Moment Mal! Gabriele Pochhammer: Kluge und weniger kluge Entscheidungen von oben

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Gabriele Pochhammer über eine intelligente Entscheidung der neuen Schleswig-Holsteinischen Regierung und eine äußerst kurzsichtige Regeländerung der FEI.

Endlich. Wenigstens im nördlichsten Bundesland, in Schleswig-Holstein, hat die Vernunft obsiegt. Die Pferdesteuer, gerade in der Gemeinde Tangstedt durchgedrückt, wird verboten. Per Gesetz von ganz oben. Es war das erste Gesetzesvorhaben, das die neue Jamaika-Koalition (CDU/FDP/Grüne) kurz vor Ablauf der ersten 100 Tage auf den Weg brachte. Den Gemeinden im Lande ist es künftig nicht gestattet, Pferdesteuer zu erheben. Eine Zustimmung des Landtags im Oktober gilt als sicher. Das steht nicht nur dem Pferdeland Schleswig-Holstein gut zu Gesicht mit seinen vielen Zuchtbetrieben, Reitställen und „Ferien im Sattel“-Angeboten, hier wird ein Gesetz auf den Müll geworfen, das, aus plumpem Sozialneid geboren, die angeblich so wohlhabenden Pferdebesitzer abstrafen sollte. In souveräner Ignoranz der Realität, denn die meisten Pferdebesitzer haben ganz normale Berufe, Kindergärtnerin, Handwerker, Krankenschwester, und fahren im Urlaub statt an südliche Strände höchstens ins benachbarte Dänemark, um flüssig zu sein, für all das, was Geld kostet rund ums Pferd, vom Beschlag bis zur nächsten Wurmkur.

Den Kommunen bescherte die Pferdesteuer statt nennenswerter Einnahmen vor allem sinnlosen Verwaltungsaufwand, weswegen einige Gemeinden, so die hessische Gemeinde Weißenborn, sie schon wieder abgeschafft hat. Als erstes führte im Jahre 2012 der hessische Ort Bad Sooden-Allendorf die Steuer ein, da sollten die Reiter ein Millionenloch im Haushalt stopfen, entstanden durch jahrzehntelange Misswirtschaft. Ein Reitbetrieb für Therapeutisches Reiten in Bad Sooden-Allendorf, zugleich eine Heimstätte für alte Pferde, musste dicht machen, zuvor war er mit Gemeindegeldern gefördert worden. Der Irrsinn hat einen Namen, und der heißt Pferdesteuer. Die massiven Proteste der Pferdeleute, der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) und weiterer Verbände, eine halbe Million Unterschriften, all das hat genügend Druck aufgebaut, um Gemeinderäte jetzt zumindest noch mal zum Nachdenken zu bringen, bevor sie mit der Steuerkeule gewachsene Strukturen zerschmettern. Es geht auch in Schleswig-Holstein nicht in erster Linie um den Spitzensport, sondern um den Breitensport mit seiner Jugendarbeit. Es gehe darum, eine Besteuerung von Sport auszuschließen, sagt sogar die Kieler Oppositionssprecherin Beate Raudies. Zumal einen Sport, der vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) als eine von fünf Gesundheitssportarten ausgezeichnet und finanziell gefördert wird. Kurzum, wer Pferde besteuert, muss auch Tennisschläger und Fußbälle besteuern. Zur Zeit gibt es nur noch drei hessische Gemeinden, die die Reiter mit einer Steuer ausrauben: außer Bad Sooden-Allendorf die Gemeinden Kirchheim und Schlangenbad. Sie werden jetzt vielleicht wachgerüttelt. Es ist ein Zeichen von Klugheit, eine Dummheit einzusehen und zu korrigieren.

Blood Rule soll aufgeweicht werden

Nicht jede Korrektur ist freilich eine kluge. Aus den Hinterzimmern der Internationalen Reiterlichen Vereinigung (FEI) dringen jetzt Pläne, die sogenannte „Blood Rule“ zu entschärfen. Die Diskussion entbrannte aktuell nach der Disqualifikation von Scott Brash nach der Global Champions-Station in Cascais, nachdem bei seinem Pferd Hello Forever kleine Verletzungen an der Flanke festgestellt wurden. Die „Besitzerin“ des Global Champions League Teams, für das Brash startete, Milliardärstochter Georgina Bloomberg, beschwerte sich, ebenso auch Tour-Chef Jan Tops. Die FEI liefert angesichts solchen finanzstarken Unmuts prompt: Die „Blutregel“ soll entschärft werden, so ein Vorschlag, der derzeit innerhalb der FEI diskutiert wird und im nächsten Jahr Regel werden soll. Will heißen, der Richter hat jetzt einen Ermessensspielraum, ob eine Verletzung zum Ausschluss führt oder nicht. Willkommen bei vielen fruchtlosen Diskussionen und Protesten. Die FEI macht es sich leicht, sie schiebt dem Steward bzw., dem Richter den Schwarzen Peter zu. Der darf sich jetzt unbeliebt machen und überlegen, ob er im nächsten Jahr wieder eingeladen werden will. Freie Fahrt für großzügige Offizielle, die nicht aus jedem Blutstropfen ein Drama machen. So wie es Jan Tops sich wünscht.

Auch die anderen Disziplinen ziehen nach. Erwartungsgemäß geht man im Distanzreiten noch großzügiger mit dem Thema um, jener Disziplin, in der es in den vergangenen Jahren mehr Dopingfälle und tödliche Unfälle als in allen anderen zusammen gegeben hat: Hier müssen, so der Entwurf, erst drei Veterinäre „frei fließendes Blut von einer Verletzung oder aus einer Körperöffnung“ feststellen, bevor ein Pferd ausgeschlossen wird. Freuen über den neuen Großmut werden sich vor allem die so genannten Tierschützer, die in diversen Verbänden organisiert wird und jeden Pferdesport für Tierquälerei halten. Denen hat man wieder ein gutes Argument geliefert. Ganz ohne Not.

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Gabriele PochhammerHerausgeberin

Herausgeberin des St.GEORG, den sie als Chefredakteurin von 1995-2012 als erste Frau auf dieser Position verantwortet hat. Als Berichterstatterin auf elf Olympischen Spielen und unzähligen Welt- und Europameisterschaften. Erfolgreiche Pferdezüchterin: Der von ihr gezogene Wallach Leonidas II war eines der besten Vielseitigkeitspferde seiner Zeit. Eines der Fachgebiete: internationale Sportpolitik, schreibt für die Süddeutsche Zeitung.

  1. M Maier

    Meines Erachtens spielt die FEI hier mit dem Feuer: Eine Aufweichung der Blood Rule bezieht sich ja wahrscheinlich zunächst auf die internationalen Turniere. Allerdings finden diese auch in Deutschland statt. Und hier greift dann in erster Linie das Tierschutzgesetz. Ich bin da auf die erste Klage seitens der Tierschutzverbände gespannt, wenn der erste Turnierstart mit einer sichtbaren und blutenden Hautwunde auf deutschem Boden erfolgt.

    Noch hat es der Reitsport in der Hand, sich nicht noch mehr moralische Blößen zu geben. Man ist sollte gut nachdenken, ob man das gesamte Freizeitvergnügen Reiterei (und als solches muss man es in seiner Gänze trotz fortschreitender Professionalierung betrachten) derart leichtfertig wegen der Interessen einiger Profisportler aufs Spiel setzen will.

  2. Andreas Apsel

    Solange so viel Geld im Spiel ist, wird sich vermutlich leider nicht viel ändern.
    Es gibt außer der Blood Rule auch andere Dinge, die mir im Reitsport nicht gefallen und zwar der
    exzessive Gebrauch von Schlaufzügeln und der Erfindungsreichtum der Reiter bei den verwendeten Gebissen und Reithalftern – das sieht nicht wirklich gut aus.
    Auf dem Abreiteplatz der Springreiter sah man ca. 80% mit eingeschnallten Schlaufern, sogar bunte Schlauzügel fanden Verwendung (auch bei der Siegerehrung im Großen Preis).
    Selbst die beteiligten U25-Reiter kamen schon mit Schlaufern auf dem Abreiteplatz einmarschiert…


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