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Advents-Springturnier des Reitvereins Paderborn wird ein „Geisterturnier“

Topsport vor leerer Tribüne

Paderborn.

Die meisten Reitturniere in der Halle mussten wegen Corona abgesagt werden. Doch der Reitverein Paderborn hat sich nach reiflicher Überlegung entschieden, sein Advents-Springturnier an diesem Wochenende unter strengen Auflagen als „Geisterturnier“ durchzuführen.

wn

Dirk Klaproth hat in der Füllersheide schon gewonnen und freut sich auf das Adventsturnier – auch wenn es ein Geisterturnier sein muss.
Dirk Klaproth hat in der Füllersheide schon gewonnen und freut sich auf das Adventsturnier – auch wenn es ein Geisterturnier sein muss. Foto: Imago

Die Corona-Pandemie hat alle Bereiche des Lebens stark beeinträchtigt – auch den Reitsport. Das ganze Jahr war geprägt von Turnierabsagen. Besonders die Hallensaison ist betroffen. Doch viele Reiter verdienen ihren Lebensunterhalt mit der Ausbildung und Turniervorstellung von Pferden. Da sie aktuell mit ihrem zweiten Standbein, dem Reitunterricht, kein Geld verdienen können, ist die seltene Chance, auf einem Turnier vorstellig werden zu können, umso bedeutsamer.

„Wir kennen durch unsere Veranstaltungen sehr viele Reiter, deren Existenz an der Möglichkeit des Turnierreitens hängt. Ihre Situation ist gerade extrem schwierig“, sagt der Vereinsvorsitzende Dirk Jürgensmeier und ergänzt: „In der Coronaschutzverordnung des Landes NRW sind Turniere für Berufsreiter ausdrücklich erlaubt, und so haben wir uns entschieden, das Turnier am 5. und 6. Dezember durchzuziehen – nur leider etwas anders als sonst.“

Die größte Veränderung wird auf den ersten Blick zu erkennen sein: die leere Tribüne. Auch die beliebte Nikolounge wird es nicht geben. Als kleinen Trost bietet die Internetplattform www.rimondo.com einen kostenlosen Livestream an.

Die Reiter sind dankbar für die Startmöglichkeit, denn sie bekommen nur Berittgeld, wenn sie die ihnen anvertrauten Vierbeiner auch auf Reitturnieren präsentieren. „Ein ganzes Jahr ohne Wettbewerb kann man sich in der Ausbildung junger Pferde kaum leisten. Auch die weiter ausgebildeten Pferde benötigen Turnierroutine, um ihr Niveau halten zu können. Wenn wir keine Startmöglichkeiten hätten, sähe es für unsere gesamte Berufssparte die nächsten Jahre düster aus – nicht nur akut, sondern auch perspektivisch für die nächsten Jahre“, erklärt Dirk Klaproth, in der Füllersheide ebenfalls schon Sieger des Großen Preises.

Dank der guten Zusammenarbeit mit den örtlichen Behörden und dem sorgfältig erarbeiteten Hygiene- und Infektionsschutzkonzept konnte der Reitverein früh verkünden, dass die Veranstaltung stattfinden wird. Die großzügige, abermals weihnachtlich geschmückte Reitanlage in der Stadtheide bietet Platz genug, um alle Vorgaben einzuhalten, so dass die Infektionsgefahr vor Ort minimal ist.

„Reiter sind sehr diszipliniert, und da für sie viel von den wenigen stattfindenden Turnieren abhängt, sind wir uns sicher, dass alles gut läuft. Gegen das Gedränge in den Einkaufsmeilen am vergangenen Wochenende wird hier die Einhaltung der Abstandsregeln ein Kinderspiel sein – zumal die Reitanlage durch ihre Höhe und Größe fast wie eine Freiluftarena zu werten ist“, sagt Dirk Jürgensmeier.

Die beiden Turniertage vor leeren Rängen beginnen am Samstag um 9 Uhr traditionell mit den Springpferdeprüfungen. Um der Nachfrage nach Aufbauprüfungen nachzukommen, sind um 9 Uhr sowie um 11 Uhr zwei Springpferdeprüfung der Klasse A für die ganz jungen, noch unerfahrenen vier- und fünfjährigen Pferde angesetzt. Im Anschluss folgt um 13 Uhr eine Springpferdeprüfung der Klasse L. Ab 15 Uhr, in der Springpferdeprüfung Klasse M, sind etwas erfahrenere junge Springpferde am Start.

Da es im schweren Springsport irgendwann nicht mehr um den besten Stil, sondern um das schnelle und fehlerfreie Absolvieren eines Parcours geht, folgt zum Abschluss des Tages ein Youngster-M* für 6-8-jährige Pferde. Hier geht es rasanter zu, denn für eine gute Platzierung oder sogar den Sieg muss man sicher ganz schön „Gas geben“.

Der zweite Advent im Reitsportzentrum Paderborn beginnt um 9 Uhr mit einem Springen der Klasse M*, also Hindernissen von etwa 1,25 Metern Höhe. Wie alle anderen Prüfungen waren Startplätze in diesem Springen bei den Reitern heiß begehrt, so dass sie in zwei Abteilungen unterteilt werden musste.

Wegen der vielen Starter und den Bemühungen des Veranstalters, die Startzeiten so zu entzerren, dass jeweils möglichst wenige Menschen auf dem Gelände sind, geht es erst um 12 Uhr mit einem Springen der Klasse M mit zwei Sternen weiter.

Richtig schwer wird es um 15 Uhr mit dem traditionellen Hauptspringen, dem Großen Preis der Frau Renate Nixdorf. Dann stehen die Parcours-Designer Michael Neusesser und Eike Heise vor ihrer größten Aufgabe. Die Sprünge für das S-Springen mit einmaligem Stechen um den Sieg sind bis zu 1,40 Meter hoch. Jeder, der ohne Springfehler und in der erlaubten Zeit ins Ziel kommt, qualifiziert sich für das Stechen. Hocherfolgreiche Reiter wie die Seriensieger Markus Friedel und Henrik Griese werden alles geben, um zu gewinnen. Lokalmatador Matthias Berenbrinker möchte ebenfalls ein gewichtiges Wörtchen mitreden.

Das „Geisterturnier“ ist auch als Signal gedacht, dass der RV Paderborn in diesen schwierigen Zeiten nicht aufgibt und im Rahmen der Möglichkeiten seine Aktivitäten durchführen und ausbauen will. Dies Engagement ist nur dank der fleißigen, ehrenamtlich tätigen Vereinsmitglieder sowie treuer Unterstützer und Sponsoren möglich. So soll das Advents-Springturnier nicht nur eine tolle Veranstaltung für die Berufsreiter, sondern auch ein Hoffnungsschimmer für alle Reitfreunde werden, dass sie 2021 ihre sportlichen Aktivitäten und ihre Freizeit wieder miteinander verbringen können.

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