Politik

Corona-Talk bei Anne Will Kommt nach dem Lockdown die Maskenpflicht?

Anne Will, diesmal unter anderem mit Olaf Scholz (2.v.l.) und Alexander Kekulé (r.).

Anne Will, diesmal unter anderem mit Olaf Scholz (2.v.l.) und Alexander Kekulé (r.).

(Foto: NDR/Wolfgang Borrs)

Seit drei Wochen sind Schulen und Kitas geschlossen. Seit zwei Wochen gilt die Ausgangssperre. Reichen die bisherigen Maßnahmen zur Eindämmung des Virus aus und wie sieht die Zukunft nach dem Lockdown aus? Ist eine Maskenpflicht die Lösung oder das Problem?

Während vermutlich alle Menschen in Deutschland auf ein baldiges Ende des derzeitigen Kontaktverbots hoffen, werden in einigen Teilen des Landes die Maßnahmen sogar noch weiter verschärft. Ab Montag tritt etwa in Jena eine Maskenpflicht in Kraft. Ob die Maßnahmen im Kampf gegen das Coronavirus in Deutschland nach dem 19. April gelockert werden können, oder ob man sie sogar landesweit verschärfen wird, kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht gesagt werden. Über diese Ungewissheit sind sich die Gäste bei "Anne Will" am Sonntag ebenso einig, wie jene in der vergangenen Woche.

Wird der Lockdown Mitte April die erhofften Erfolge erzielt haben, werden die getroffenen Maßnahmen womöglich gelockert werden. Zeigen die bisher getroffenen Vorkehrungen am Ende der jetzigen Phase nicht die von Experten erhofften Erfolge, kann es zu noch schärferen Maßnahmen kommen.

Alexander Kekulé, Virologe und Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, hofft nicht, dass eine Verlängerung des Lockdowns notwendig sein wird und ist zuversichtlich: "Einfach den Lockdown verlängern ist nicht sinnvoll, weil es eine einmalige Maßnahme war, die einen sofortigen Effekt gezeigt hat, den wir jetzt erst sehen." Kekulé betont, dass es nun an der Zeit ist, näher zu betrachten, wie die Zeit nach dem Lockdown aussehen könnte. "Die Risikogruppen müssen radikal in Sicherheit gebracht werden."

Der Virologe spricht sich außerdem stark für eine Maskenpflicht aus: "Ich kann den Widerstand des Gesundheitsministeriums und des Robert-Koch-Instituts überhaupt nicht mehr nachvollziehen, durch diese Maßnahmen glaube ich, können wir überhaupt erst aus dem Lockdown raus." Kekulé geht sogar noch einen Schritt weiter und formuliert einen klaren Vorwurf: "Man bekommt den Eindruck, ehrlich gesagt, dass die Politik nicht wagt zu sagen: 'Ihr sollt die anziehen' - weil dann die Gegenfrage kommt, weshalb die Masken nicht in der Apotheke frei erhältlich sind."

"Wir brauchen jetzt unglaublich viele Masken"

Bundesfinanzminister und Vizekanzler Olaf Scholz hält dagegen: "Die Frage, ob wir das als Gesetzgeber vorschreiben sollen, da ist die Diskussion bisher, dass eine solche Maßnahme für Deutschland gegenwärtig nicht richtig ist. (…) Wir brauchen jetzt unglaublich viele Masken (…) für den medizinischen Betrieb, für das Pflegepersonal." Womit man dann auch in dieser Diskussionsrunde wieder beim Thema Ressourcenknappheit angekommen ist. Doch Kekulé glaubt, dass sich ein Hauptanspruch des medizinischen Betriebes auf die professionell gefertigten Masken nicht ausschließen muss mit einer Empfehlung an das Volk, auf selbstgebastelte Masken zurückzugreifen.

Jens Südekum, Professor für Internationale Volkswirtschaftslehre an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf knüpft an: "Man muss trennen zwischen diesen zwei Arten von Masken." Medizinische Masken seien dort, wo sie gerade am dringendsten gebraucht würden, schlecht verfügbar. "Es wäre ganz schlecht ein Signal raus zu senden, dass jeder im Alltag die Masken tragen soll. Weil dann glaube ich, werden wir wieder so Phänomene sehen wie beim Toilettenpapier, dass Leute hamstern und Masken zuhause bunkern, die sie überhaupt nicht brauchen." Es müsse also klar kommuniziert werden, "dass diese medizinisch wertvollen Masken überhaupt nicht auf den freien Markt kommen."

Ressourcenmangel - eine Folge der Globalisierung

Martina Wenker, Präsidentin der Ärztekammer Niedersachsen, sieht die begrenzten Kapazitäten nicht nur hinsichtlich des Maskenmangels als ein großes Problem: "Seit sieben Wochen fordern wir nun Schutzausrüstungen. (…) Wir müssen jetzt die Teststrategie anpassen." Der unbestätigte aber durchaus berechtigte Verdacht, dass viele Ärzte und Pflegepersonal unwissentlich infiziert arbeiten, ist einem Testmangel anzulasten. Derzeit sei es nicht möglich, bei medizinischem Fachpersonal regelmäßige Vorsorgetests im Abstand weniger Tage durchzuführen.

Christel Bienstein, Präsidentin des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe, sieht es ebenso kritisch wie Wenker: "Ich habe auch Sorge, weil wir schon mehr als 2000 Pflegende haben, die sich bereits infiziert haben. Wir müssen vor allem auch an die ambulanten Pflegedienste denken." Der Mangel an Schutzkleidung sei "ein großes Drama".

Doch obwohl Krankenhäuser bereits dazu aufrufen, Regenmäntel oder anderen Materialien zum eigenständigen Herstellen von Schutzbekleidung zu spenden, betont der Vizekanzler: "Wir haben von Anfang an dafür gesorgt, (…) dass wir all das, was wir brauchen so schnell wie möglich, in möglichst großer Zahl zu Verfügung stellen." Man erlebe derzeit die Folgen der Globalisierung: "Jetzt haben wir natürlich, wo plötzlich weltweit eine unglaublich große Nachfrage entstanden ist, die Probleme, die damit verbunden sind." Die Bundesregierung setze nun auf einen bundesweiten kollektiven Einkauf für medizinische Einrichtungen. Darüber hinaus möchte der Bund laut Scholz künftig mehr Produktionen für medizinische Schutzausrüstungen und pharmazeutische Mittel in Deutschland ansiedeln, um für die Zukunft Sicherheit und Unabhängigkeit in Zeiten der Krise zu gewinnen.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen