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Die Kolumne über Schubladen-Denken

Ein bisschen Stallgassen-Psychologie

Was verraten die Dinge, die vor den Pferdeboxen hängen, über den Besitzer des Pferdes, das hinter dieser Tür lebt? Eine Menge! Wie viele Ihrer Stall-Kollegen erkennen Sie wieder? Oder vielleicht sogar sich selbst?

So aufegräumt ist die Stallgasse eines Pensionsstalls nur selten. Meist geben die Pferdebesitzer hier tiefe Einblicke in ihre Persönlichkeit.

Wir wollen nicht in Schubladen denken. Wir wollen nicht vom Automodell auf vermeintliche Charaktereigenschaften der Person schließen, die hinter dem Steuer sitzt. Und auch im Reitstall sind die Klischees vom typischen Spring- oder Dressurreiter längst überholt. Es wäre ja auch ziemlich einfach, jemanden nur danach beurteilen zu wollen, welche Disziplin er reitet oder welches Auto er fährt. Nein, wenn wir wirklich etwas über den Charakter eines Menschen erfahren wollen, müssen wir woanders suchen. Beim Autofahrer etwa auf der Rückbank oder im Fußraum seines Beifahrersitzes. Und beim Reiter vor der Boxentür seines Pferdes.

Denn was sich auf diesen wenigen Metern abspielt, erlaubt tiefe Einblicke in die Psyche des Menschen, dessen Pferd hinter dieser Tür wohnt. Glauben Sie nicht? Hier kommt eine Stallgassen-psychologische Einschätzung unterschiedlicher Reitertypen, beurteilt danach, was vor den Boxen ihrer Pferde hängt:

Der Decken-Liebhaber: Es gibt kein falsches Wetter, es gibt nur falsche Kleidung – oder falsche Decken! Dieser Reiter-Typ ist auf Witterung und Niederschläge jeder Art vorbereitet und stellt seine Deckensammlung eindrucksvoll zur Schau: eine für kalt, eine für sehr kalt, eine für nass und kalt, das ganze nochmal in Reit-, Führmaschinen- sowie Sommerausführung und natürlich ein ansehnliches Repertoire an Abschwitzdecken, passend zu jedem Outfit. Alle über die Kette vor der Box gequetscht. Auf Anhieb die richtige herauszuziehen, ohne dass alle anderen auf den Boden fallen, verdient Anerkennung. Charaktereigenschaften: sehr fürsorglich und zuverlässig, immer da, wenn‘s drauf ankommt – einer muss die Decken ja ständig wechseln.

Der Putzteufel: Kennen Sie diese kleinen Putzkästen mit Haken dran, die man am Boxengitter aufhängen kann? Ja? Dann kennen Sie auch den Typ Reiter, der sich so ein Ding vor die Box hängt. Befüllt mit allerhand Fläschchen, Bürsten, Schwämmen und gern auch mit Leckerlis – was das Pferd beim Putzen dazu verleitet, ständig an diesem Kasten herumzuspielen, bis er früher oder später auf den Boden scheppert. Charaktereigenschaften: ordnungsliebend, ein Ruhepol, gesegnet mit einer Engelsgeduld – Respekt, wem nach dem dritten Mal aufhängen und einsortieren noch nicht die Hutschnur geplatzt ist!

Die Minimalisten: Halfter und Strick, das war‘s. Maximal eine nassgeschwitzte Schabracke vom Vortag. Ansonsten ist die Kette vor der Box leer. Charaktereigenschaften: spontan, schließlich entfällt die Entscheidung, wie das Pferd eingekleidet wird, aufgrund fehlender Auswahl.

Die Gamaschen-Sammler: Ähnlich wie die Decken-Liebhaber zelebrieren sie ihren Besitz, in Form einer ansehnlichen Gamaschen-Sammlung vor ihrer Box. Gern auch an den Gitterstäben befestigt, sollte der Platz mal nicht ausreichen. Natürlich hängen sie dort nur zum Trocknen. Dem Betrachter präsentiert sich eine schier unendliche Farb- und Formvielfalt in den Modellen Hartschale, Fesselkopf, Lammfell-Leder-Kombi und High-Tech-Beinschutz. Charaktereigenschaften: modebewusst, handelt überlegt und vorausschauend – schließlich muss der Beinschutz immer zu Art und Umfang des Trainings sowie zu den jeweiligen Bodenverhältnissen passen – und nicht zu vergessen auch zum Outfit!

Vor der Box meines Pferdes hängen übrigens meist nur Halfter, Strick und Hufauskratzer. Und das ist nicht so, weil ich besonders spontan bin. Es liegt vielmehr daran, dass ich sie im Chaos in meinem Sattelschrank sonst nicht finde. Problemverdrängung, könnte der Hobby-Psychologe in mir nun mutmaßen ... Aber zum Glück denken wir nicht in Schubladen.