So machen Sie Ihr Pferd wieder sensibler
Reiten mit feinen Hilfen

Ob im Umgang oder auf die Reiterhilfen von Schenkel bis Zügel: So reagieren Pferde wieder sensibler auf unsere Signale und stumpfen nicht ab.

Pferde wieder sensibilisieren
Foto: Lisa Rädlein

Klopf, klopf – jemand da? Der Reiterschenkel fragt am Pferdebauch nach einer Reaktion – aber nichts passiert. Das Pferd läuft weiter wie zuvor. Der Reiter klopft weiter mit dem Schenkel wie gewohnt – oder er wird grob. Stop! Das geht auch anders. Selbst hinter dem scheinbaren Büffel, der jeden Schenkeldruck ignoriert, steckt ein feinfühliges Wesen. Kein Pferd möchte dem Reiter das Leben absichtlich schwermachen. Schließlich kostet das Kraft. Und Pferde sind Komfortfanatiker. "Ist ein Pferd abgestumpft, stecken dahinter meistens Missverständnisse und Kommunikationsprobleme. Irgendetwas in der Beziehung zwischen Mensch und Pferd ist schief gelaufen", meint Parelli-Instruktor Berni Zambail.

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Fein gemacht! Ob im Umgang oder auf die Reiterhilfen von Schenkel bis Zügel: So reagieren Pferde wieder sensibler auf unsere Signale und stumpfen nicht ab.
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Pferde können als Fluchttiere blitzschnell auf feinste Signale reagieren. Und Reiter können mit beinahe unsichtbaren Hilfen mit Pferden kommunizieren: Sie haben nur an etwas wie Angaloppieren gedacht – und das Pferd hat’s gemacht. Was führt also dazu, dass Pferde abstumpfen? Und wie bleiben sie reaktionsfreudig? Wir beleuchten die Hintergründe und zeigen Übungen, mit denen Sie Ihr Pferd sensibilisieren – am Boden und beim Reiten. Der Weg zu einer guten Reaktion ist eine freundliche und klare Kommunikation – und die können Sie sich erarbeiten. Ihr Pferd öffnet Ihnen dann auf leises Anklopfen die Tür. Und Sie können bald zu sich und dem Pferd sagen: Fein gemacht!

Ist ja reizend: Was sensibilisieren heißt

Reiter verständigen sich mit Pferden über Signale und Hilfen. Sensibilisieren heißt, dass beim Pferd ein schwächerer Reiz für eine Reaktion ausreicht als zuvor, etwa ein leichterer Schenkeldruck. Oder das Pferd zeigt auf den gleichen Reiz eine stärkere Reaktion.

Das Gegenteil ist die Habituation, die Gewöhnung an Reize. Das klingt, als wäre diese kontraproduktiv fürs Sensibilisieren. Tatsächlich aber ist sie oft wichtig dafür: "Habituation reduziert Stress. Das Pferd soll auf Hilfen keine Reaktion aus Angst zeigen, sondern weil es diese versteht", sagt Verhaltenstrainerin Dr. Sandra Ruzicka. Nur angstfreie Pferde sind lernfähig und können mental und körperlich feine Hilfen durchlassen. Angenommen, ein Pferd rennt los, sobald der Schenkel es berührt – wie soll es da noch Hilfen unterscheiden? Zunächst muss es erfahren, dass der Schenkel okay ist.

Energieausgleich schaffen

Vergleichen Sie Input und Output, sprich: Wenn Sie 20 Prozent Energie ins Pferd schicken, kommt dann auch 20 Prozent Energie raus? Dann wäre alles im Fluss. "Oft denken Reiter, sie können das Energielevel nicht einschätzen. Aber wenn ich in Reitstunden danach frage, haben sie intuitiv das richtige Gefühl", sagt Sandra Ruzicka. Problematisch wird es, wenn der Reiter Schenkeldruck mit 80 Prozent Kraftaufwand gibt, das Pferd aber nur mit 30 Prozent reagiert. Dann bleibt Energie irgendwo im Pferd stecken. Das Pferd lässt die Energie nicht vollständig durch. Sie sammelt sich stattdessen an – und entlädt sich womöglich an anderer Stelle: beispielsweise bockt das Pferd scheinbar aus dem Nichts heraus.

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Lisa Rädlein
Augen zu und spüren! Wer mit der Aufmerksamkeit durch den eigenen Körper wandert, verbindet sich mit dem Pferd.

Wichtig: Um feine Hilfen geben zu können, muss der Mensch seinen eigenen Nullpunkt kennen, also seinen energetischen Grundzustand. Von da aus fahren Sie Ihre Energie hoch – und wenn das Pferd die gewünschte Reaktion zeigt – wieder runter. "Beginnen Sie immer mit dem feinstmöglichen Signal, denn nur so hat das Pferd auch eine Chance, auf dieses zu reagieren", rät Ruzicka.

Üben Sie verschiedene Energiestufen ein – etwa mit einem menschlichen Partner. Tun Sie so, als ob Sie ihn weichen lassen. Spielen Sie mit verschiedenen Signalintensitäten und benennen diese. Achten Sie danach bei Ihrem Pferd darauf, mit wie viel Energie Sie die Hilfen geben. Allein die Beobachtung verursacht oft schon Aha-Effekte.

Bodyscan und Lachen für eine bessere Verbindung zum Pferd

Es hat doch schon geklappt. Sie haben nur an Galopp gedacht – und das Pferd hat es gemacht. Warum jetzt nicht? "Oft sind wir beim Reiten zu analytisch unterwegs. Dann verlieren wir unser intuitives Bewegungsgefühl und damit eine feine Signalgebung", meint Sandra Ruzicka. Erste Hilfe dagegen: Lachen. Das entspannt und bringt uns in eine positive Grundstimmung. Um kreisende Gedanken abzustellen, führt die Trainerin ihre Reitschüler auch über Bodyscans hin zu einem intensiveren Körperbewusstsein. Sie lässt sie etwa die Sitzbeinhöcker spüren.

Fragen Sie sich: Wohin fließt mein Atem? Leiten Sie ihn in den unteren Rücken. Reiten Sie mit sanften Augen und weichem Blick. Malen Sie im Schritt mit der Nasenspitze eine liegende Acht (Unendlichkeitszeichen) in die Luft. Das lockert den Nacken. Probieren Sie nach den Körperübungen wieder die Lektion. Oft klappt sie dann besser, obwohl Sie sich weniger angestrengt haben. Aus einem guten Körpergefühl heraus können Sie feiner agieren.

Stumpf auf Zügelhilfen? Erklären Sie es am Boden

Haben Pferde gelernt, dass stetig am Zügel gezogen wird, programmiert Berni Zambail das zunächst vom Boden aus um. Er erklärt dem Pferd die Zügelhilfen schrittweise und übt das Nachgeben. Der Ausbilder hat das Pferd am Knotenhalfter und durchhängenden Führseil. Eine Hand liegt auf dem Widerrist, die andere hält das Seil etwa vor der Pferdeschulter und führt sie leicht vom Pferd weg. Dabei sind maximal 200 bis 300 Gramm Zug auf dem Strick.

Das ist die Frage ans Pferd: Kannst du deinen Hals in die Richtung biegen? Zeigt das Pferd eine Tendenz in die gewünschte Richtung, gibt Zambail sofort nach. Zeigt es nicht die gewünschte Reaktion, gibt er eine kurze Denkpause und stellt die Frage nochmals. Ebenso ruhig und ebenso fein wie zuvor. Irgendwann versteht das Pferd, was gewünscht ist. Dann übt Berni Zambail, die Frage mit der Hälfte des Aufwands zu stellen. Oft reicht dann nur das Gewicht vom Führstrick, um den Pferdehals zu biegen.

Klarheit und Konstanz heißt also: Der Reiter muss in der Lage sein, zwei Mal die gleiche Frage ans Pferd zu stellen. Nur dann kann das Pferd auch die gleiche Antwort geben. Und die Kommunikation verfeinert sich. "Bei den Vaqueros war es auf Turnieren üblich, ein Mähnenhaar zwischen Zügel und Gebiss zu binden. War es nach der Prüfung gerissen, war der Reiter disqualifiziert", erzählt der Parelli-Instruktor. Wer feine Reaktionen möchte, muss auch selbst fein agieren können.

Reiter müssen feine Hilfen anbieten, damit Pferde auch fein reagieren können

Stellen Sie sich vor, ein Kind wird dauernd von den Eltern angeschrien. Dann schaltet es irgendwann die Ohren auf Durchzug. Es hört nicht mehr hin. Pferden geht es mit Menschen auch oft so. "Pferde wollen nicht abgestumpft sein. Sie stumpfen oft ab, weil wir zu viel mit unseren Hilfen machen – wir schreien das Pferd quasi mit übertriebenen Schenkel- und Zügelhilfen an", sagt Parelli-Instruktor Berni Zambail.

Nutzen Reiter immer eine starke Hilfe, hat das Pferd gar keine Chance, auf feine Hilfen zu reagieren. Für eine feine Kommunikation ist eine klare und konstante Verständigung mit dem Pferd nötig. "Statt laut zu werden, erkläre ich dem Pferd ruhig und genau, was ich möchte und gebe ihm Feedback. So werde ich eine vertrauensvolle Leitfigur", meint der Horseman.

Zügelkämmen statt ziehen

Ihr Pferd zieht Sie beim Führen durch die Gegend? Oder es drückt beim Reiten gegen den Zügel? Dann wehrt es sich gegen zu viel Druck. Logisch, denn dieser ist unangenehm – vor allem im Genick. Anke Recktenwald hat dagegen ein einfaches Mittel: das Zügelkämmen. Sie gibt die Zügel in eine Hand und greift mit der anderen Hand nach vorn zum Mähnenkamm.

Dort greift sie mit der Hand beide Zügel: Den Daumen auf der einen Seite, den Zeigefinger in der Mitte, die anderen Finger auf der anderen Seite. Nun gleitet sie an den Zügeln zurück Richtung des eigenen Bauchnabels. Dann geht die andere Hand vor und kämmt die Zügel ebenso. So geht es in einer fließenden Bewegung weiter.

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Druck erzeugt Gegendruck: Gehen Pferde gegen den Zügel, wehren sie sich damit meistens gegen nicht angenehmen Druck.

Der Effekt: Beim Zügelkämmen besteht eine beständige, sanfte Verbindung zum Pferdemaul, ohne dass die Zügel den Kopf fixieren oder durchhängen. Das Pferd kann jederzeit seinen Kopf bewegen, um sich zu balancieren. "Ich biete dem Pferd keinen Widerstand, gegen den es gehen muss. Ich agiere so sanft wie bei meinen eigenen Haaren", erklärt die Feldenkrais-Lehrerin. Pferde merken schnell, dass sie niemand unangenehm festhält und reagieren feiner.

Eine weitere Idee: Reiten mit einem Tellington-Balancezügel, der in leichter Anlehnung am Pferdehals liegt. Der Reiter hält ihn zusätzlich zu den Zügeln in der Hand und wirkt durch ein paar direkt aufeinanderfolgende Hilfen ein. Das Nachgeben folgt dem Annehmen augenblicklich. Der Balancezügel hilft dem Pferd, sich in der Vorhand zu heben. Infos zum Reiten mit Balancezügel: www.cavallo.de/balancezuegel

Nichts geht mehr? Dann verändern Sie die Hilfengebung

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Ruhig bleiben, Schenkel! Klopfen mit dem Bein bringt keine Feinheit.

Bei dem Haflinger ging nichts! Der Wallach war grob ausgebildet worden und ließ nun wie ein Panzer alle Signale des Reiters an sich abprallen: Zügelhilfen, Schenkelhilfen, Gerte – das alles nutzte nichts. Pferdewirtschaftsmeisterin Anke Recktenwald sollte ihn Korrekturreiten. Aber wie beginnt man da? "Ich musste ihm ganz neue Hilfen beibringen, die er noch nicht kannte. Nur so hatte ich die Chance, dass er mitmacht, anstatt mit aller Kraft zu agieren", erzählt sie.

Als Hilfe zum Losgehen öffnete sie die Hüfte. Zum Verlangsamen schloss sie ihre Hüftgelenke. Der Wallach lernte die Signale schnell und reagierte auf die ungewohnten Hilfen. Nach und nach nahm die Trainerin dann die "alten" Hilfen wieder dazu – aber immer ganz fein. Sie öffnete also die Hüfte und nahm einen leichten Schenkeldruck dazu. "Der Haflinger liebte die leisen Signale und lernte, wieder fein mit dem Mensch zu kommunizieren", erzählt die Ausbilderin.

Rüpel im Umgang lernen, Abstand zu halten

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Na, gefällt dir das? Beim Putzen können Menschen bereits einen achtsamen und feinen Umgang mit dem Pferd einüben.

Wer einen Rüpel im Umgang hat, der die Jackentaschen mit der Nase durchsucht, nach den Fingern schnappt und den Menschen schubst oder anbufft – der sollte an den Umgangsformen feilen. Den Grundstein für mehr Sensibilität legt Anke Recktenwald schon beim Putzen: "Agieren Sie dabei freundlich und achtsam, so wie Sie es sich vom Pferd wünschen." Achten Sie darauf, mit welcher Bürste Sie es striegeln. Beobachten Sie die Reaktionen: Wo wird es gerne berührt – wo nicht? Wo zeigt das Pferdegesicht Genuss? Bei welcher Bürste und bei welchem Druck wird das Pferd zappelig? Respektieren Sie, was dem Pferd unangenehm ist – und lassen es sein.

Beim Führen bringen Sie Ihrem Pferd Abstand bei. Anke Recktenwald legt die Finger ans Halfter und nutzt den Unterarm als Abstandshalter. Das Pferd darf den Kopf ohne Einschränkung bewegen – nur nicht Richtung Mensch. Der Unterarm-Abstand bleibt stets bestehen. Lassen Sie die Finger anfangs am Halfter, damit Sie schnell reagieren können. Bewegt das Pferd den Kopf, gehen Sie die Bewegung mit. Ansonsten interagieren Sie wenig. Unerwünschtes Verhalten wird so nahezu unmöglich. Strafen unnötig.

Die Gerte als Hilfsmittel etablieren

Reagiert das Pferd nicht auf die Schenkelhilfen, kann die Gerte als Hilfsmittel dienen. Deren Bedeutung erklärt Sonja Weber Pferden zunächst vom Boden aus. Sie geht neben dem Pferd und führt es. Sie touchiert zum Antraben sanft dort, wo beim Reiten auch der Schenkel liegt und läuft mit dem Pferd los. Eine Stimmhilfe wirkt unterstützend. Sonja Weber touchiert nicht über Kniehöhe des Pferds – "denn das reizt die Muskeln und animiert das Pferd, die Kruppe hochzuschmeißen und zu bocken."

Trabt das Pferd zu schnell an, bremsen Sie es nicht, sondern loben. Es hat bereits fein reagiert und Sie können die Hilfen reduzieren. So lernt Pferd, dass die Gerte vorwärts bedeutet. "Ist das Pferd aufnahmefähig und in wacher Stimmung durch Wiederholung und Übergänge, reduziere ich die Hilfen auf ein Minimum", sagt Sonja Weber.

Balance verbessern an der Hand

Hängen Pferde sich auf die Hand des Führenden, sind sie deshalb nicht unbedingt unsensibel. "Dahinter stecken oft Balanceprobleme", sagt Sonja Weber. Die Ausbilderin startet in dem Fall mit einfachen Übungen an der Hand: Das Pferd soll losgehen, ohne seinen Rumpf direkt nach vorne über die Beine zu schieben. Dafür steht die Ausbilderin auf Schulterhöhe des Pferds. Sie fasst beide Zügel mit einer Hand am obersten Drittel.

Die Hände sind oberhalb des Mähnenkamms – nicht überm Widerrist, sondern über der Mitte des Halses. In der anderen Hand hält sie eine Gerte. Zum Losgehen gibt sie ein Stimmkommando und touchiert das Pferd mit der Gerte. Ihren Oberkörper lehnt die Ausbilderin leicht nach hinten, wenn das Pferd antritt. "Das motiviert das Pferd, auch seinen eigenen Rumpf zurückzunehmen und ihn zu heben, was das Gleichgewicht fördert", erklärt sie. Das Pferd lernt, sich selbst zu tragen.

Wie das Pferd in eine Vorwärts-Stimmung kommt

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Lisa Rädlein
Wünschen Sie sich flotteres Vorwärts? Dann variieren Sie Tempo und Gangarten.

Pferde schalten ab, wenn wir sie dauerhaft treiben oder zu lange am Stück in einer Gangart oder einem Tempo reiten. "Das ist fürs Pferd ermüdend – aber es gibt genug Möglichkeiten, es aufzuwecken", sagt Légèreté-Ausbilderin Sonja Weber. Stockt ein Pferd bereits im Schritt und ist triebig, lässt sie das Pferd lieber in den Trab wechseln oder direkt in den gestreckten Galopp. Das bringt das Pferd in Aktivität und Vorwärts-Stimmung.

Den Galopp behält die Ausbilderin aber nicht lange bei. Sie wechselt die Gangarten und baut Tempounterschiede ein, bis das Pferd fleißig ist. Das Pferd soll sich kurzfristig im Trab und Galopp strecken. Direkt im Schritt an der Bewegungsunlust zu arbeiten und mehr Raumgriff zu fordern, ist viel schwieriger. Denn da steckt das Pferd in seinem Muster. Über die Aktivität im Trab und Galopp wird das Pferd auch im Schritt fleißiger.

Warum überfallartige Hilfen nichts bringen

Auch, wenn Sie ein triebiges Pferd fleißiger bekommen wollen: Überfallen Sie es nicht mit plötzlichen Hilfen. Die erzeugen nur Abwehrspannung. Das Pferd soll nicht vor Schreck reagieren und sich verspannen. Bereiten Sie es lieber sorgfältig vor – etwa, indem Sie sich mit den Hilfen heranfühlen.

Warum bist du unsensibel?

Hat das Pferd ein Balanceproblem? Anke Recktenwald kommt häufig zu Korrekturpferden, die schon im Umgang schubsen, ziehen und drängeln. Oft ist das eine Reaktion des Pferds darauf, dass es vom Menschen aus dem Gleichgewicht gebracht wird. Das passiert, wenn der Mensch am Strick zieht ohne gleich nachzugeben. Das Pferd zieht dann dagegen – weil das die Balance stört.

Versteht das Pferd die Anweisung? Oft haben Pferde Hilfen nicht richtig mit dem gewünschten Verhalten verknüpft. Der Klassiker: Das Pferd geht auf Schenkeldruck nicht vorwärts. Eine mögliche Ursache ist eine unbewusste Reaktion des Reiters. Geht das Pferd anfangs auf Schenkeldruck flott los, ist das vielen Reitern zu schnell – und sie bremsen direkt wieder. Auf die gute Reaktion des Pferds folgt direkt ein entgegengesetztes Signal. Das Pferd lernt, dass Vorwärts wohl nicht die gewünschte Reaktion ist. Sie vermuten ein Verständnisproblem? Geben Sie, um beim Beispiel zu bleiben, ohne weitere Signale zwei bis drei sanfte Schenkelhilfen hintereinander. Geht das Pferd nicht los, versteht es nicht, dass das vorwärts bedeutet.

Ist das Pferd in der Lage die Aufgabe zu erfüllen? Checken Sie, ob Ihr Pferd körperlich und mental die Aufgaben erfüllen kann. Manchmal schränkt die Hilfengebung des Reiters das Pferd ein. Ist der Reiter beim Angaloppieren starr in der Hand und lässt den Galoppsprung nicht heraus, kann das Pferd zum Beispiel nicht prompt anspringen.

Sensibel sein hat Voraussetzungen:

  • Das Pferd muss mental aufnahmebereit sein. Pferde können nur in einer stress- und angstfreien Umgebung lernen und Gelerntes abspeichern.
  • Die Bedürfnisse nach Sozialkontakt, Bewegung, Futter, Wasser, Licht und Luft müssen erfüllt sein. Wer sein Pferd sensibilisieren möchte, sollte auch die Haltung im Blick haben und mögliche Verbesserungen einleiten.
  • Hat das Pferd Schmerzen? Lassen Sie das bei Verdacht vom Tierarzt, Physiotherapeut oder Osteopath checken.

Verschiedene Pferdetypen mit feinen Hilfen reiten

Pferdeverhaltenstrainerin Sandra Ruzicka gibt Tipps:

Unsicherer/introvertierter Typ: Ängstliche Pferde, die sich nicht bewegen, sondern zum Erstarren neigen und dann bei zu viel Druck explodieren.

Was ist wichtig? Vertrauen aufbauen als oberste Priorität. Das Pferd soll den Kopf einschalten, damit Lernfähigkeit entsteht. Dann erst kann sensibilisiert werden. Mit wenig Druck arbeiten und wenig Anforderungen stellen – das vermeidet Verunsicherung. Später das Pferd auch an höhere Energielevel gewöhnen. Viel Zeit, Ruhe, Routine und Wiederholungen sind wichtig fürs Lernen.

Sicherer/introvertierter Typ: Selbstbewusste Pferde, die sich nicht viel bewegen möchten. Durchlässigkeit ins Vorwärts fehlt.

Was ist wichtig? Hilfen langsam und konsequent von der feinstmöglichen Hilfe ausgehend bis über die Reizschwelle steigern. Anfangs ist oft ein starkes Signal nötig für eine Reaktion. Die Reizschwelle sinkt aber schnell. Bestimmt und freundlich agieren. Auch stärkere Hilfen emotionslos geben. Fragen ans Pferd immer zu Ende stellen: also bis eine Reaktion kommt. Raumanspruch klären ist bei diesem Typ wichtig.

Unsicherer/extrovertierter Typ: Überreaktive Pferde, nehmen Hilfen oft schon vorweg, handeln voreilig. Sind im Fluchtmodus.

Was ist wichtig? Flucht unterbrechen, aber keine unnötige Energie zufügen. Mensch muss schnell, aber ohne Hektik handeln. Dieser Pferdetyp benötigt zunächst Habituation. Angstsituationen nicht vermeiden, sondern durch Gewöhnungen den Mut fördern. Ist das Pferd dann entspannt und lernfähig, kann mit der Sensibilisierung begonnen werden.

Sicherer/extrovertierter Typ: Verspielte Pferde, die sich gern bewegen. Sie lernen schnell, langweilen sich aber auch schnell und entwickeln dann eigene Ideen.

Was ist wichtig? Freundlich und ohne Drill Disziplin aufbauen. Sensibilisierende Übungen zwischendurch spielerisch einbauen. Die Kunst bei diesen Pferdetypen: Die eigenen Ideen des Pferds nicht unterdrücken, sondern in geregelte Bahnen lenken. Viel Abwechslung bieten. Der Mensch muss selbst schnell sein in den Handlungen. Das verhindert, dass Langeweile aufkommt.

Die Experten

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privat
Dr. Sandra Ruzicka Verhaltenstrainerin und Dozentin am Institut für Verhalten und Kommunikation (IVK), EWU-Trainerin und Pferdephysiotherapeutin. www.aus-pferdesicht.com

Dr. Sandra Ruzicka Verhaltenstrainerin und Dozentin am Institut für Verhalten und Kommunikation (IVK), EWU-Trainerin und Pferdephysiotherapeutin. www.aus-pferdesicht.com

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Berni Zambail Parelli-6-Sterne-Master-Instructor. Unterrichtet Natural Horsemanship und bietet auch Emotionschoachings für Reiter an. www.zambail.com

Berni Zambail Parelli-6-Sterne-Master-Instructor. Unterrichtet Natural Horsemanship und bietet auch Emotionschoachings für Reiter an. www.zambail.com

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Anke Recktenwald Pferdewirtschaftsmeisterin, Practitioner der Tellington-Methode für Mensch und Pferd, Feldenkrais-Pädagogin www.anke-recktenwald.de

Anke Recktenwald Pferdewirtschaftsmeisterin, Practitioner der Tellington-Methode für Mensch und Pferd, Feldenkrais-Pädagogin www.anke-recktenwald.de

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Sonja Weber bildet seit 25 Jahren Pferde und Reiter von der Basis bis zur hohen Schule in der Tradition der Légèreté aus und ist Diplom-Biologin. www.sonja-weber-reitkunst.de

Sonja Weber bildet seit 25 Jahren Pferde und Reiter von der Basis bis zur hohen Schule in der Tradition der Légèreté aus und ist Diplom-Biologin. www.sonja-weber-reitkunst.de

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Erscheinungsdatum 19.03.2024