Reitturnier in Kranichstein

Auf das blinde Verständnis kommt es an: Reiterin und Pferd auf dem Parcours des Kranichsteiner Reitturniers. Foto: Dirk Zengel  Foto: Dirk Zengel
© Foto: Dirk Zengel

Die Lautsprecherstimme beendet die Runde: „Und der dritte unplanmäßige Halt bedeutet das vorzeitige Aus.“ Die junge Reiterin dirigiert ihr Pferd sichtbar enttäuscht vom...

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KRANICHSTEIN. Die Lautsprecherstimme beendet die Runde: „Und der dritte unplanmäßige Halt bedeutet das vorzeitige Aus.“ Die junge Reiterin dirigiert ihr Pferd sichtbar enttäuscht vom sandigen Springplatz. Für den Mann, der nach ihr auf dem Parcours reitet, läuft es besser. „Das ist ein Führungswechsel“, verkündet der Sprecher, nachdem der Reiter seine Runde in neuer Bestzeit und ohne Strafpunkte absolviert hat. Alle Hindernis-Stangen liegen noch an ihrem Platz. Die Zuschauer rund um die Abzäunung klatschen vereinzelt. Die Sonne scheint vom Kranichsteiner Himmel, Vögel zwitschern und Popsongs klingen durch die Lautsprecher.

Dressur-Prüfungen rasch ausgebucht

„Gestern hatten hier alle nasse Unterhosen“, erzählt Markus Winkler und spielt damit auf den Auftakt des Kranichsteiner Reitturniers am verregneten Freitag an. An diesem Samstag sieht es besser aus. Seit 2013 richtet der Reitverein Kranichsteiner Hof das „Kranichstein Open“ aus. „Die Dressur-Prüfungen waren schon eine Stunde nach Anmeldebeginn ausgebucht“, erzählt Winkler, Geschäftsführer im Kranichsteiner Hof. Rund 50 Helfer packen Freitag, Samstag und Sonntag mit an. „Ohne die wäre das gar nicht möglich“, erklärt er.

Teilnehmer Matthias Böhm ist trotz des schönen Wetters nicht ganz zufrieden. „Es lief durchwachsen“, erzählt der Springreiter aus Büttelborn. Das ganze Jahr über wird er auf Turnieren unterwegs sein. Seine Pferde kennen das schon, die Anreise war entspannt, sagt er.

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„Charming Girl“, die siebenjährige Stute von Melina Schwarz aus Groß-Umstadt, ist dagegen immer noch ein wenig schreckhaft, wenn’s auf den Anhänger geht. Die 16-jährige Melina ist aufgeregt, sie ist auf dem Weg zu ihrem Wettbewerb im Springreiten. Gar nicht immer so leicht, dieses Hobby. „Ich möchte in zwei Jahren Abitur machen“, erklärt sie. „Das Training nebenbei ist schon sehr zeitaufwendig.“

Adrian Löbig kennt das Problem. Der 21-Jährige hat kurzen Prozess gemacht: „Ich habe ein Studium angefangen, aber als ich gemerkt hatte, dass das mit dem Reiten nicht vereinbar ist, habe ich das Studium abgebrochen.“ Er macht jetzt eine Ausbildung und ist mit seiner Entscheidung zufrieden. „Reiten ist kein Hobby und auch nicht nur eine Leidenschaft. Es ist eine Lebenseinstellung und hat für mich absolute Priorität.“

Seinen ersten Wettbewerb für heute hat Löbig schon hinter sich, später am Tag geht es weiter. Danach wird er sein Pferd „First Boy“ wieder in den Anhänger packen und zurück in den Stall nach Pfungstadt fahren. Am nächsten Tag geht es dann wieder zurück nach Kranichstein. „Mittlerweile haben wir da eine gewisse Routine drin. Die Pferde merken sofort, wenn es auf ein Turnier geht. Sie sehen den Anhänger und dann freuen sie sich schon und gucken.“

Die Verbindung zu seinem Pferd ist für Löbig etwas ganz Besonderes. „Bei diesem Sport gehören zwei Seiten dazu. Manchmal rettet mir auch mein Pferd den Arsch, wenn ich einen Fehler mache.“

Ähnlich sieht es die 21-jährige Anna Duff. „Entweder man liebt es oder man hasst es, es gibt kein dazwischen“, erklärt die Irin auf die Frage, warum sie ihr Hobby zum Beruf gemacht hat und professionelle Reiterin ist. Pro Saison ist sie auf 25 Turnieren. In Kranichstein ist sie schon zum dritten oder vierten Mal dabei, so ganz sicher ist sie sich nicht.

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Silja Weinert ist dagegen erst seit 2017 mit ihrem Pferd „Esplanade“ auf Dressur-Turnieren unterwegs. Die 14-Jährige ist eine der jüngsten Teilnehmerinnen und wird von Mutter Kerstin begleitet. „Wir sind jedes Wochenende auf Wettbewerben unterwegs“, erklärt diese. Andere Mütter würden sich vielleicht über das zeitaufwendige Hobby ihrer Kinder beschweren, Weinert hat Spaß daran. „Mir gefällt, dass wir so mit der ganzen Familie durch die Gegend reisen.“