Mittendrin im Rolex Grand Slam - Interview mit Tony Stormann

Foto: Tony Stormanns - Fotograf: Rolex Grand Slam - Helen Cruden

Foto: Tony Stormanns - Fotograf: Rolex Grand Slam - Helen Cruden

Tony, Sie gehören zu den größten Nachwuchstalenten im Springreiten. Würden Sie uns verraten, wie alles angefangen hat?

Als ich das erste Mal auf einem Pferd gesessen habe, war das auf dem Schoß meines Vaters beim Cavalettitraining bei uns zu Hause. Mit etwa vier oder fünf Jahren habe ich mein erstes Pony bekommen, hatte damals aber noch Angst, über die Reitbahn zu galoppieren. Ich habe mit Dressurprüfungen angefangen, aber immer gejammert, weil ich darin überhaupt nicht gut war. Irgendwann schlug meine Mutter mir vor, stattdessen mal Springen auszuprobieren, und das war der Wendepunkt.

 

Ich bin nie bei Championaten für Ponys angetreten und mit elf Jahren habe ich ganz aufgehört, Ponys zu reiten. Da habe ich mein erstes Großpferd bekommen und  angefangen, in den höheren Prüfungen anzutreten – meine ersten 1,40-Meter-Turniere, Regionalmeisterschaften, Nationenpreise, Europameisterschaften und so weiter. Dann bin ich nach Amerika gegangen und ab da ging es richtig los. Vergangenen Winter durfte ich sogar an ein paar nationalen Grands Prix teilnehmen und hatte sogar das Glück, einen davon zu gewinnen.

 

Von all meinen bisherigen Erfolgen bedeutet mir der Sieg bei der Deutschen Meisterschaft im vergangenen Jahr wohl am meisten. Das war, glaube ich, der bisher größte Augenblick meiner Karriere.

 

Sie sind mit Pferden aufgewachsen. Gab es einen bestimmten Moment, in dem Sie erkannt haben, dass Sie das zu Ihrem Beruf machen wollten?

Die Erkenntnis kam mir erst relativ spät. Ich habe neben dem Reiten immer auch andere Sportarten betrieben, weil es nicht meine große Leidenschaft war. Ich bin eigentlich bloß geritten, weil meine Eltern es so wollten. Aber eines Tages hat es Klick gemacht. Mir wurde klar, dass es unsinnig wäre, irgendeinen anderen Weg einzuschlagen. Vor mir lag eine unglaubliche Chance und da ich in einem Profistall wohnte, wollte ich einfach 100 Prozent geben. Von dem Augenblick an ergab plötzlich alles einen Sinn und ich habe angefangen, richtig Spaß daran zu haben.

 

Wer hatte bisher den größten Einfluss auf Sie bzw. wer waren Ihre größten Mentoren?

Der Mensch, auf den ich am meisten höre, ist meine Mutter. Sie ist meine Heldin. Sie besitzt diese Gabe, ein Pferd oder einen Reiter schon auf den ersten Blick einschätzen zu können. Das ist phänomenal. Was andere Reiter angeht, finde ich es faszinierend, Rolex-Markenbotschafter Richard Vogel zu beobachten und von ihm zu lernen. Ich bewundere seinen Stil und seine Herangehensweise wirklich sehr.

 

Das Reiten hat einen hohen Stellenwert in Ihrem Leben. Was bedeutet das für Sie im Hinblick auf Ihren Alltag und darauf, was Sie anderen mit auf den Weg geben möchten, je weiter Sie in diesem Sport vorankommen?

Für mich geht es in meinem Sportnicht nur darum, was im Parcours passiert, sondern auch um alles, was zu Hause passiert. Sich auf ein Turnier vorzubereiten, bedeutet mehr als im Training mal eben schnell eine 1,60-Meter-Runde zu absolvieren. Es erfordert wochenlange Arbeit – die Pferde zu trainieren, die Reitbarkeit zu verbessern und sowohl sich selbst als auch das Pferd mental vorzubereiten. In der Reitkunst dreht es sich nicht um die ca. 70 Sekunden im Parcours, sondern um die Monate davor, in denen man jeden einzelnen Tag an der Verbindung und dem Vertrauen zwischen Pferd und Reiter arbeitet.

 

Der CHIO Aachen ist das zweite Major des Rolex Grand Slam of Show Jumping des Kalenderjahres. Können Sie uns erklären, welche Bedeutung diese Veranstaltung für Sie hat?

Abseits der Meisterschaftsturniere ist dieser Grand Prix wahrscheinlich derjenige, der am schwersten zu gewinnen ist und die größte Bedeutung hat. Der Rolex Grand Prix beim CHIO Aachen ist eine der härtesten und spektakulärsten Prüfungen in unserem Sport. Selbst für Nachwuchsreiter wie mich, die beim CHIO Aachen in den kleineren Prüfungen antreten, ist es ein magisches Gefühl, einfach nur dort zu sein. Ich bin damit groß geworden, jedes Jahr meinen Lieblingsreitern dort zuzusehen. Manchmal, weil meine Mutter einen Schüler oder eine Schülerin hatte, die dort angetreten sind, und manchmal einfach nur, weil ich Lust hatte hinzugehen, ob mit Freunden, meinen Eltern oder auch alleine. Letztes Jahr durfte ich zum ersten Mal dort mitreiten, und ich glaube, ich war echt aufgeregter als 2022 bei meinem Sieg bei den FEI Europameisterschaften im Springreiten in der Altersklasse der Children!

 

Der Rolex Grand Slam of Show Jumping repräsentiert das höchste Niveau dieses Sports. Was bedeutet er für Sie als Nachwuchsreiter?

Der Rolex Grand Slam of Show Jumping ist die ultimative Herausforderung. Er verlangt dem Reiter alles an Erfahrung und an Geschick im Umgang mit den Pferden ab und den Pferden wiederum alles an Beständigkeit und Potenzial. Der einzige Reiter, der den Titel je gewonnen hat, ist Rolex-Markenbotschafter Scott Brash, und was er erreicht hat, ist einfach unglaublich. Wie viel Arbeit und Fokus das erfordert haben muss, und wie er sich gefühlt haben muss, als ihm klar wurde, dass er es geschafft hatte – das kann ich mir nicht mal ansatzweise vorstellen.

 

Wie sehen Ihre Ziele für die nächsten Jahre aus? Gehören die Majors des Rolex Grand Slam of Show Jumping dazu?

In dieser Saison steht in zwei Wochen die FEI Europameisterschaft im Springreiten an und danach habe ich das Glück, dass ich mit meiner Mutter und einigen ihrer Schüler zur Major League fahren darf. Auf lange Sicht würde ich gern auf höchstem Niveau für mein Land antreten und an den Majors des Rolex Grand Slam of Show Jumping teilnehmen. Im Augenblick versuche ich einfach, mich entsprechend meines Plans stetig weiterzuentwickeln, und hoffe, dass ich meine Ziele irgendwann verwirklichen kann.

 

Für welche Sportarten außer dem Springreiten interessieren Sie sich?

Fußball mag ich sehr. Ich verfolge nicht jeden Tag die Bundesligaergebnisse, aber wenn ein Spiel stattfindet, sehe ich es mir, wenn möglich, immer gern an – mit Freunden oder auch, wenn ich bei einer Veranstaltung bin. Ich habe früher auch viel Volleyball gespielt, vor allem zwischen meinem dreizehnten und fünfzehnten Lebensjahr. Als ich die Schule gewechselt und anfangen habe, mehr zu reiten, habe ich nicht mehr so viel gespielt, weil das Reiten dann Vorrang hatte. Ich habe es aber nicht vermisst.

 

Welchen Rat würden Sie hoffnungsvollen anderen Nachwuchsreitern geben, die eines Tages gerne in Ihre Fußstapfen treten würden?

Ich glaube, eine der wichtigsten Lektionen für Nachwuchsreiter – und eine, an der ich selbst noch arbeite – ist Geduld. Man muss Geduld mit sich selbst haben, mit dem Weg, den man eingeschlagen hat, und vor allem mit den Pferden.

 

Quelle: Rolex

 

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