Foto: Wunderpferd Totilas und Dressurreiter Matthias Rath stehen wegen der umstrittenen Rollkur unter Beobachtung. - Fotograf: Carmen Jaspersen - dpa
Balve (dpa/Class Henning) - Die Blicke waren wieder auf Totilas gerichtet. Doch waren sie diesmal nicht nur bewundernd. Der Dressur-Star und sein Reiter Michael Rath standen zum Auftakt der deutschen Meisterschaften unter besonderer Beobachtung.
Die Diskussion um die bei Totilas angewandte umstrittene Rollkur begleitete das Paar auch in Balve. Sportlich erfüllten Titelverteidiger Rath und der Hengst zunächst einmal die Erwartungen. Das Paar gewann die erste Prüfung, den Grand Prix, mit 83,234 Prozentpunkten. Knapp dahinter folgten die Weltcup-Zweite Helen Langehanenberg (Havixbeck) mit Damon Hill (81,489) und Kristina Sprehe (Dinklage) mit Desperados (80,383). Die Prüfung war die Qualifikation für den Grand Prix Special am Samstag, in dem der Reiter aus Kronberg mit dem Millionen-Hengst den ersten von zwei Titeln verteidigen will.
Doch auch nach dem überlegenen Sieg musste sich der 27-jährige Rath Fragen zu den Trainingsmethoden gefallen lassen. Schon auf dem Abreiteplatz hatten viele auf die beiden geschaut. «Wir haben im Winter das Training umgestellt und verändert und sind uns sicher, dass das für das Pferd und für uns die richtige Richtung ist», verteidigte er sich. «Deswegen bin ich auch nicht hierher gefahren und habe gedacht, jetzt stehen alle drumrum, ich muss jetzt was anderes machen. Das wäre auch falsch gewesen.»
Die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) hat Totilas in ein Dilemma gebracht: Erfolg oder Ethik, Medaillen oder Moral? Der Verband sucht nach einer Haltung. «Wenn er meint, er müsste ihn etwas tiefer reiten, dann ist das in Ordnung - so lange es kein aggressives Reiten ist und das Pferd nicht drangsaliert wird», sagte FN-Generalsekretär Sönke Lauterbach am Abreiteplatz in Balve.
Auslöser der Diskussionen in und außerhalb des Verbandes waren die Vorfälle auf dem Abreiteplatz in Hagen a.TW. Ende April. Bei dem Turnier hatte Rath den Hengst mit der umstrittenen Rollkur vorbereitet. Neu-Bundestrainer Jonny Hilberath ermahnte den Reiter sowie dessen Trainer und Vater Klaus Martin Rath daraufhin.
Bei der Rollkur wird das Pferd mit einer engen Kopf-Hals-Einstellung geritten, sie wird offiziell auch LDR (low-deep-round/niedrig-tief-rund) oder Hyperflexion genannt. Die meisten deutschen Dressur-Experten kritisieren die Methode. Ihrer Ansicht nach werden Schmerzen zugefügt, um das Tier zu unterwerfen.
Noch vor zwei Jahren hatten Matthias Rath und sein Vater eine Petition für die Abschaffung der Rollkur unterzeichnet. Nach der Übernahme des Pferdes Ende 2010 hatten sie es auch zunächst mit ihrer eigenen Reitweise versucht. Nun scheint es aber so, dass der zwölfjährige Hengst nicht anders zu Höchstleistungen angetrieben werden kann. Und einen Totilas in Bestform braucht die Dressur-Equipe, will sie in London wieder um Gold reiten.
Die ganze Diskussion verdeckte am Freitag die starken Leistungen von Helen Langehanenberg und Kristina Sprehe, die immerhin beide mit über 80 Prozentpunkten Weltklasse-Wertungen erhielten. Pech hatte Isabell Werth (Rheinberg), die mit Don Johnson wegen einer Verletzung aufgeben musste. Mit ihrem zweiten Pferd El Santo (75,404) kam die fünfmalige Olympiasiegerin auf Rang fünf.