von Roland Kern am Freitag, 03.05.2024 um 18:44

Christa Jung ist fast wieder die Alte

Sie steht da, wie man sie seit Jahren kennt. Den Zollstock in der Hand, ihr Team im Griff, den Parcours im Blick. Nur arg dünn ist sie geworden. Kaum zu glauben, dass es gerade erst ein halbes Jahr her ist, als Christa Jungs Leben auf dem Spiel stand. „Schon an Weihnachten habe ich der Familie erklärt, am Maimarkt werde ich wieder aufbauen“, erinnert sich die internationale Parcourschefin. Da war sie gerade mal auf dem Weg der Besserung. Aber noch ganz am Anfang.

Es war ein Schock für die ganze Reiterwelt, als es Anfang November vergangenen Jahres hieß: Christa Jung schwer verunglückt. Das war wenige Tage vor dem German Master in der Stuttgarter Schleyer-Halle. Das Turnier ist ohne die Parcourschefin aus dem schwäbischen Bad Friedrichshall genauso wenig denkbar wie der Mannheimer Maimarkt. Und doch musste es gehen.  Der Holländer Louis Konickx und ihr Kollege Ralf Hollenbach, der aus Heidelberg stammt, vertraten sie würdig. Ralf Hollenbach steht ihr auch auf dem Mannheimer Maimarkt zur Seite – froh, dass sie wieder dabei ist.

Christa Jung ist mit Pferden aufgewachsen, sie kennt die Tiere in- und auswendig. Und doch, als sie den zehnjährigen Wallach am Halfter grasen ließ auf der Wiese vor dem Bauernhof der Familie, geschah das Unvorstellbare: Der Wallach muss erschrocken sein, ihr den Führstrick aus der Hand gerissen haben, in Richtung Stall gerannt sein. Er hat ausgetreten und sie im Gesicht getroffen. Mehr weiß kein Mensch. Denn Christa Jung hat eine Gedächtnislücke. Sie erinnert sich erst wieder daran, wie sie blutüberströmt zu sich kam. Überall Blut. Da galoppierte das Pferd schon in Richtung Stall, selbst erschrocken. Alles andere muss man sich zusammenreimen.

Dafür erinnert sie sich an das, was folgte, ganz genau. Der Rettungswagen, von ihrem Mann alarmiert, kam innerhalb weniger Minuten. Nach der ersten Untersuchung im Heilbronner Krankenhaus war klar, dass Spezialisten an den Fall heranmussten. Man überwies sie in die Heidelberger Kopfklinik, dort wurde sie von Chefarzt Prof. Dr. Jürgen Hoffmann operiert. „Das war mein großes Glück“, beschreibt sie heute. Das Nasenbein und beide Jochbeine waren gebrochen. Seither trägt Christa Jung etliche Platten und Nägel zwischen Haut und Knochen. Drei Wochen lag sie in der Klinik, später nochmal eine Woche.

Über die Wochen in der Klinik sagt sie nicht viel, wie es ihre Art ist. „Ich hab was durchgemacht“, erklärt die 69-jährige frühere Lehrerin, die in Mannheim schon 1997 als erste Frau Europameisterschaften aufgebaut hat . Mehr sagt sie nicht. Nur nicht jammern. Lange konnte sie nur flüssige Nahrung zu sich nehmen, musste ein weiteres Mal operiert werden. Zehn Kilo hat sie abgenommen. Das ging auch an die Nerven. Ihr Mann Karl-Georg besuchte sie täglich. Sonst hätte sie vielleicht den Mut verloren. Hat sie aber nicht, daher steht sie jetzt wieder auf dem Maimarkt, fast als sei nichts passiert. Christa Jung, sie ist fast wieder die Alte.    Foto: Leonie Wolff

Roland Kern (Redaktion)

Der Ruhepol der Redaktion, der im Notfall immer noch eine Lösung parat hat. Die Stimme (The Voice) von Reiterjournal-TV, hat selbst Pferde bis zur Klasse S ausgebildet und kennt keinen Feierabend.

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