Foto: Dorothee Schneider und die deutschen Dressur-Reiterinnen holten Team-Silber. - Fotograf: Jochen Luebke - dpa
London (dpa) - Als die Dressur-Medaille sicher war, dachten die Silber-Gewinner auch an ihren toten Trainer. «Ich glaube», sagte Helen Langehanenberg und schaute kurz in den Himmel, «er kriegt das da oben mit.»
Das deutsche Dressur-Team widmete den olympischen Erfolg Holger Schmezer, der im April plötzlich verstorben war. «Holger darf man heute nicht vergessen», sagte die 30 Jahre alte Reiterin. Und Schmezers Freund und Nachfolger Jonny Hilberath gestand: «Vorher habe ich das immer ein bisschen weggedrückt. Das war zu emotional.»
Es waren stille Momente in großer Freude. Die drei Olympia-Neulinge feierten ihren zweiten Platz ansonsten vergnügt, zunächst in der «Greenwich Tavern» um die Ecke. Dass die Siegesserie mit acht deutschen Olympia-Siegen bei acht Starts seit 1976 endete, störte in London keinen. «Das ist für uns wie Gold», sagte Hilberath, der im April notgedrungen den Job des Cheftrainers übernehmen musste.
«Wenn man sieht, wo wir vor zwei, drei Jahren standen und jetzt mit einer so jungen Truppe Silber holen, ist das klasse», schwärmte Verbandspräsident Breido Graf zu Rantzau und verwies auf die enttäuschenden dritten Plätze bei WM und EM: «Ich freue mich mit unserer Super-Truppe.» Der Chef der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) war voll des Lobes für das Debütantinnen-Trio mit Dorothee Schneider (Framersheim) mit Diva Royal, Kristina Sprehe (Dinklage) mit Desperados und Helen Langehanenberg (Havixbeck) mit Damon Hill.
«Das ist Silber gewonnen und nicht Gold verloren», kommentierte der Dressurausschuss-Vorsitzende Klaus Roeser: «Das ist das jüngste Team, das wir je hatten. Das ist eine richtig starke Leistung.» Zuvor hatten deutsche Teams nach dem Silber von München 1972 bei jedem Olympia-Start Gold gewonnen.
Bundestrainer Hilberath gab zu: «Es bisschen haben wir von Gold geträumt. Aber das war nicht realistisch. Die Briten sind einfach stark.» Die siegreichen Gastgeber, von 23 000 Zuschauern gefeiert, sammelten durchschnittlich 79,979 Prozentpunkte und lagen klar vor der deutschen Equipe (78,216) und den Niederlanden (77,124).
Die erste Anspannung des Bundestrainers hatte sich schon nach der Startreiterin Dorothee Schneider gelöst, die mit Diva Royal 77,571 Prozentpunkte erzielte. «Ein Felsmassiv - plumps», umschrieb Hilberath den Druck, «der bei mir drin war.» Nach der fehlerfreien Vorstellung der 43-jährigen Schneider lobte der Coach: «Sie hat alles zur aller vollsten Zufriedenheit gelöst.» Die erst vor wenigen Wochen in die Weltspitze vorgestoßene Reiterin sagte: «Ich bin superzufrieden. Auch die kleinen Fehler sind ausgeblieben.»
Dass makellose Leistungen keine Selbstverständlichkeit sind, erlebte Kristina Sprehe (76,254 Prozentpunkte). In der Passage sprang ihr Hengst Desperados einmal weg. «Schade, dieser eine Klops war teuer», kommentierte ihr persönlicher Trainer Jürgen Koschel. «Danach ist sie ein bisschen aus dem Konzept gekommen.» Die 25-Jährige selbst meinte zu ihrem Fehler: «Das hat reingehauen. Das ärgert einen schon.» Ihr Hengst sei von Anfang an «ein bisschen nervös gewesen».
Das beste Ergebnis steuerte Schlussreiterin Langehanenberg bei, die mit Damon Hill (78,937) Nervenstärke bewies, trotz eines kleinen Fehlers nach der ersten Piaffe. «Ich bin total happy», erklärte die 30-Jährige: «Eine Olympia-Medaille war mein Kindheitstraum, aber ich habe mich nie getraut, das zu sagen.». Das Silber-Trio qualifizierte sich zudem für das Einzelfinale mit der Kür. Gescheitert ist Einzelstarterin Anabel Balkenhol (Rosendahl) mit Dablino.
Ob es mit dem als Wunderpferd bezeichneten Hengst Totilas, der wegen der Erkrankung seines Reiters Matthias Rath ausgefallen ist, wieder zu Gold gereicht hätte? «Das ist rein hypothetisch», antwortete Funktionär Roeser: «Was wäre wenn - das ist jetzt müßig.» Mit der Form der EM 2011 in Rotterdam, so viel ist klar, hätten Rath und Totilas in London den Sieg auch nicht retten können.