Exklusiv-Interview
Wie Fußballer Thomas Müller aufs Pferd kam

Thomas Müller über seine Hengststation, die Freude an der Zucht und die Parallelen von Profifußball und Pferdeausbildung.

Thomas Müller und sein Kollege Wadenspanner
Foto: Zuchthof Wadenspanner

Was 2012 mit dem Anmieten eines Stalltraktes begann, ist mittlerweile ein veritables Zuchtund Sportunternehmen: Lisa und Thomas Müller, beide 31, haben auf Gut Wettlkam, gut 20 Kilometer südlich von München, mittlerweile 50 Pferde beheimatet: Zuchtstuten, Fohlen, Jährlinge und Reitpferde, die teilweise zum Verkauf stehen.

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Exklusives Interview
Warum Star-Fußballer Thomas Müller Pferdezüchter wurde
Thomas Müller spricht im CAVALLO-Interview über seine Hengststation, die Freude an der Zucht und die Parallelen von Profifußball und Pferdeausbildung.
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Der FC Bayern-Profi und die erfolgreiche Dressurreiterin bewirtschaften die gut 15 Hektar große Anlage zusammen mit einem achtköpfigen Team. Seit März dieses Jahres fungiert der Stall nun auch als Hengststation.

CAVALLO: Herr Müller, was fasziniert Sie, den Star-Fußballer, an Pferden?

Thomas Müller: Für mich ist das ein prima Ausgleich zum Fußball. Schuld daran ist meine Frau – sie hat mich mit dem Pferde-Virus infiziert. Das Pferd an sich ist ja ein majestätisches Tier. Manche Pferde sind vielleicht charakterlich fragwürdig und nicht die schönsten, wie bei uns Menschen auch… (lacht). Auf die Masse gesehen sind Pferde aber sehr freundliche Wesen, sie sind Partner und Wegbegleiter, sie strahlen Ruhe aus – und gleichzeitig Kraft und Eleganz.

Hinzu kommt: Es gibt da ja auch Parallelen zu meiner Welt des Wettkampfes. Ein junges Pferd auf dem Weg nach oben zu begleiten, ist vergleichbar dem Weg eines jungen Fußballers an die Spitze: Beide muss man beobachten und einschätzen lernen: Reicht das Potenzial? Wo sind die Baustellen, wo kann man scheitern? Das gefällt mir, vor allem im Dressursport. Da ist dieser Reiz, einer bestimmten Perfektion hinterherzujagen. Und ich finde es sehr spannend auf Turnieren dabei zu sein, vor allem wenn die eigenen Pferde am Start sind – das ist ein schönes Gefühl. Und dabei immer auch die Frage: Kann Lisa in der Prüfung abrufen, was sie zu Hause schon gezeigt hat?

Perfektion streben Sie inzwischen ja auch als Züchter an, ihr Geschäftspartner und Freund Walter Wadenspanner ist voll des Lobes für Sie…

Das freut mich! Es stellte sich mir irgendwann die Frage: Wie kann ich mich bei den Pferden, der Leidenschaft von Lisa, sinnvoll einbringen. Regelmäßig reiten ist zu riskant, weil ich nicht Gefahr laufen wollte, dass ich mal runterfalle und mich verletze. Das kann ich mir als Profi-Fußballer nicht leisten. Aber ich wollte tiefer in die Materie einsteigen. So kam ich dann auf die Idee zu züchten. Und Fohlen haben natürlich ihren Charme, sie sind wie kleine Hunde oder Kinder… Sie aufwachsen zu sehen, berührt einen sehr.

Sie haben sich im Lauf der Jahre einiges an Fachwissen erworben…

Das sind natürlich Lernprozesse. Aber wenn man so etwas Aufwendiges wie die Pferdezucht betreibt, soll es ja auch Hand und Fuß haben! Auf Turnieren habe ich in den letzten Jahren also immer genau zugehört, wenn sich sich die Fachleute unterhielten; und beim Unterricht meiner Frau habe ich genau aufgepasst: Ich wollte eben immer alles verstehen!

Man muss sich beim Züchten schon klar sein: Mit welchem Ziel gehe ich ran, worauf lege ich am meisten Wert, was will ich verbessern – und da gibt es natürlich ganz unterschiedliche Ansätze und keiner ist davon der bessere. Und man muss langfristig denken!

Das heißt?

Wir sind ja sehr Grand-Prix-Sport geprägt. Aber der geht erst zehn Jahre nach Geburt des Fohlens richtig los und bis dahin will man in den Jungpferdeprüfungen auch gerne erfolgreich dabei sein. Man jagt dabei ja der berühmten "eierlegenden Wollmilchsau" hinterher… (lacht). Ich denke, es ist dabei immer von Vorteil seinen eigens definierten Zuchtzielen treu zu bleiben.

Fühlen Sie sich in der Züchter-Szene mittlerweile ernstgenommen?

Ich kann mir schon vorstellen, dass da anfangs getuschelt wurde. Aber ich bin in der Szene jetzt nicht so integriert und mit meinen Fohlen ständig auf Fohlenschauen unterwegs, schon weil ich meine Fohlen mindestens bis drei-, vierjährig halte. Mir gegenüber hat sich zumindest noch nie jemand irgendwie abfällig geäußert. Was hinter vorgehaltener Hand getuschelt wird, weiß ich ja nicht… Aber wir sind da ganz entspannt und haben eher das Gefühl, dass die Szene auch froh ist, wenn mal ein frischer Wind weht. Konkurrenz belebt bekanntlich das Geschäft.

Wann fangen Sie an Ihre Pferde in Beritt zu geben?

Anfang dreijährig kommt erstmals der Sattel drauf. Dann werden sie bis Mai bei Walter Wadenspanner gearbeitet und dann kommen sie noch mal bis Oktober auf die Weide und werden dann Anfang vierjährig weiter ausgebildet. Und in dieser Zeit sieht man schon, wer verkauft wird und welches Pferd bei uns bleibt, weil wir da eventuell gute Perspektiven für den großen Sport sehen.

Meine Frau schaut bei den Jungpferden ja immer auch auf die Optik, aber Rittigkeit und ein starkes Hinterbein haben bei uns immer oberste Priorität.

Lassen Sie an Ihren Hengsten und Stuten eigentlich Gentests durchführen?

Ich habe meine Stuten auf WFFS, also die Bindegewebsschwäche Warmblood Fragile Foal Syndrom, kontrollieren lassen. Und wir haben bei D’avie aufgrund der Gerüchteküche seines Halbbruders Don Marttillo…

… der aufgrund einer wohl erblich bedingten Hypermetrie, also einer Bewegungsstörung der Hinterhand, im Frühjahr 2019 aus dem Zuchtprogramm genommen wurde…

…einen PSSM 1- und 2-Test gemacht. Da ist aber gottlob alles normal. Wir können also ausschließen, dass D’avie die Zucht negativ beeinflussen wird. Es werden in der Szene oftmals sehr schnell aus diffusen Halbwahrheiten Fakten gemacht und ganze Hengstlinien verteufelt. Darauf muss man als frischgebackener Hengsthalter vorbereitet sein.

Ihr neunjähriger Hengst D’avie steht seit letztem Sommer in Wettlkam. Der Dunkelfuchs gilt ja als Musterknabe…

Ja, das ist er! Wir haben uns im vergangenen Jahr nach einem Nachwuchspferd für den Grand Prix-Sport umgeschaut, weil es mit Lisa ja international weitergehen soll. Isabell Werth hat ihn dann mit uns ausgesucht. Er hat ja schon einiges vorzuweisen: 2018 und 2019 Weltmeister der jungen Dressurpferde… Aber ganz ehrlich: Eigentlich wollten wir anfangs gar keinen Hengst, weil die im Umgang ja nicht immer leicht sind… doch D’avie ist unglaublich umgänglich, dem merkt man sein Hengstsein kaum an. Er ist, wenn ich ehrlich bin, unser bravstes Pferd im Stall.

Er hatte als Junghengst leider kaum gedeckt, danach ein bisschen in Dänemark. Sein Ruf als Top-Zuchthengst hat darunter ein wenig gelitten – das wollen wir jetzt ändern. Seit März samt er bei uns ab, seine Samenqualität ist hervorragend. So einer muss der Zucht zur Verfügung stehen. Vielleicht gelingt es uns ja auch auf diese Weise gemeinsam mit den Wadenspanners ein bisschen Schwung in die süddeutsche Züchterszene zu bringen.

Apropos: Auf dem Zuchthof Wadenspanner stehen aktuell noch Ihr Westfalen-Hengst Four Roses und der Oldenburger Bowmore…

Nach dem Kauf von D’avie haben wir uns auf den Körungen in Oldenburg und Westfalen umgesehen, um den Züchtern auch ein paar Alternativen anbieten zu können. Und so haben wir dann Bowmore als 2. Reservesieger in der Online-Auktion ersteigern können. Bowmore ist ja ein Bordeaux-Nachkomme. Bordeaux selbst war KWPN Siegerhengst 2009 und danach bis Grand Prix im Sport erfolgreich. In der Zucht hat er aber vor allem durch seine Nachkommen auf sich aufmerksam gemacht. Beim Louisdor-Preis 2020 hat ja auch ein Bordeaux-Nachkomme, Bonheur de la vie, unter der Österreicherin Sandra Nuxoll, gewonnen. Er ist also ein Pferd, das Grand-Prix-Pferde macht – schon deshalb hat mir Bowmore sehr gut gefallen. Außerdem kommt Bowmore selbst aus einem super Mutterstamm. Seine Schwester Sephora S ist mittlerweile auch schon bis Grand Prix vorgestellt worden. Kurz: Er ist ein Hengst nach unserem Geschmack!

Und bei Four Roses war das auch eine Herzensgeschichte: Denn seinen neunjährigen Vollbruder, Fürst Donnerhall, haben wir bereits bei uns auf der Anlage. Lisa reitet ihn sehr gerne, er hat richtig gutes Potenzial. Er kommt ja auch aus einer wirklich besonderen Familie: Unter anderem wurde sein Halbbruder mütterlicherseits, Fynch Hatton, letztes Jahr Bundeschampion.

Seine Mutter Senorita Meyer hatte ich schon vor sechs, sieben Jahren auf dem Schirm, als ich auf der Suche nach Zuchtstuten bzw. Stutfohlen war. Da ahnte ich natürlich noch nicht, dass wir mal Reitpferde von ihr im Stall haben würden.

Beide Hengste, Bowmore und Four Roses, werden bei Walter Wadenspanner angeritten, da sind sie in besten Händen. Denn mit dreijährigen Hengsten haben wir keine Erfahrung.

Die Hengste im Überblick

D’Avie: 2014 Prämienhengst und Preisrekordler der Hannoveraner Körung in Verden. Er stellte bereits zwei gekörte Söhne, darunter der Prämienhengst der Hannoveraner Körung 2020, Democracy.

Sein Vater Don Juan de Hus, inzwischen verstorben, wurde 2013 unter Jessica Michel (FRA) Sechster bei der WM der jungen Dressurpferde. Inzwischen wurden in Deutschland zwölf seiner Söhne gekört, darunter der Westfälische Siegerhengst D’Egalité, der Neustädter Siegerhengst Don Royal und der Dressurpferde-Weltmeister und Reitpferde-Bundeschampion Don Martillo.

Die Mutter ST.PR.ST. Linda ist Vollschwester zu der bis Grand Prix erfolgreichen St.Pr.A. Lady Gagga und zu dem bis Intermédiaire II siegreichen Letterkenny. Über den Muttervater Londonderry kommt das Blut des Linienbegründers Lauries Crusador xx zum Tragen. Londonderry war Körsieger, Bundeschampion und wurde 2013 zum "Hannoveraner Hengst des Jahres" gekürt.

Bowmore: Prämienhengst und eine der Preisspitzen bei den Oldenburger Hengsttagen 2020 in Vechta.

Der Vater Bordeaux beherrschte das Championats- und Auktionsgeschehen mit Landes- und Bundeschampions sowie Spitzenpreisen bei der Oldenburger Eliteauktion. Aus den ersten Jahrgängen wurden bisher 23 Söhne gekört. Bordeaux überzeugte als Kör- und HLP-Sieger in den Niederlanden, platzierter Finalist im Pavo Cup Finale 2010 (vergleichbar dem Bundeschampionat), 2012 Vierter im Finale der WM bei den sechsjährigen Dressurpferden in Verden. Später war er siegreich im Grand Prix-Sport, u. a. auch hoch platziert im Louisdor-Preis in Frankfurt 2016.

Die Mutter Fantastic lieferte mit Sir Donnerhall II das internationale Dressurpferd Sephora S/Patrick van der Meer (NED). Die Urgroßmutter Batida brachte mit Frappant den gekörten Hengst Freestyle (USA). Aus dem hannoverschen Stutenstamm 1183/S. 312653661 stammen die international erfolgreichen Grand Prix-Pferde Andretti H, Deutscher Meister unter Hubertus Schmidt und später siegreich mit Laura Tomlinson (GBR) bzw. Margaux 2/Bianca Kasselmann.

Der Muttervater Fürst Piccolo war Prämienhengst der NRW-Hauptkörung 1999, gewann 2000 die HLP in Warendorf und wurde bis zur schweren Klasse gefördert. Fürst Piccolo zählt zu den bewährten Vererbern der NRW-Zucht und stellte mehrfach Preisspitzen bei der NRW-Eliteauktion und Endringstuten bei der rheinischen bzw. westfälischen Elitestutenschau.

Four Roses: Sein Vater Fürstenball war Körsieger, Bundeschampion, S-Dressur-Sieger. Kann auf 65 gekörte Söhne und mehrere Bundeschampions verweisen.

Die Mutter ST.PR.ST. Senorita Meyer brachte den Prämienhengst First Choice (v. Fidertanz), den Körsieger, Landes- und Bundeschampion Fynch Hatton (v. Formel Eins) und als Vollbrüder zu Four Roses den gekörten und unter Dorothee Schneider in Intermédiaire I-Prüfungen erfolgreichen Fürst Magic sowie den in S-Dressurprüfungen Gut Wettlkam’s Fürst Donnerhall/Lisa Müller, ferner Frida Gold (v. Franziskus), Final-Sechste beim Deutschen Fohlenchampionat in Lienen. Der Muttervater Sir Donnerhall I rangiert in der Spitzengruppe der weltbesten Dressurvererber laut WBFSH-Weltrangliste. Selbst 2. Reservesieger seiner Körung, Landeschampion, HLP-Rekordsieger, Vize-Dressurpferde-Weltmeister und Bundeschampion sowie Hauptprämiensieger, kann er auf bald 100 gekörte Söhne verweisen. Aus der Großmutter St.Pr.St. West Virginia stammt auch die bis Inter I erfolgreiche Santa Maria (v. Sir Donnerhall I). Die Urgroßmutter St.Pr.St. Bella Benedika lieferte mit Sonnenschein, Winwood und Wondrigo allein drei gekörte Hengste.

Der Zuchthof Wadenspanner im niederbayerischen Rottenburg-Pattendorf und Thomas Müller arbeiten seit gut acht Jahren zusammen. Die Wadenspanners helfen bei der Ausbildung der Jungpferde und übernehmen in Sachen Zucht viele administrative Aufgaben für Gut Wettlkam: "Eine fruchtbare Ergänzung", nennt Walter Wadenspanner die Kooperation. Und: "Der Thomas ist ja auch ein sympathischer Werbeträger, der inzwischen sehr viel Ahnung in Sachen Zucht hat. Mit ihm kann man prima über Blutlinien und Anpaarungen diskutieren."

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Erscheinungsdatum 23.04.2024