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"Das Virus wird bleiben" Streeck zweifelt an Corona-Impfstoff

Hendrik Streeck rechnet nicht unbedingt mit einem Impfstoff gegen das Coronavirus, gibt aber die Suche danach nicht auf.

Hendrik Streeck rechnet nicht unbedingt mit einem Impfstoff gegen das Coronavirus, gibt aber die Suche danach nicht auf.

(Foto: picture alliance/dpa)

Virologe Streeck glaubt, man solle sich besser darauf vorbereiten, dass kein Impfstoff gegen das Coronavirus gefunden wird. Als Konsequenz schlägt er ähnliche Maßnahmen vor wie sein Kollege Drosten.

Der Bonner Virologe Hendrik Streeck bezweifelt, dass es gelingen wird, einen wirksamen Impfstoff gegen das Coronavirus zu entwickeln. Er schließt dies nicht aus, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) aber: "Jede Vorhersage für einen Impfstoff ist nicht seriös. Es gibt bislang gegen kein Coronavirus einen Impfstoff. Gegen HIV wurden schon über 500 Impfstoffe konstruiert, wenige auf Effektivität getestet, aber keiner hat funktioniert. Das Virus ist da und wird bleiben. Und wir müssen uns darauf einstellen, damit umzugehen."

"Wissen zu wenig über das Immunsystem"

Streeck ist ein Experte für das HI-Virus, er weiß also sehr gut, worüber er spricht. Aber er denkt deswegen nicht daran, die Suche nach einem Impfstoff aufzugeben. Um ihn doch zu ermöglichen, versucht er anhand seiner Heinsberg-Studie mehr über eine Immunität gegen das Virus herauszufinden. "Wenn wir die Immunität verstanden haben, können wir auch sehr viel besser einen Impfstoff generieren. Wir wissen viel zu wenig über das Immunsystem", sagt er.

Aber selbst wenn es einen Impfstoff geben sollte, wird dieser kaum vor 2021 zur Verfügung stehen. Man müsse sich also in den nächsten Monaten fragen, welche Maßnahmen sinnvoll seien und welche nicht, so Streeck. Es sei interessant, dass es trotz der Lockerungen bisher keinen Anstieg der Infektionen in Deutschland gäbe und die Zahl der akut Erkrankten schon unter 10.000 gefallen sei. "Deshalb gehe ich davon aus, dass wir uns sehr viel mehr auf diese Großevents fokussieren müssen", schließt er daraus. "Die zu unterbinden, scheint am ehesten was gebracht zu haben."

Auch Drosten will Großevents verhindern

Im Prinzip ist er damit auf einer Wellenlänge mit seinem Berliner Kollegen Christian Drosten. Dieser geht nämlich durch seine jüngsten Erkenntnisse davon aus, dass man die Pandemie unter Kontrolle halten kann, wenn man sogenannte Superspreading-Events verhindert. Dabei handelt es sich um Ausbrüche, die auf einzelne Personen zurückzuführen seien, die nicht nur einen, sondern vielleicht sogar Dutzende andere Menschen anstecken können. Die meisten anderen Infizierten gäben das Virus normalerweise nur an eine Person oder überhaupt nicht weiter.

Daher sieht auch Drosten vor allem in Großevents eine große Gefahr für ein neues Aufflammen der Pandemie. Es gelte bei einem positiv Getesteten herauszufinden, ob er möglicherweise an so einem Ereignis teilgenommen hat. Wenn ja, müssten umgehend alle anderen Beteiligten unter Quarantäne gestellt werden, ohne deren Testergebnisse abzuwarten. Wenn man so konsequent handle, könne man auch eine tödliche zweite oder dritte Welle verhindern.

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Auch hier stimmen die Virologen überein. "Ich vermute, dass wir immer mal wieder lokale Ausbrüche wie zuletzt in Leer oder Frankfurt haben", sagte Streeck dem RND. "Das wird vielleicht im Herbst auch vermehrt und überraschend geschehen - aber ich glaube nicht, dass wir eine zweite Welle sehen werden, die uns regelrecht überschwemmt und überfordert."

"Team Wissenschaft" hält zusammen

Echte Differenzen mit Drosten sieht er ohnehin nicht. Die Kritik von Statistikern an der Vorab-Studie seines Kollegen findet er berechtigt, weil ein wissenschaftlicher Dialog im Peer-Review-Verfahren selbstverständlich sei. Er findet lediglich den Zeitpunkt der Veröffentlichung unglücklich. "Das war im Zusammenhang mit der Entscheidung zur Wiedereröffnung der Schulen - mit einer Empfehlung im Manuskript. Und da sei einem nicht klar gewesen, in welche politische und mediale Gemengelage man sich da begebe." Aber: "Am Ende jedenfalls spielen die fünf Statistiker, Kollege Drosten und ich in einem Team, nämlich im Team Wissenschaft. Am Ende des Tages sind wir ein Stand, und wir werden auch am Ende zusammenstehen."

Quelle: ntv.de, kwe

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