Berühmtes Gestüt in Postmünster
Der Flüsterer aus dem Rottal: Tobias Bachl und sein Leben für die Pferde

05.03.2021 | Stand 17.09.2023, 22:06 Uhr
Clara Meyer

Er braucht die Pferde, sie brauchen ihn: Tobias Bachl, hier mit Vingino. Der Schimmelhengst, als Turnierpferd international erfolgreich, gilt als wertvoller "Vererber", wie es in der Züchtersprache heißt. −Foto: H.B.

Züchter, Springreiter, Chef eines Familienbetriebs: Tobias Bachl lebt für seine Pferde – und von ihnen.

4. 8. 2013 – auf einer Gedenktafel ist das Datum der Nacht eingraviert, die das Ende einer jahrzehntelangen Familientradition hätte sein können: Kurz nach Mitternacht bricht ein verheerendes Feuer auf Gut Fasselsberg (Postmünster, Lkr. Rottal-Inn) aus. Ein Schaden in Millionenhöhe entsteht, 28 Pferde fallen den Flammen zum Opfer. "Das war das Grausamste", sagt Tobias Bachl (49). Der Gestütschef möchte jeden Tag an die verstorbenen Pferde erinnert werden. Als er den Hof wiedereröffnet, benennt Bachl die neuen Stallungen nach ihnen. Heute, bald acht Jahre nach dem Unglück, kann Bachl, der Unternehmer, Züchter und Springreiter, wieder Erfolge feiern.

Tobias Bachl ist auf Gut Fasselsberg groß geworden. Zur Jahrtausendwende übernimmt er den Hof, welcher bereits seit Generationen in den Händen der Familie Bachl ist. Mit dem Vater leitet er bis zu dessen Tod die Pferdezucht gemeinsam. Heute ist Ehefrau Elke Tobias Bachls größte Unterstützung. Auch Elke Bachl ist auf einem familiengeführten Pferdehof aufgewachsen, war bereits in jungen Jahren erfolgreiche Springreiterin. Auf der Hengststation ist sie verantwortlich für die organisatorischen Aufgaben, sie erledigt alle Hintergrundarbeiten der Zucht. Außerdem ist sie die Mentorin ihres Mannes. Elke und Tobias Bachl trainieren sich gegenseitig und fragen einander um Rat. Für einen Familienbetrieb sei es vor allem wichtig, "dass alle am selben Strang ziehen", sagt Elke Bachl. Die Bachls tun das.

Die Nacht, die die Existenz in Frage stellt

Es ist der familiäre Zusammenhalt, der Tobias Bachl auch in schweren Zeiten durchhalten lässt. 2013 waren schwere Zeiten. Über Nacht wird der Hof fast komplett zerstört. Bei aller Skepsis der Familie ist Aufgeben für Tobias Bachl keine Option. Er ist ein Optimist, den negative Dinge beschäftigen, ohne dass er dabei den Halt verliert. Es verstreichen einige Wochen, dann ist er der Erste, der sagt: "Es muss weiter gehen". Und wenn Tobias Bachl etwas anpackt, dann möchte er es noch besser machen, als es vorher war. Knapp eineinhalb Jahre nach dem Brand, im April 2015, findet die Wiedereröffnung der Hengststation an neuer Adresse statt. Gut Fasselsberg kann aufgrund der großen Zerstörung fortan nur noch die Zuchtstation und den Stutenstall beherbergen.



Der "brutale Schlag" hat Tobias Bachl einiges gelehrt: "Man muss immer froh sein, wenn es einem nicht so schlecht geht, dass man nicht mehr weitermachen kann", sagt er. Tobias Bachl hat das Unglück auch als Chance gesehen. So wie 2020, als die Auswirkungen der Corona-Pandemie erstmals seinen Betrieb treffen. Im März muss die jährliche Hengstshow abgesagt werden, es folgt ein sportlicher Lockdown von vier Monaten. "Zuhause rumsitzen und nichts tun bringt nichts", sagt Tobias Bachl. Also nutzt er die Zeit und intensiviert die Fohlen-Ausbildung. Und, mehr als sonst, kann er für die Familie da sein. Denn "als Reiter spielt sich das Leben selten zuhause ab, man ist immer unterwegs", stellt Bachl fest. So kann die Familie in diesen Monaten auch entschleunigen. Dennoch haben alle "nur so mit den Hufen gescharrt", wie Bachl sagt, und auf den Tag X gewartet, an dem es endlich wieder losgehen konnte.

Wenn Tobias Bachl unterwegs ist, auf einem Weltcup-, einem Grand-Prix Turnier oder auf einer Hengst- oder Fohlenshow, dann kümmert seine Frau sich um die gemeinsamen Kinder. Emma (13) und Carla (11) wachsen laut Tobias Bachl "im klassischen Mädchentraum" auf. Beide Töchter seien "begeistert und pferdeverrückt", sagt Elke Bachl. Werden sie also eines Tages selbst den elterlichen Hof übernehmen? Es sieht gut aus. Dennoch wollen die Eltern nichts erzwingen. "Natürlich ist es immer der Wunsch der Eltern, so eine Tradition aufrecht zu erhalten", stellt Elke Bachl fest, sagt zugleich: "Es ist aber auch wichtig für die Entwicklung, auch mal andere Dinge zu machen. Den Horizont zu erweitern." Fußball, Klettern, Ballett – all diese Sportarten haben die Mädchen schon ausprobiert. Doch bisher hat immer das Reiten gesiegt.

Hoffen auf die nächste Generation

Vielleicht ist es auch die Aussicht, dass die Familientradition eines Tages von seinen Töchtern weitergetragen werden könnte, die Tobias Bachl nie hat aufgeben lassen. Der tägliche Ansporn sind aber die Pferde. Wer ihnen verpflichtet ist, ist ihnen auch emotional verbunden. Und "wer so nah am Pferd ist, der ist auch nah am Tod", sagt Tobias Bachl. Nicht nur beim Brand, auch im Alltag als Pferdezüchter und Reiter muss er sich immer wieder von Pferden verabschieden. Man verliert Pferde durch Krankheiten oder bei Geburten. Aber: "Pferde geben einem durch ihr ganzes Wesen etwas zurück", sagt Bachl. Daraus könne er unglaublich viel Kraft schöpfen. Als er sich Ende vergangenen Jahres wegen einer Corona-Infektion in Quarantäne begeben muss, kann er sich kaum davor zurückhalten, heimlich in den Stall zu gehen. In der Zeit zuhause haben ihm die Pferde unheimlich gefehlt. Er braucht die Pferde, die Pferde brauchen ihn. Und den Reitsport will er sowieso "nicht missen", wie Bachl sagt.

Nach all den Verzichtserfahrungen der vergangenen Jahre wäre der Wunsch nach ungetrübter Perspektive nur allzu verständlich. Doch Tobias Bachl ist klar, dass auch 2021 "wieder Dinge wegfallen werden", wie er feststellt. Aber aufhalten lassen will er sich nicht, der Pferdeflüsterer aus dem Rottal. Tobias Bachl hat eine Vision. Eine "Vision, mit den Pferden etwas zu bewegen".

Das Porträt erschien bereits am Mittwoch, 3. März, im Sportteil Ihrer Heimatzeitung.