Motor- und Bandsägen kreischen, starke Motoren brummen, es wird zugeschnitten, gehämmert und geschraubt. Wer in diesen Tagen auf dem Gelände des baden-württembergischen Haupt- und Landgestüts unterwegs ist, sieht es nicht nur, er hört es auch: Die Vorbereitungen für die INTERNATIONALE MARBACHER VIELSEITIGKEIT laufen auf Hochtouren, neue Geländehindernisse entstehen. Geplant werden die Strecken seit mehr als 20 Jahren von Gerd Haiber. Im Interview spricht der renommierte Course Designer über seine „Gelände-Philosophie“ und erklärt, was Pferde und Reiter im Mai in Marbach Neues erwartet.
Herr Haiber, Sie sind Firmenchef und seit 1996 internationaler Parcoursbauer, waren bei fünf Jugend-Europameisterschaften für die Strecken verantwortlich und bauen mit Ihren Teams die Indoor-Kurse in Stuttgart, Stockholm und Salzburg. Und trotzdem investieren Sie nach wie vor und Jahr für Jahr viel Zeit in Marbach? Wird das nicht langweilig?
Ganz und gar nicht. Marbach ist und bleibt für mich etwas Besonderes. In Marbach bin ich ständig auch bei der praktischen Umsetzung meiner Pläne anwesend, Wochenende für Wochenende. Da engagiert sich eine bunt gewürfelte Truppe im Alter zwischen zwölf und 80 Jahren. Das ist einfach einzigartig. Über die Jahre sind da auch wertvolle Freundschaften entstanden. Man muss auch keinen bitten, es halten und helfen einfach alle zusammen.
Es ist also die menschllche Komponente, die Sie an Marbach bindet?
Auch, aber nicht nur. In Marbach kann ich meine Vision vom Geländestreckenbau verwirklichen. Und wo hat man als Gelände-Parcourschef schon die Chance, Kurse über einen derart langen Zeitraum immer weiter zu entwickeln?
Jeder gute internationale Gelände-Parcourschef hat seine eigene Handschrift. Sie sind dafür bekannt, eher „naturnah“ zu bauen. Ist das im Trend?
Stimmt, „naturnah“ zu bauen ist mir wichtig. Ich verstehe darunter, dass sich eine Strecke in die Landschaft einfügt, dass die Gegebenheiten des jeweiligen Terrains genutzt werden. Das gibt meinen Strecken möglicherweise einen etwas rustikalen Touch. Was heute oft gemacht wird – jede Menge kleinerer, transportabler Hindernisse auf eine Wiese zu stellen – ist zwar geeignet, technische Aufgaben bei Pferd und Reiter abzufragen, aber es ist nicht das, was ich mir unter einer auch optisch ansprechenden Strecke vorstelle. Viele solcher Kisten sind Fremdkörper in der Landschaft, die Kurse wirken sehr schnell künstlich und sind für Zuschauer wenig ansprechend.
Das bedeutet aber natürlich nicht, dass wir in Marbach „old-fashioned“ bauen. In Sachen Sicherheit für Reiter und Pferd beispielsweise machen wir keine Kompromisse. Wir konstruieren Hindernisse nach neuesten Erkenntnissen und verwenden moderne Sicherheitssysteme, um Stürze möglichst zu vermeiden.
Ein CIC3* als erster Saisonhöhepunkt im Turnierkalender der internationalen Vielseitigkeitsszene, die internationale Pony-Vielseitigkeit auf Zwei-Sterne-Niveau, CIC* und CCI* mit Landesmeisterschaft und Junioren-Nationenpreis – heißt das, Sie bauen vier Strecken?
Nein, da gibt es Überschneidungen in der Streckenführung, aber drei komplette Strecken bauen wir in der Tat. Insgesamt sind es rund 100 Hindernisse. Da diese überwiegend aus Holz sind und entsprechend verwittern, halten die Hindernisse nur etwa vier Jahre. Transportable Hindernisse, die unter Dach gelagert werden können, haben natürlich eine längere Halbwertszeit. Das heißt, 15 bis 20 Hindernisse entstehen Jahr für Jahr neu, damit nicht irgendwann alle gleichzeitig erneuert werden müssen. Die ständige Neuentwicklung von Hindernissen in dieser großen Zahl ist auch eine schöne Herausforderung, denn natürlich habe ich eine Vision, weiß, wie ich die Strecken weiterentwickeln möchte. Und Jahr für Jahr kann ich die Weichen ein bisschen mehr in diese Richtung stellen.
Marbach macht immer auch mit sehr spektakulären Hindernissen von sich reden. Im vergangenen Jahr gingen die Fotos eines riesig dimensionierten, auf einer Spitze stehenden Bilderrahmens um die Welt. Womit überraschen Sie in diesem Jahr?
Alles verrate ich natürlich noch nicht, aber es werden sicher wieder einige Highlights geschaffen. Beispielsweise hat das Sturmtief Friederike einen Baum entwurzelt, den ich direkt an der Stelle, an der er gefallen ist, in die Strecke integrieren möchte. Derzeit tüfteln wir noch daran, wie man den Wurzelballen so präparieren kann, dass man ihn als Sprung mit dahinterliegendem Graben nutzen kann. Das könnte ein sehr interessantes Hindernis werden. Und „naturnäher“ geht es nun wirklich nicht.
PM