Menschen haben hier einen Wohn- und mehrere Schlafräume, Bad und eine Küche. Managerin Anne Barbock gehört ebenfalls zum Team, sie ist oft dabei. Carmen, die zierliche Pferdeflüsterin, setzt sich ans Lenkrad. An zahlreichen Wochenenden sind sie mit diesem rollenden Haus unterwegs. „Ein wunderbarer Rückzugsort, wenn es mir mal zu viel Trubel wird“, sagt Klimke. „Unser Familientreffpunkt. Das gehört zum Wohlfühlen dazu.“

Terminhatz beim CHIO

Um 10.30 Uhr erreichen sie Aachen. Carmen darf den Truck auf dem CHIO-Gelände auf einer Wiese parken. Ingrid Klimke benutzt ein Mountainbike, um sich fix über die Anlage zu bewegen. 11.30 Uhr das erste Briefing, um 12.30 Uhr muss sie mit Franziskus zum Vetcheck. Fünf Tierärzte bestätigen, dass der Hengst wettkampftauglich ist. So ist das in den folgenden Tagen auch mit den anderen beiden Pferden.

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Um 13.30 Uhr sitzt sie zum ersten Mal an diesem Tag im Sattel. Das Pferd unter sich kennt sie nicht. Es ist schwarz – und aus Kunststoff. SAP hat einen Simulator aus England nach Aachen geholt. Auf ihm dürfen sich reiterfahrene Zuschauer vor einer Leinwand an dem original Geländeritt probieren. Ingrid Klimke soll eine Richtzeit vorgeben, die es zu schlagen gilt.

Auf dem Simulator: Klimke reitet ein Kunststoffpferd
Auf dem Simulator: Klimke reitet ein Kunststoffpferd
Quelle: S.Frommann

Schnell noch ein anderer Sponsorentermin, ein paar Hände geschüttelt, dann sitzt Klimke um 15.30 Uhr auf Bobbys Rücken. Greta reitet neben ihr auf Weiße Düne. Beide haben Helme, Hosen und Gürtel mit glitzernen Steinchen von einem Sponsor, die ihnen sehr gefallen und die es vorzuführen gilt. Die Tiere waren bereits mit Carmen grasen, jetzt werden sie ein wenig bewegt. Der Besitzer von Franziskus schaut vorbei, und natürlich nimmt sich Klimke Zeit für ihn. In Aachen überschlagen sich die Termine, und trotzdem sagt sie: „Zu Hause bin ich mehr getaktet. Wenn ich nur drei Pferde dabei habe, fühle ich mich fast unterbeschäftigt.“

Ingrid Klimke ist nicht nur Reiterin, sie ist Reitmeisterin. In Münster sind es derzeit zwölf Pferde, die trainiert, gepflegt, zur Wiese gebracht, gefüttert werden wollen. Dafür benötigt sie personelle Hilfe. „Ich möchte nicht Pferde verkaufen müssen, um mir den Turniersport leisten zu können“, sagt sie. Andere finanzieren sich durch Pferdehandel, Klimke setzt auf Sponsoren und Mitbesitzer und fährt gut damit. Ihre Jacke sieht aus wie die eines Formel-1-Piloten, so übersäht ist sie mit Aufnähern.

Immer im Sattel: Klimke nutzt ein Mountainbike für schnelle Wege
Immer im Sattel: Klimke nutzt ein Mountainbike für schnelle Wege
Quelle: Archiv Klimke

„Ich habe Partner, die zu mir halten und die Idee mittragen, das, was übrig bleibt, wieder in neue Pferde zu stecken. Wir teilen uns ein Pferd und damit auch die Freuden und Sorgen. Wir teilen uns die Kosten, genauso wie die Gewinne. Die Pferdebesitzer sind meist begeistert dabei.“ Bobby ist eine Ausnahme, er gehört Klimke allein. Damit ist er derzeit der beste Freund, den Klimke hat.

Um 18.30 Uhr darf sie mit Franziskus ins Dressurstadion. Das ist wichtig, damit er die Atmosphäre für den nächsten Tag kennenlernt. „In der Dressur sieht alles so einfach aus, so spielerisch. Als würden wir miteinander tanzen“, sagt Klimke. „Je erfahrener Reiter und Pferd sind, desto harmonischer wirken sie als Paar.“

Wer Klimke zuhört, der verliebt sich ins Reiten

Als die Sonne langsam untergeht, kommt Franziskus zu den anderen in den Stall. Im Horsetruck herrscht Hochbetrieb, alle Frauen machen sich schick für den Abend. Jetzt wird getanzt. Das hat Tradition in Aachen, viele Prominente aus Politik, Show und der Reitszene sind gekommen.

Ingrid Klimke trägt Silber (Hose, Top). Wie nach Olympia in Rio. Darüber eine lange Jacke, die wie ein Gewand aussieht. Passend für die Königin des Reitsports. „Ich finde, das kann man wirklich von ihr behaupten“, sagt Nicole Uphoff, die große Dame des Dressurreitens (viermal Olympia-Gold). Und Nachwuchs-Star Jessica von Bredow-Werndl findet: „Ingrid Klimke ist schon was Besonderes. Niemand nimmt die Leute beim Reiten so mit wie sie.“

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Wer Klimke zuhört, der verliebt sich ins Reiten, ohne selbst jemals auf einem Pferd gesessen zu haben. „In der Dressur“, sagt sie, „ist es die Perfektion und Konzentration. Im Gelände“, und jetzt lächelt sie, „braucht man viel Adrenalin, viel Mut und Herz. Man weiß genau, welches Hindernis wo steht. Man hat Orientierungspunkte: An dem Baum oder an der Flagge muss mein Tempo wieder verkürzt sein. Als Reiter hat man diese Punkte im Kopf. Würde mich nachts jemand wecken und nach dem Vorbereitungspunkt zu Sprung drei fragen, dann könnte ich sofort sagen: Der dritte Baum von rechts.“

Für Ingrid Klimke ist Mut kein Abfallprodukt ihrer Angst. Für sie bedeutet Mut vor allem Vertrauen. Die Sprache des Herzens, die es schafft, für einen Moment das Denken auszuschalten. Denn ihr Bobby wird für sie über Hindernisse springen, ohne zu wissen, wie tief es dahinter hinunter geht. Ein solches Pferd würde alles für seinen Reiter geben.

Vorausgesetzt, es liefert sich bergauf nicht gerade ein Wettrennen mit einem zu nahe kommenden Kontrahenten...

Deutsche Springreiter verpassen Sieg nach Aufholjagd

Die Siegesserie der deutschen Springreiter beim Nationenpreis des CHIO in Aachen ist gerissen. Doch dank einer furiosen Aufholjagd jubelt das Gastgeber-Team am Ende doch.

Quelle: CHIO Aachen/Welt

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