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Paris 2024 kein Fall Moskau - oder doch im Kern? PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von: Dieter Ludwig   
Donnerstag, 02. Februar 2023 um 18:19

Dieter Graf Landsberg-Velen (+2012)

(Foto: Kalle Frieler)

Wassenberg. Vor fast 43 Jahren war Boykott der Olympischen Spiele in Moskau erstmals ein Thema, nun erneut im Hinblick auf  Paris 2024. Nur diesmal anders: Ausschluss der Russen wegen des Überfalls auf die Ukraine. Damals 1980 ging es um den Einmarsch der Roten Armee der UdSSR in Afghanistan, fast die gesamte westliche Welt schickte keine Teams nach Moskau, die UdSSR ist Geschichte. Nun überfielen Putins Russen die Ukraine, und somit steht Olympia wieder in der Diskussion. Jedoch eben damit, nämlich Russen auszusperren, was auf wundersame Weise dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) gar nicht passt.

Am 19. Juli 1980 begannen in Moskau die 22. Olympischen Sommerspiele der Neuzeit – mit einer wahrlich überschaubaren Zahl von Sportlern westlicher Nationen. Wegen des Einmarsches der Roten Armee der damaligen UdSSR im Dezember 1979 in Afghanistan hatten bis auf ganz wenige Ausnahmen die jeweiligen nationalen Reitsport-Verbände ihren Nationalen Olympischen Komitees keine Aktiven zur Nominierung für Olympia vorgeschlagen. Im Vorfeld gab es überaus hitzige Diskussionen darüber, einige Reiter aus Deutschland wollten gar vor Gericht ziehen. Dieter Graf Landsberg-Velen, der deutsche Reiterpräsident hatte schon früh für klare Verhältnisse gesorgt, er ließ vermelden, dass deutsche Reiter nicht nach Moskau reisen werden.

In der sportlichen Welt häufen sich verstärkt zuletzt Diskussionen darüber, Paris fernzubleiben, sollte das Internationale Olympische Komitee die bisher geächteten Russen und Belarussen zu Olympia an der Seine zulassen.

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Dieter Graf Landsberg-Velen (17.12.1925 – 15.04.2012) :

Ihn zeichnete immer eine gewisse distinguierte Zurückhaltung aus, er hatte einige Ecken, an denen man sich reiben konnte. Er übernahm jedoch stets Verantwortung. Seit 1950 bis zum Tode arbeitete er im Malteser Hilfsdienst und engagierte sich stark für die Opfer des Vietnamkrieges, zwischen 1980 und 1992 war er Präsident der Hilfsorganisation, er war ab 1973 auch Mitglied im Präsidium des Nationalen Olympischen Komitees (NOK), Einmal wenigstens im Jahr steuerte der leidenschaftliche Autofahrer und überzeugte Katholik seinen PKW in den südfranzösischen Wallfahrtsort Lourdes. Dort schob er Kranke zur Heilung versprechenden Grotte, daraus schöpfte er selbst Kraft und Zuversicht.

„Sein Wort hatte Gewicht, er stand dem bedeutendsten nationalen Reiter-Verband in der Welt vor, er hätte das Image der FEI aufpoliert – er wäre wirklich ein würdiger Präsident des Weltverbandes gewesen.“ Das sagte einer, der hautnah jahrelang mit ihm zusammen arbeitete und kannte, nämlich der Schweizer Fritz Widmer (+2015), der ehemalige Generalsekretär des Weltverbandes (FEI). Der Jurist, Forst- und Landwirt, so die Berufsangaben des Grafen aus dem Sauerland, war 18 Jahre lang FEI-Vize und wurde nicht Erster, weil ihn Prinz Philip als FEI-Präsident ablehnte. Allein schon deshalb, da der Deutsche 1974 nicht dem Beispiel des Königin-Gemahls folgte, nämlich auch in Deutschland verschiedene Springreiter zu Profis zu erklären und somit nach den damaligen Amateurstatuten von Olympia auszuschließen. Prinz Philip, der von 1964 bis 1986 die FEI selbstherrlich führte, erklärte dann in seiner Abschiedsrede, sollte seine Tochter Anne nicht seine Nachfolgerin werden, „dann mache ich eben weiter.“ Prinzessin Anne wurde die Nachfolgerin, Graf Landsberg-Velen zum Ehren-Vize ernannt. Landsberg-Velen gehört zu den ganz großen Sportführern, nicht nur in Deutschland.

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Für den 15.Mai 1980 hatte das Nationalen Olympische Komitee (NOK) von Deutschland zur Generalversammlung in ein Düsseldorfer Hotel geladen, Es ging in erster Linie um die Teilnahme einer Mannschaft der Bundesrepublik bei den Olympischen Spielen in Moskau. Zu den zahlreichen Rednern gehörte Reiter-Präsident Dieter Graf-Landsberg-Velen. Und er hielt eine mehr als denkwürdige und mitreisende Rede mit Echo weit über den Saal hinaus. Am Ende des Tages stand eine Abstimmung an, ob eine bundesdeutsche Mannschaft an Olympia teilnehmen sollte oder nicht, für die Reiter hatte Graf Landsberg-Velen bereits abgesagt.

Und so begann er als Präsident der Reiter seine Rede nach dem Grußwort: „Wir haben unsere Position bereits vor einigen Wochen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, nachdem die Informationen aus den Medien, auf die wir ausschließlich angewiesen waren, uns nicht nur die erschütternde Unfähigkeit des Internationalen Olympischen Komitees offenbarten, auf die Afghanistan-Krise in der gebotenen Weise zu reagieren, sondern überdies den Eindruck erwecken mussten, dass das Nationale Olympische Komitee, das NOK für Deutschland, die Teilnahme in Moskau um jeden Preis verfolge, auch um den Preis des Verzichts auf eine angemessene Berücksichtigung der gegebenen politischen Verantwortung sowie des Verzichts auf die Schaffung der Voraussetzungen für eine Teilnahme, wie sie von Moskau gefordert worden sind.“

Die aufgezeigte Tendenz des NOK sei in krassem Widerspruch „zu unserer Auffassung“ gestanden, „das konnten wir nicht länger stillschweigend hinnehmen, ohne unsererseits den falschen Eindruck der Konformität zu vermitteln. Zudem erschien es mir unfair, dies nicht beizeiten zu verdeutlichen. Und unterscheiden nur der Weg zu diesem Ziel, die Beurteilung der Lage und die daraus für richtig befundenen Konsequenzen.“

Unser gemeinsame Ziel müsse doch sein, „die Olympischen Spiele zu erhalten und ihre geistige Substanz zu retten“, den Begriff Boykott der Olympischen Spiele lehne er ab, sagte Landsberg-Velen, „es geht doch um die Einladung eines Organisators Olympischer Spiele, der in Afghanistan den Frieden gebrochen, die Menschenrechte verletzt und damit seinerseits die ideellen Grundlagen der Spiele boykottiert hat, und wollte man hier zwischen Organisator und zuständiger Regierung unterscheiden, so wäre das nun wirklich sophistisch“, allein diese von den Sowjets gesetzten Tatbestände hätten unsere Teilnahme in Moskau zur Frage werden lassen. „Eine Frage, die ohne Zweifel direkt an uns gerichtet ist, solange Frieden und Freiheit, Menschenwürde und Menschenrecht zu den Grundwerten unserer politischen Selbstverständlichkeit gehören…“

Das politische Bewusstsein eines Staatsbürgers sei gefordert, für einzelne Lebensbereiche gebe es keine Spaltung des politischen Bewusstseins, „gefordert ist jedoch eine klare und ungeteilte Meinung“ für Sportler und Funktionsträger.

Landsberg zitierte auch den Beschluss des Verbandes der Schweiz: „Der Schweizerische Reitsportverband hat die Nichtteilnahme seiner Reiter an den Spielen in Moskau gegenüber seinem NOK unter anderem mit diesen Worten erklärt: Langfristig ist die Ausübung jedes Sports in Frage gestellt, wenn die Menschenrechte und die persönliche Freiheit nicht gewährleistet sind. Es wird immer wieder gesagt, der Sport sei von der Politik zu trennen. Damit sind wir prinzipiell einverstanden, jedoch nur solange die Politik nicht unsere elementaren Rechte als Bürger eines freien Staates gefährdet. In einer freien Demokratie sind wir eben auch alle Politiker. Da nun die Kompetenzen in sportlichen Angelegenheiten nicht bei unseren Politikern liegen, ist es an uns den Entscheid zu treffen.“

Verzicht auf Olympia in Moskau

Den Verzicht der Entsendung von Reiter-Equipen nach Moskau begründete Graf Landsberg-Velen so: „Die Entscheidung über Teilnahme oder Nichtteilnahme unterliegt infolge des vorgetragenen Sachverhalts nicht mehr nur sportlichen, sondern auch politischen Kriterien. Das ist zwar ein äußerst bedrückendes, aber unbestreitbares Faktum, das uns die Gesamtszene der Politik drastisch genug darbietet.“ Dagegen helfe kein Hinweis auf ähnliche Fälle früherer Olympischer Spiele, „es gibt nämlich keinen vergleichbaren Fall. Der politische Boykott der olympischen Charta durch den Ausrichter der Spiele ist bislang einmalig“. Politik und Sport hätten von der UdSSR seit Ausbruch der Afghanistan-Krise unaufhörlich und eindringlich die Schaffung der Voraussetzungen für eine Teilnahme aller Sportler verlangt, was der UdSSR jedoch nicht gelungen wäre. Die Konsequenz daraus könne nur lauten: „Verzicht auf unsere Teilnahme an den Spielen in Moskau“.

Der Reiter-Präsident widersprach auch dem damaligen NOK-Präsidenten Willi Daume, der von Gratwanderung und Hörigkeit gegenüber der Politik redete. Landsberg-Velen: „Was hat es denn mit Hörigkeit zu tun, wenn wir aus eigener Überzeugung unseren Konsenz mit Parlament und Regierung bekunden, wenn wir uns aus Selbstdisziplin in unsere staatsbürgerliche Pflicht nehmen? Die Willenstärke, eigene Wünsche der besseren Einsicht und dem übergeordneten Verlangen zu opfern, beziehen wir doch nicht etwa aus Hörigkeit, sondern aus dem Besitz an innerer Freiheit. Die Gefahr der Hörigkeit beginnt nämlich gerade dort, wo solche innere Freiheit nicht besteht.“

Weiter sagte der Graf von Schloss Wocklum in Balve im Sauerland, der Sport dürfe seine so gerne oft hingenommene moralische Leitbildfunktion in unserer Gesellschaft nicht dann verleugnen, wenn sie mal zur Last werden könnte. Mit Fug und Recht habe Bundeskanzler Helmut Schmidt in seinem Gespräch mit Vertretern des Sports einige Wochen davor die Frage aufgeworfen, ob wir ghenauso ebenso lange diskutieren würden, ginge es diesmal nicht um die Ereignisse in einem viele Tausend Kilometer entfernten und uns fremden Land, sondern um das vergleichbare Geschehen des Jahres 1968 und das Niederschlagen des Aufstandes durch Panzer der UdSSR in der damaligen Tschechoslowakei.

Worte wie in Stein gemeißelt

Er halte es für müßig, darüber zu spekulieren, ob mit einem Verzicht auf eine Teilnahme in Moskau nun auch bereits das Ende der Olympischen Spiele oder des Weltsportverkehrs einherginge, „entweder verfügt die Olympische Bewegung noch über ideelle Lebenswerte und Ausstrahlungskraft, dann wird sie selbst Moskau überdauern, oder es wären wirklich alle Bemühungen vergebens. Wir glauben an ihre überdauernde Lebenskraft und wollen uns gerade deshalb nicht mit Spielen identifizieren, deren Gastgeber den Olympischen Geist verhöhnen. Wir wollen gerade deshalb ein Zeichen setzen, das wach rüttelt und über die olympischen Ideale wieder nachdenken lässt, das zu Initiativen anregt, ihnen ein solideres Fudament zu bauen.“

Der Entschluss treffe die Aktiven hart, schmerzlich, die deutschen Reiter, die olympisch zu den erfolgreichsten Sportlern zählen und auch in Moskau sicher chancenreich gewesen wären, „sind sich bewusst, worauf sie zu verzichten haben“. Der Preis, den die Reiterei für ihre Position erbringe, „ist nicht gering. Der Preis für die Preisgabe unserer Grundwerte läge jedoch unvergleichbar höher, denn er kostete nicht zuletzt unsere Glaubwürdigkeit. Seien wir vielmehr gewillt, gemeinsam unsere Verantwortung zu tragen und zwar mit jenem Mut, der uns bestimmt nicht verlässt, solange wir unserer Überzeugung und damit uns selbst treu bleiben.“

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Bei der Abstimmung des Nationalen Olympischen Komitees in Düsseldorf um eine Teilnahme waren 99 Stimmen zu vergeben, 59 Mitglieder stimmten für einen Verzicht, 40 waren für einen Start.  Insgesamt nahmen in Moskau Sportler aus 81 Ländern teil, 42 Nationen blieben der Veranstaltung an der Moskwa aus politischen Gründen fern, 23 verzichteten aus sportlichen bzw. finanziellen Gründen.

Teilnehmende Reitsport-Nationen in Moskau:

Dressur mit Teams: UdSSR, Bulgarien, Rumänien, Polen, dazu zwei Einzelreiterinnen: Österreich (Sissi Theurer) und Finnland (Kyra Kirklund).

Springen mit Teams: UdSSR, Polen, Mexiko, Ungarn, Rumänien und Bulgarien, dazu jeweils ein Einzelstarter aus Finnland und Guatemala.

Vielseitigkeit mit Teams: UdSSR, Italien, Mexiko, Ungarn, Polen, Bulgarien und Indien.

Medaillenvergabe:

Dressur: Gold UdSSR, Silber Bulgarien, Bronze Rumänien

Einzel: Gold Sissi Theurer ( Österreich) Mon Cherie,

Silber Yuri Kowshow (UdSSR) Igrok

Bronze Viktor Ugrimow (UdSSR) Shkval

Springen: Gold UdSSR, Silber Polen, Bronze Mexiko

Einzel: Gold Jan Kowalczyk (Polen) Artemor

Silber Nikolai Korolkow (UdSSR) Espadron

Bronze Joaquin Perez Heras (Mexiko) Alymony

Vielseitigkeit: Gold UdSSR, Silber Italien, Bronze Mexiko

Einzel: Gold Federico Euro Roman (Italien) Rossinan

Silber Alexander Blinow (UdSSR) Galzun

Bronze Yuri Salnikow (UdSSR) Pintset.

 

 

 

 

 


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