Messsystem
Dieses Zürcher Start-Up will Stress bei Pferden verhindern – und in die USA exportieren

Dank dem Messsystem von Piavita können Pferde stressfreier überwacht werden – nach der ersten Serienproduktion plant die Zürcher Firma nun den Sprung über den Teich.

Lina Giusto
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Ein neues dialoges Diagnosesystem ermöglicht es, die Körperfunktionen von Pferden in deren gewohnter Umgebung zu erfassen.

Ein neues dialoges Diagnosesystem ermöglicht es, die Körperfunktionen von Pferden in deren gewohnter Umgebung zu erfassen.

ZVG

Das Zürcher Start-up Piavita blickt auf ein erfolgreiches Jahr zurück. Auch die Vorsätze für das kommende Jahr sind schon klar: Die Jungfirma will den Sprung über den grossen Teich schaffen. Die Hersteller eines kabellosen Diagnosemessgerätes für Pferde starteten mit dem Verkauf ihrer Erfindung im Sommer 2017. Bereits während der Produktion der ersten Serie des Piavita-Vet-Systems, das mittels Sensortechnologie unterschiedliche Körperfunktionen von Pferden misst, war diese bereits ausverkauft. Zu den Kunden gehören Tierärzte, aber auch kleine Fahrpraxen bis hin zu grossen Kliniken – mehrheitlich aus dem deutschsprachigen Raum, wie Firmengründerin Dorina Thiess sagt.

Für das Jahr 2018 plant das Start-up gleich zwei weitere Streiche: «Wir arbeiten an einer Lösung, die auf die Pferdezucht zugeschnitten ist», sagt Thiess. Dies weil bereits erste Bestellungen aus Zuchtländern wie Belgien und den Niederlanden bei Piavita eingingen. «Ziel wäre es nach Grossbritannien zu expandieren. Zudem arbeiten wir am Markteintritt in den USA», so Thiess.

Weniger Stress für Tiere

Die Zürcher Jungfirma scheint mit ihrem vollständig in der Schweiz hergestellten, handtellergrossen Gerät, das mit einem Gurt um den Brustkorb des Pferdes gebunden wird, einen Nerv getroffen zu haben. Die gemessenen Daten werden in Echtzeit auf einem PC, Laptop oder Tablet für den Nutzer direkt einsehbar. Neben Ärzten würden sich derzeit auch viele Sportreiter und Züchter für das Gerät interessieren, so Thiess.

Geplant ist, dass das System neben einem EKG auch Herzfrequenz und Atmung überwachen kann. Es liefert aber auch Daten zur Körperkerntemperatur, dem Bewegungslevel und -muster des Tieres. Die Echtzeitübertragung der Daten erspart laut Thiess den Ärzten mehrere Stunden «manuelle Arbeit», wie sie es nennt. Damit meint sie die Fahrzeit zwischen den Pferdeställen, Handmessungen in regelmässigen Zeitabständen und die nächtliche Überwachung der Tiere.

Die Technologie von Piavita soll damit stationär verkabelte Geräte ablösen und dem Arzt ermöglichen, das Tier von überall her zu überwachen. Zudem störe das Pferd der Gurt nicht, da die Tiere meist schon an Longier- und Sattelgurte gewöhnt seien, so Thiess. «Das Gerät kann im Stall oder auf der Weide eingesetzt werden. So muss das Tier nicht der Stresssituation eines Behandlungsraums ausgesetzt werden.»

Zudem ermögliche die permanente Überwachung eine gezieltere und bessere Behandlung der Tiere. «Viele Erkrankungen können am besten angegangen werden, wenn man sie möglichst früh erkennt», sagt Colin Schwarzwald, Direktor der Pferdeklinik der Universität Zürich. Für Schwarzwald hat das Messgerät von Piavita auch tierschützerische Relevanz: «Je besser und einfacher man ein Tier überwachen kann, desto eher kann man ihm mögliches Leiden, Stress und Schmerzen ersparen.»

Noch in der Entwicklungsphase

Das Tierspital der Universität Zürich ist im Besitz von sechs solcher Messsysteme. «Wir setzen das Gerät noch nicht in der klinischen Routine ein», so Schwarzwald. Das Gerät von Piavita befinde sich derzeit noch in der Entwicklung. Die Pferdeklinik der Universität Zürich als Forschungspartner analysiert für Piavita noch bis zum Herbst 2018 die Daten von Pferden, die mit den Geräten aus der ersten Produktionsserie gesammelt wurden. Entsprechend entwickeln und verfeinern Ingenieure die Analysesoftware des Messgerätes.

«Wir tragen mit unserer Erfahrung zur Entwicklung bei und helfen der Firma, ein praxistaugliches Gerät zu entwickeln, das die Bedürfnisse der Tierärzte und Tierbesitzer abdeckt. Schliesslich werden wir auch mittels Vergleichsmessungen eine erste Validierung des Gerätes und der Datenqualität vornehmen», so Schwarzwald. Dass das Gerät auch bei anderen Tierarten zum Einsatz komme, sei gut möglich, stehe aber derzeit nicht im Fokus, so der Veterinärmediziner.