Training am Hang: Hocheffektiv, aber nur wohldosiert
„Das Training am Hang ist kürzer und intensiver als das klassische Rennbahntraining zur Konditionssteigerung“, sagt Vielseitigkeitsreiter und Leiter des Bundesleistungszentrums Reiten in Warendorf, Frank Ostholt. Früher sei er mit seinen Pferden Runde um Runde auf der Rennbahn galoppiert, „aber da kommen die Pferde immer mehr auf die Vorhand und brennen gar nicht“. Am Hang sei das anders, da sei das Pferd spritziger, der Effekt größer. „Hinterhand- und Rückenmuskulatur werden beim Hangtraining besonders gestärkt. Vor allem ist es jedoch ein gutes Ganzkörpertraining und schult Koordination und Balance des Pferdes“, ergänzt FEI-Tierarzt Marc Dahlkamp.
Piaffen am Berg
Auch Ingrid Klimke setzt auf das Training am Hang und zwar nicht nur für ihre Vielseitigkeitspferde. „Auch meine Youngster und meine Dressurpferde fahren etwa alle fünf Tage zum Hangtraining. Damon Hill hat damals auch das Piaffieren am Berg gelernt. Das passiert draußen einfach, weil sich die Pferde dort anders präsentieren“, beschreibt die Reitmeisterin einen zusätzlichen Nutzen.
Wichtig sei dabei aber, dass die Pferde stets kontrollierbar blieben. „Wir führen sie in der Gruppe an das Geländetraining heran, um die Risiken minimal zu halten“, so die Ausbilderin. Sie empfiehlt, die Anforderungen im hügeligen Geläuf nicht zu steil zu wählen. „Für das Training ist es perfekt, wenn man locker herunter traben oder galoppieren kann. Alles, was zu steil ist, belastet die Gelenke.“ Am besten ist es, das Tempo beim Bergabreiten der Steigung anzupassen. Die Kräfte, die auf die Vorderbeine wirken, potenzieren sich beim Bergabreiten. Deshalb darf das Tempo nie zu hoch gewählt werden.
Kurze Trainingseinheiten sind ideal
Um echte Trainingsreize zu setzen und sowohl einen Muskelzuwachs als auch eine Verbesserung der Kondition zu erzielen, ist regelmäßiges Training das Wichtigste. „Nur einmal im Monat eine Stunde lang am Hang zu reiten, macht keinen Sinn. Es schadet dem Pferd vielmehr“, so Klimke. Einmal pro Woche sei das Minimum. Besser seien zwei kurze Einheiten, denn gerade zu Trainingsbeginn ist weniger mehr. „Man darf die Intensität nicht unterschätzen, gerade wenn die Pferde sonst nur plattes Land gewöhnt sind. Ansonsten drohen Muskelkater, Bänder- und Sehnenreizungen“, meint Frank Ostholt.
„Anfangs reite ich mit meinen Pferden nur eine Runde im gemäßigten Galopp am Hang, um sie nicht zu überfordern“, gibt Ostholt Einblick in sein Training. Er fährt etwa alle fünf Tage zum Hangtraining. Und steigert im Laufe der Saison die Intensität auf zwei bis drei Hangrunden.
Die Intensität langsam steigern
Eine Wiese am Berg ist für ihn auch der ideale Ort für lösende Arbeit. Mit vielen Übergängen bekommt er seine Pferde dort besonders geschmeidig. Denn auch hier hat der Hang positive Effekte: „Um auf einem Zirkel am Hang korrekte Übergänge gehen zu können, müssen die Pferde in der Balance sein. Ihre Trittsicherheit wird geschult und sie lernen mehr Last aufzunehmen.“ Es werden also sowohl Losgelassenheit und Balance gefördert als auch der richtige Muskelaufbau, Gesundheit und Kondition. „Ohne dass man viel tun muss, entwickelt das Pferd die gewünschte Dehnungsbereitschaft und die Fähigkeit zur Versammlung“, sagt Ostholt. Dafür ist die richtige Verbindung zum Pferd entscheidend: „Gerade beim Bergabreiten darf das Pferd nicht zu sehr auf die Vorhand kommen. Vielmehr muss man das Pferd versammeln, von hinten unter den Schwerpunkt treten lassen und den Kopf schön oben halten, auch um einen Sturz zu verhindern.“
Sprich: Ein Pferd muss immer bergauf gehen, auch wenn es bergab geht. Zur langsamen Eingewöhnung an das Hangtraining sind Schrittrunden ideal. Nach und nach können mehr und mehr Trabphasen und schließlich auch ruhige Galoppstrecken eingebaut werden. Tierarzt Dr. Matthias Baumann rät: „Geben Sie sich und dem Pferd Zeit, sich an die neuen Trainingsreize zu gewöhnen. Sehnen, Muskulatur und Bänder brauchen zwei bis drei Monate, um sich umzustellen. Das ist für die Gesunderhaltung des Pferdes ganz wichtig.“ Frank Ostholt empfiehlt zudem, immer wieder in das Pferd hineinzuhorchen. „Ich trainiere kein Pferd nach Schema F. Tempo, Dauer und Intensität hängen von vielen Faktoren ab. Achten Sie auf die Atmung Ihres Pferdes, darauf, wie es schwitzt. Es darf anstrengend sein, muss aber fair bleiben.“
Der Artikel ist in der Juni-Ausgabe 2015 erstmals veröffentlicht worden.