Eine Frage, drei Experten
Wie sinnvoll ist die Winterweide?

Auch im Winter sollen Pferde raus. Sind Koppeln die richtige Lösung? Und wenn ja, unter welchen Bedingungen? Unsere Experten sind geteilter Meinung.

Eine Frage, drei Experten - Winterweide
Foto: Lisa Rädlein

Das sagt die Fütterungs-Expertin

Meine Pferde und mein Maultier sind im Winter zwar täglich draußen – aber nie auf der Weide, sondern immer nur auf befestigten Flächen. Meine Weiden sind mir schlicht zu wertvoll, als dass ich die Vierbeiner im Winter drauflassen würde: Die Koppeln sind nämlich sehr artenreich. Und artenreiche Wiesen vertragen es nicht, wenn im Winter Pferde auf ihnen herumtrampeln. Das führt zu intensivem Verbiss und Vertritt, und das wiederum sind Killer für Wiesen, auf denen unterschiedliche Gräser und Kräuter wachsen. Was dann übrig bleibt, wenn überhaupt, ist nur das Weidelgras.

Dazu kommt: Natürliche Böden heben sich bei Frost an; dafür sorgt die Feuchtigkeit im Boden. Dieser Vorgang belüftet die oberen Schichten des Bodens und sorgt für besseres Pflanzenwachstum im kommenden Jahr. Zumindest, solange keine Pferde darauf herumlaufen; sonst wird der Effekt zunichte gemacht. Öffnet man Weiden im Winter für die Pferde, sind die nach der kalten Jahreszeit zudem oft so kaputt gelaufen, dass es kaum noch Leben im Bewuchs gibt und somit eine komplette Neuansaat fällig wird.

Das heißt, man muss mit 18 Monaten rechnen, bis man die Weide wieder nutzen kann. Nicht nur die Wiese kann unter solchen Belastungen nicht gesund bleiben: Auch die Pferde tun es oft nicht. Fressen sie gefrorenes Gras, kann das aufgrund des hohen Zuckergehalts darin im schlimmsten Fall zu Koliken oder Hufrehe führen. Das Gras ist zudem meist tot und verpilzt. Ich bin daher ein Freund davon, die Weiden im Winter ruhen zu lassen.

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Lisa Rädlein
Conny Röhm berät Pferdebesitzer in Fütterungsfragen und leitet das Tierwissenschaftliche Institut.​

Conny Röhm berät Pferdebesitzer in Fütterungsfragen und leitet das Tierwissenschaftliche Institut.

Das sagt der Tierarzt

Die 40 Pferde, die bei mir untergebracht sind, stehen rund um die Uhr draußen; sie sind auf Herden von maximal fünf Tieren aufgeteilt. Nur das Jungvolk, sprich: Absetzer und Jährlinge, ist auf Weiden, weil diese groß genug sind und so nicht kaputt gehen können. Normale Sommer- zu Winterweiden zu machen, ist aber in den meisten Fällen nicht ratsam: Die Weide verschlammt nur, die Grasnarbe geht kaputt, und das Verletzungsrisiko für die Pferde steigt, weil sie wegrutschen oder über Matschlöcher stolpern.

Abgesehen von den Jungtieren stehen daher die übrigen Pferde im Winter auf Paddocks, die teils mit Vlies, Paddockmatten und einer Sand-Tretschicht befestigt sind. Wichtig sind Unterstände, die die Tiere vor Dauerregen schützen. Normalerweise sorgt das Winterfell dafür, dass Regen und Schnee abperlen und die Haut trocken bleibt. Sind die Pferde aber komplett durchnässt, kann es zu Hautinfektionen kommen.

Auf befestigten Böden treten auch Strahlfäule und Mauke seltener auf. Auf die Weiden lasse ich meine Pferde, wenn die durchgefroren und eben sind. Solche Böden sind griffig, und die Grasnarbe wird geschont. Gefrorene Buckelpisten sollten geschlossen bleiben; auf denen können sich Pferde eher Zerrungen oder Verstauchungen von Gelenken zuziehen – vor allem, wenn sie nachts aufgestallt sind und dann morgens rauskommen. Die meisten Pferde buckeln dann los; das Verletzungsrisiko ist in solchen Fällen am höchsten.

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Lisa Rädlein
Dr. Stephen Eversfield ist Tierarzt in der Rhein-Main-Region und besitzt zudem ein eigenes Gestüt.

Dr. Stephen Eversfield ist Tierarzt in der Rhein-Main-Region und besitzt zudem ein eigenes Gestüt.

Das sagt der Stallbau-Experte

Für Winterkoppeln eignen sich trockene, wasserdurchlässige Böden mit leichtem Gefälle am besten. Bevor die Pferde drauf dürfen, ist ein Pflegeschnitt angesagt: Ich rate dazu, den Bewuchs auf den Winterweiden möglichst kurz zu halten, also die Weide – wenn es die Witterung zulässt – nochmal zu mulchen.

Unter langem, verfilzten Gras graben sonst Mäuse ihre Labyrinthe. Wechselt man im Winter regelmäßig die Flächen, wächst im Frühjahr schnell wieder Gras nach. Was oft unterschätzt wird: Giftpflanzen machen keine Pause, die Herbstzeitlose tritt beispielsweise auch im Winter auf. Ohne ihre charakteristischen Blüten ist sie schwer zu erkennen; daher sollte man die bereits im Herbst bekämpfen.

Ein ganz wichtiger Punkt beim Koppelmanagement im Winter sind die Zäune. Sie müssen gut sichtbar, stabil und am besten stromführend sein. Weiße Kordeln oder Bänder sind an trüben Tagen oder bei Schnee für die Pferde nicht gut sichtbar. Überhaupt muss ich im Winter als Stallbetreiber noch mehr aufpassen, heißt: die Koppelzeiten an Witterung, Standort und Bedürfnisse der Pferde anpassen.

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privat
Georg W. Fink plant und baut Reitanlagen und ist daneben öbv Sachverständiger für Stallbau.

Georg W. Fink plant und baut Reitanlagen und ist daneben öbv-Sachverständiger für Stallbau.

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5 / 2024
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Erscheinungsdatum 23.04.2024