Antrag des Deutschen Pferdesports: Senkung der Mehrwertsteuer auf 7% für Leistungen pferdehaltender Betriebe und Reitunterricht

Liebe Mitglieder,

auf Initiative der BBR und mit Unterstützung der FN haben wir nachfolgendes Schreiben an den Bundesfinanzminister gesendet. Es wurde vom Vorsitzenden der BBR, Burkhard Jung und vom Präsidenten der FN, Breido Graf zu Rantzau unterschrieben.

 

Antrag des Deutschen Pferdesports: Senkung der Mehrwertsteuer auf 7% für Leistungen pferdehaltender Betriebe und Reitunterricht

 

Sehr geehrter Herr Minister,

 

bitte gestatten Sie uns, dass wir uns heute direkt an Sie wenden.

 

Die Bundesvereinigung der Berufsreiter (BBR) im Deutschen Reiter- und Fahrerverband e.V. (DRFV), ist die bundesweite Interessenvertretung des Berufes Pferdewirt/Pferdewirtschaftsmeister. Die Deutsche Reiterliche Vereinigung e.V. (FN) ist der Bundesverband für Pferdesport und Pferdezucht. Wir haben die von Ihnen und den jeweiligen Landesregierungen erlassenen Einschränkungen in vollem Umfang anerkannt und verantwortungsbewusst umgesetzt. Die Gründe der Politik sind nachvollziehbar  und verantwortungsvoll.

 

In schwierigsten Zeiten Solidarität zu zeigen und zu leben ist für uns Pferdesportler in FN und BBR das zentrale Fundament für ein vertrauensvolles Miteinander.

 

Nach über sechs Wochen des kompletten Stillstands, bei gleichbleibendem Kostenapparat sind die wirtschaftlichen Folgen für die über 3.500 Pferdebetriebe und über 7.300 Reit- und Fahrvereine in Deutschland existenzbedrohend.

 

Die Pferdebranche
3,89 Millionen Menschen bezeichnen sich als Reiter*innen. 1,25 Millionen betreiben diese Sportart intensiv. Davon sind fast 700.000 Menschen in Vereinen organisiert. In Deutschland ist für mehr als 10.000 Firmen, Handwerksbetriebe und  Dienstleistungsunternehmen das Pferd - direkt oder indirekt - Hauptgeschäftsgegenstand ihrer Geschäftstätigkeit.

 

Der Umsatz der deutschen Pferdewirtschaft liegt bei geschätzten 6,7 Milliarden Euro. Darunter entfallen 39 Prozent (2,6 Mrd. Euro) auf den Bereich Pferdehaltung, 61 Prozent (4,1 Mrd. Euro) auf den Bereich Einzelhandel und Dienstleistungen. 300.000 Arbeitsplätze umfasst der wirtschaftliche Betrieb rund um das Pferd. Diese Erhebungen basieren auf der Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse (AWA).

 

Die Pferdesportvereine und -betriebe in Deutschland sowie die Reitschulen mit ihren einzigartigen pädagogisch-sozialen Funktionen leisten einen erheblichen Beitrag zum Gemeinwohl. Ohne sie wäre ein adäquates Angebot für die pferdeaffine Bevölkerung nicht möglich. Dies gilt in besonderer Weise für jene Bevölkerungsgruppen, die vor dem Hintergrund des demografischen Wandels in Deutschland steigende Relevanz erlangen.

 

Sie führen Kinder, Jugendliche und Erwachsene an die verschiedenen Sparten des Pferdesports heran, bilden sie aus und geben ihnen die nötige Unterstützung und das Gefühl, zu einer Gemeinschaft zu gehören. Hierzu gehört auch das therapeutische Reiten - die pferdegestützte Förderung und Therapie sowie der Pferdesport für Menschen mit Behinderung. Des Weiteren stellen Vereine die Basis des organisierten Pferdesports inklusive dessen wettkampfsportliche Ausrichtung dar und sind Anlaufpunkt für große und kleine Pferdefreunde.

 

Struktur der Pferdebetriebe
Neben den Vereinen werden Pferdebetriebe auch als Gewerbe oder landwirtschaftliche Betriebe geführt. Der Betriebszweig der Pferdebetriebe, der die oben angegeben Leistungen erbringt, ist heterogen und besteht im Wesentlichen aus

  1.     der Pferdepensionshaltung (Unterbringung und Versorgung von Pferden)
  2.     Reitschulen (Schulung im Umgang mit dem Pferd und dem Reiten für Menschen ohne eigenes Pferd)
  3.     direktem Unterricht und Ausbildung der Pferde für die Pferdebesitzer
  4.     Pferdezucht und Handel

 

Wirtschaftliche Folgen der Corona-Krise

Betrachtet man die derzeitige Kosten-und Umsatzentwicklung der Pferdehaltung wird deutlich, wie stark die Wirtschaftlichkeit der Betriebe gefährdet ist. Die Versorgung und Bewegung der Pferde muss weiter aufrechterhalten werden, womit Einsparungen von Arbeitskräften entfallen. Zusätzlich melden sich Kunden von Reitsportangeboten ab, die Nachfrage an Pensionspferdeboxen sinkt deutlich aufgrund der stetig wachsenden Verunsicherung der Bevölkerung.

 

Vor allem Reitlehrer*innen, ob freiberuflich tätig, angestellt oder als Arbeitgeber mit eigener Reitschule erleiden derzeit mit Abstand den größten wirtschaftlichen Schaden.

 

Im Einzelnen:

  1.  Pferdepension: Die Aufnahme von Pensionspferden ist das wichtigste Angebot der Pferdebetriebe in Deutschland: Rund drei Viertel nimmt fremde Pferde     gegen ein Entgelt auf. Hier sind stark einbrechende Umsätze zu verzeichnen. Hinzu kommt die derzeitige Trockenheit, die die Beschaffung von Futter extrem schwierig machen wird. Diese (Futter-) Kosten werden voraussichtlich zwischen 100 bis 200% steigen. Die Kombination aus Kostensteigerung und Umsatzeinbußen gefährdet die Wirtschaftlichkeit stark.
  2.  Reitschulen: Den fast unveränderten Kosten steht ein kompletter Einnahmeausfall gegenüber, zumal viele Ausbilder als (Solo-)Selbständige oder auf Basis von geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen (€ 450) arbeiten. Reine Reitschulen können in der Regel aufgrund von Rücklagen maximal 2 Monate überleben. Viele Betriebe stehen schon jetzt vor der Frage, wie die Ernährung der Tiere gesichert werden kann. Hier kommen wir auch an die Grenzen des Tierschutzgesetzes.
  3.  Unterricht für die Pferdebesitzer und Ausbildung der Pferde: auch hier ist ein totaler Einnahmeausfall zu verzeichnen, der Sportunterricht ist aufgrund von „Corona-Verordnungen“ untersagt.
  4.  Pferdezucht und Handel: Der Absatz von Pferden ist aufgrund der wirtschaftlichen Verunsicherung eingebrochen.

 

Forderung / Hilfestellung für die Betriebe
Seit Jahren ist die Umsatzbesteuerung der Pferdepension mit 19% für gewerbliche Pferdebetriebe und Vereine ein großes Thema, das durch die Coronakrise zunehmend wieder in unseren Fokus gerät.
Vor dem Hintergrund der oben beschriebenen, drastischen negativen wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Pferdebetriebe, wäre eine Senkung der Umsatzbesteuerung von 19 % auf 7 % für die

  •     Pensionspferdehaltung
  •     Reitschulen (außer bei Vereinen / e.V.)
  •     Unterricht und Ausbildung von Pferden und Menschen
  •     Pferdehandel (soweit nicht pauschalierende Landwirte)

ein Faktor, der erheblich zur Milderung der wirtschaftlichen Krise beitragen könnte.

 
Die derzeit freigegebenen Soforthilfen verschaffen bei weitem nicht die Möglichkeit, Insolvenzen zu entkommen. Viele soloselbständige Reitlehrer können nicht von den Soforthilfen partizipieren.

 

Die Aufnahme von Krediten ist nur dann eine hilfreiche Lösung, wenn die Betriebe, trotz geringerer Umsätze eine stabile Wertschöpfung erhalten. Dies kann durch eine Verringerung der Umsatzsteuer für pferdehaltende Betriebe von 19 % auf 7 %, gelingen. Gleiches gilt für den Reitunterricht und die Ausbildung.

 

Diese Maßnahmen könnten die Betriebe am Leben erhalten und Insolvenzen vermeiden.

 

Sehr geehrter Herr Minister Scholz, wir sind Ihnen sehr verbunden und dankbar, wenn Sie unser Anliegen in den weiteren Beratungen berücksichtigen.

 

Mit freundlichen, pferdesportlichen Grüßen

 

und bitte bleiben Sie gesund!

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