Hamburg. Derbychef Wulff und Sportsenator Grote wollen bis November Einigkeit über Neubau erzielen, um sich für Springreit-EM 2021 zu bewerben

Wenn das fünftägige Flottbeker Pferdefestival am heutigen Mittwoch startet, haben nicht nur Ross und Reiter große Sprünge zu absolvieren. Hinter den Kulissen schmieden Veranstalter, Sportverein und Stadt einen Plan, die Traditionsanlage im Hamburger Westen zukunftstauglich zu gestalten. Neue Tribünen sollen den Weg ebnen für die Europameisterschaft der Springreiter im Jahr 2021. Zudem soll der internationale Stellenwert des Großereignisses rund um das Deutsche Spring- und Dressurderby langfristig weiter erhöht werden.

„Der Derbypark ist ein einzigartiges Juwel unter den Sportstätten unserer Stadt“, sagte Hamburgs Sportsenator Andy Grote dem Abendblatt. „Deshalb ist es wichtig, die Anlage baulich, insbesondere mit einer neuen Haupttribüne, für die Zukunft und auch für die mögliche Austragung der Springreit-EM aufzustellen.“ Seit dem 10. Mai, so der SPD-Politiker, lägen „eine aktualisierte Planung und eine erste Finanzierungsüberlegung“ vor.

„Es ist ein gemeinsames Projekt“, ergänzte Turnierchef Volker Wulff. „Wir arbeiten mehr Schulter an Schulter als in der Vergangenheit.“ Seit Vertragsbeginn im Jahr 2000 hat Wulffs Agentur En Garde die Veranstaltung zu einem Weltklasse-Event geformt. Sein Vertrag mit dem Norddeutschen und Flottbeker Reiterverein (NFR) als Hausherrn des 12.000 Quadratmeter großen Derbyparks in Klein Flottbek läuft noch bis 2024. Ausreichend Zeit, um ein solides Fundament zu schaffen.

Im Grundsatz herrscht Einigkeit: Mit den Ende der 1950er-Jahre errichteten Betontribünen ist kein Staat mehr zu machen. Die gesamte Konstruktion ist marode und durch jährliche neue Anstriche nur notdürftig zu übertünchen. Da die Träume von einem komplett neuen Stadion im Zuge der gescheiterten Olympiabewerbung zerplatzten, muss rasch Entscheidendes passieren. Klar ist, dass die Substanz zu alt ist, um kostengünstig renovieren zu können.

Vorgesehen sind eine komplett neue Haupttribüne mit einer Kapazität von 6000 statt bisher 5000 Zuschauern, ein neuer Richterturm mit zwei kleineren Tribünen für Teilnehmer und Medien sowie ein modernisierter Stehplatzbereich dazwischen. Der beim Publikum beliebte Rasenhang vis-à-vis der Haupttribüne soll in der heutigen Form bestehen bleiben. Er ist ein Paradies zum Picknicken.

„Allen Beteiligten war von Anfang an klar, dass der wesentliche Finanzierungsanteil durch die privaten Akteure vor Ort erbracht werden muss“, sagte Andy Grote. Sprich: Die Stadt will unterstützten und planerische Hilfestellung gewähren, aber nicht Millionen aus dem Haushalt aufbringen. Der Senator kündigte an, die Gespräche mit den Veranstaltern fortzusetzen: „Ziel ist es, schnellstmöglich ein möglichst tragfähiges Gesamtkonzept für die Realisierung des Projekts zu finden.“ Der Masterplan Derby mit einem Neubau der Tribünen soll auf die jährliche Austragung keinen Einfluss haben. Wulff verspricht: „Das Derby wird deswegen nicht ausfallen.“

Bis November dieses Jahres muss die Agentur En Garde Hamburgs Bereitschaft zur Organisation der Europameisterschaft erklären, damit der nationale Verband (FN) sich beim Weltverband FEI bewerben kann. Bis dahin muss Klarheit herrschen. Das gemeinsame Finanzierungskonzept sieht zusätzliche Sponsoreneinnahmen und vor allem eine Mehrnutzung der Anlage vor. Auf letzteren Punkt drängt die Stadt. „Eine Championatstribüne wird es nicht geben“, stellte Wulff klar. Das heißt: Die Sitzplätze dürfen nicht nur während der Derbytage besetzt sein. Angedacht sind Messen wie die seit Jahren vor Ort organisierte Ausstellung Home & Garden, Freiluftkino oder Konzerte. Wegen der Lärmbelästigung und des Autoverkehrs im Wohngebiet sind große Rockkonzerte mit mehreren Tausend Besuchern in den Abendstunden ausgeschlossen. Damit hatte es früher massiven Ärger gegeben.

Der Hausherr NFR kämpft seit Jahren für eine neue Tribüne

Das weiß keiner besser als der NFR. Der Traditionsclub hat das Areal bis 2024 von Martin Freiherr von Jenisch gepachtet – mit einer Option auf weitere 15 Jahre. Folglich besteht bis mindestens 2039 Planungssicherheit. „Wir kämpfen schon lange für eine neue Haupttribüne und begrüßen die aktuellen Pläne sehr“, sagte Dietmar Dude, seit 45 Jahren Mitglied des Vorstands. „Die Tribünen passen einfach nicht mehr zu dieser Topveranstaltung.“ Es müsse dringend etwas passieren. Wie immer werde sich der Club an den Investitionen beteiligen.

Zur Vorbereitung des Derbyprojekts, das Bestandteil des Masterplans „Active City“ der Hansestadt ist, trafen sich Grote und Wulff bisher zweimal im kleinen Kreis – im Herbst 2016 und in diesem Februar. Am Rande des 88. Deutschen Springderbys am Sonntag wird es einen weiteren Termin geben – außerhalb des Protokolls.

An der Seite des Derbysponsors Albert Darboven wird der auch für den Sport zuständige Innensenator Grote gegen 17 Uhr die Siegerehrung vornehmen. In zwei Qualifikationen am Himmelfahrtstag (10 Uhr) sowie am Freitag (15 Uhr) trennt sich zuvor die Spreu vom Weizen. Im Wettstreit um das Blaue Band gehen dann am Sonntag ab 14.20 Uhr 35 bis 40 der Besten über so namhafte Hindernisse wie Pulvermanns Grab, den Holsteiner Wegesprung oder den Großen Wall.

Der Mittwoch ist erstmals offizieller Turniertag. Los geht’s um acht Uhr mit dem Junior Cup. „Sieben Euro Eintritt als Schnupperpreis sollen nur die Kosten decken“, sagt Volker Wulff. Unter dem Strich rechnet er erneut mit rund 90.000 Zuschauern. Diese können sich auf 41 Prüfungen freuen. Ein Rekordpreisgeld von 1,4 Millionen Euro, 25 Prozent mehr als im Vorjahr, lockt die Weltelite. Der Gesamtetat stieg um zwölf Prozent auf 3,35 Millionen Euro.

Fast 300 Reiter aus 32 Nationen kommen mit 570 Pferden nach Klein Flottbek. Neben dem Deutschen Derby sind die mit insgesamt einer Million Euro ausgestatteten Global Champions Tour und Global Champions League sportliche Höhepunkte. Acht der weltbesten 15 Reiter nehmen teil.