Foto: Pieter Devos mit Candy - Fotograf: Rolex Grand Slam/Michael Strauch
Er ist der erste Reiter, der Pferdesportgeschichte schreiben kann: Der Belgier Pieter Devos hat nach seinem Erfolg beim Spruce Meadows `Masters´ beim morgen beginnenden CHI Genf als erster Springreiter einen Bonus beim Rolex Grand Slam der Springreiter zu gewinnen. Bei einem Sieg im Rolex Grand Prix wären ihm 500.000 Euro zusätzlich zum Preisgeld sicher, bei einem weiteren Erfolg im kommenden Jahr beim Roelx Grand Prix des CHIO Aachen, würde er insgesamt eine Million gewinnen. Vor allem aber wäre er eine Legende des Sports. Wir unterhielten uns mit ihm über Calgary, Genf und seine Gefühlslage.
Wie hat es sich angefühlt, Steve Guerdat und Penelope Leprevost bei einer der härtesten Springprüfungen der Welt, dem CN International Grand Prix präsentiert von Rolex beim Spruce Meadows `Masters´ zu schlagen?
Überragend. Ich konnte es bis zuletzt nicht glauben, Steve ist Olympiasieger, einer der besten Reiter der Welt. Erst als ich Steve neben mir in der Siegerehrung gesehen habe, da wusste ich: Es ist wahr. Für mich natürlich der großartigste Tag in meiner bisherigen sportlichen Karriere.
Wie hat sich Ihr Leben durch den Erfolg verändert?
Es sind viele Türen aufgegangen, es gibt Einladungen zu Turnieren, bei denen ich früher nicht so einfach starten konnte. Die Medien interessieren sich stärker für mich, das hat einen wirklichen Karriereschub bedeutet.
Gab es zuhause eine Party?
Ja, tatsächlich haben wir zum allerersten Mal nach einem Sieg in einem Großen Preis eine kleine Party gemacht. Normalerweise bist Du direkt auf das nächste Turnier, den nächsten Start fokussiert, das Leben geht ja weiter. Aber dieses eine Mal durfte sich die Erde ruhig ein bisschen langsamer drehen und einige meiner Freunde haben gesagt: Dieses Mal wird gefeiert. Sie haben Recht gehabt (lacht).
Wie haben Sie die Atmosphäre in Calgary erlebt?
Es war mein erster Start dort, der erste Einritt in dieses Stadion war unfassbar, nicht zu beschreiben. Das ist kein Reitplatz, das ist ein Park, riesengroß. Eine unglaubliche Erfahrung. Im Grand Prix haben mich die Zuschauer dann sensationell unterstützt. Schon vorher haben alle gesagt, es sei unglaublich, ich habe dann immer jaja gesagt (lacht). Und jetzt? Ich sage Ihnen: Es ist unglaublich (lacht). Für mich war es übrigens noch aus einem anderen Grund etwas Besonderes, dort zu gewinnen: Ich habe mein Pferd „Candy“ selber ausgebildet und viele haben uns nicht zugetraut, auch einen schweren Grand Prix zu gewinnen. Denen haben wir es aber gezeigt (lacht).
Erzählen Sie ein bisschen von Candy.
Sie ist super klar im Kopf und hat sich rasant entwickelt. Binnen kürzester Zeit konnten wir von 1,20 Meter-Sprüngen auf 1,40 Meter wechseln. Und sie ist unglaublich aufmerksam und vorsichtig und will für mich immer alles geben – das ist das Wichtigste.
Werden Sie mit ihr auch beim CHI in Genf starten?
Ich denke schon. Ich bin in der glücklichen Situation, dass ich mit „Dream of India Greenfield“ noch ein Pferd habe, das in den ganz großen Prüfungen starten kann, aber für Genf werde ich wohl auf Candy setzen.
Was spricht für Candy?
Die Halle in Genf ist sehr groß und die Stute braucht viel Platz, das kommt ihr entgegen. Deswegen wird sie wohl erste Wahl für den CHI Genf sein.
Wie schätzen Sie Ihre Chancen ein?
Leicht wird es nicht werden (lacht). Im Ernst: Es sind die besten Reiter der Welt am Start und alle wollen sie gewinnen – Ich hingegen bin noch ziemlich jung, habe wenig Erfahrung mit solchen großen Hallenturnieren. Aber so war es vor Spruce Meadows auch, warum soll es also nicht wieder funktionieren? Lass´ uns ruhig ein bisschen optimistisch sein.
Sie können Geschichte schreiben…
…und als erster Reiter den Rolex Grand Slam gewinnen. Eine Super-Geschichte, die das ganze allerdings nicht einfacher macht. So richtig entspannt werde ich sicher nicht im Sattel sitzen, da ich weiß, dass sich viele Augen zusätzlich auf mich richten werden. Aber das gibt noch einmal eine Portion Extra-Motivation.
Denken Sie viel darüber nach?
Ich versuche, es so ein bisschen zu verdrängen. Es ist eine der spannendsten, vielleicht sogar die spannendste Geschichte, die der Pferdesport derzeit schreibt. Der Rolex Grand Slam steht ja nicht nur für die Möglichkeit, sehr viel Geld gewinnen zu können. Man kann auch in die Geschichte eingehen. Klar ist es großartig, dass ich diese Chance habe. Aber keine Frage: Der Druck ist auch gigantisch.
Wie bewerten Sie den Rolex Grand Slam?
Er tut dem Sport sehr gut. Für uns Reiter ist er eine große zusätzliche Motivation, aber der Rolex Grand Slam ist viel mehr, da er viel Aufmerksamkeit bringt. Bei den Fans, den Medien, bei Allen, die den Sport begleiten.
Sie sind Profi-Reiter, aber Sie sind nicht nur auf den Sport angewiesen…
Ich arbeite noch in der Firma meiner Eltern mit, wir produzieren und exportieren Obst auf unserem Hof in Beekkevoort in Belgien…
…wo Sie auch trainieren?
Ja, wir sind gerade in unsere neue gebauten Stallungen umgezogen. Es ist ein neu errichteter Komplex mit großem Reitplatz, einer Halle und 40 Boxen. Das sind Top-Bedingungen. Ein wichtiger Punkt ist für mich übrigens auch, dass meine Freundin dort mitarbeitet und den Stall managt. Auch mein Bruder und meine Schwägerin reiten, wir sind ein echtes Familien-Team. Und die Firma macht uns auch ein bisschen unabhängig, so dass wir gute Pferde auch einmal behalten können.
Reiten auf Top-Niveau, einen neuen Stall bauen, Mitarbeit in der elterlichen Firma…
…langweilig war es nicht gerade in den letzten Monaten und Jahren. Aber seien wir doch mal ehrlich: ich bin jung und habe Super-Möglichkeiten. Die muss man packen und nutzen, und genau das tue ich.
Wie sind Sie zum Pferdesport gekommen?
Bereits meine Eltern hatten Pferde, da lag es nahe. Mein erstes Pony hieß Moonjump, es hatte nicht gerade einen angenehmen Charakter. Ich weiß gar nicht mehr, wie oft ich runtergefallen bin, so dass meine Eltern es verkaufen wollen. Aber das wollte ich auf keinen Fall. Am Ende habe ich sicher viel von Moonjump gelernt.
War schon mit Moonjump klar, dass Sie Springreiter werden möchten?
Oh ja, ich wollte immer nur springen, von der ersten Sekunde an, die ich in einem sattel saß, habe ich das gewusst. Meine Eltern sind auch Springreiter, das war überhaupt nie eine Frage.
Ihre Entwicklung ist sehr kontinuierlich, es geht stetig bergauf. Gibt es das eine große Ziel oder den großen Plan in Ihrem Leben?
Die Dinge einfach auf mich zukommen zu lassen, ist definitiv nicht meine Strategie. Wenn ich in den Parcours gehe, ist mein Plan ganz simpel: Ich will gewinnen. Wenn Du nicht immer versuchst, zu gewinnen, dann klappt es auch nicht. Das große Ziel? Bei Olympischen Spielen dabei zu sein, das wäre super.
Was ist Ihre herausragende Eigenschaft?
Ich hatte nie ein fertiges Pferd, auf das ich mich nur noch draufsetzen musste. Bei Autos würde man wohl sagen: Ich bin nie Automatik gefahren. Ich habe alle Pferde immer selber ausgebildet. Wenn Sie nach einer herausragenden Eigenschaft fragen, dann sicher die, dass ich mit unterschiedlichsten Pferden klarkomme – indem ich mich dem Pferd anpasse und nicht umgekehrt. Ich habe nicht das eine System und entweder es passt oder es passt nicht, sondern ich erkenne die Qualität eines Pferdes und arbeite sie heraus. So habe ich bereits einige Pferde in den Top-Sport bringen können.
PM