Der Vorstand ist zweifellos zerstritten, Indiskretionen und lancierte Behauptungen führen zu Schlammschlachten in den Social Media, Dr. Werner Schade soll seines Amtes als Geschäftsführer enthoben und bei der Delegiertenversamnmlung am 11. April in Verden über eine Flut von Anträgen entschieden werden... Jetzt stellt sich Vorstandsmitglied Ralf Wagner Fragen zu den aktuellen Vorkommnissen beim weltgrößten Warmblutzuchtverband.
Herr Wagner, macht es denn derzeit noch Freude, Vorstandsmitglied des Hannoveraner Verbandes zu sein?
Meine Wahl vor zwei Jahren hat mich mit Stolz erfüllt und es hat mir in der Tat Freude gemacht, an der Verbandsarbeit mitzuwirken. Verstimmungen innerhalb des Vorstands gab es schon zu Beginn meiner Tätigkeit, aber man hat immer wieder die Kurve gekriegt und dann auch wieder konstruktiv zusammengearbeitet. Im vergangenen halben Jahr hat sich die Situation allerdings zugespitzt und eine völlig neue Stufe der Eskalation erreicht, sodass das Amt zunehmend belastend ist. Belastend auch deswegen, weil innerhalb des Vorstands nichts beredet werden kann, ohne dass einzelne Aspekte – teils aus dem Zusammenhang gerissen oder verfälscht – noch am Sitzungstag in den Social Media lanciert werden. Dieser Zustand lähmt geradezu.
Die Gespräche innerhalb des Vorstands sollten vertraulich sein und Ergebnisse unabhängig von der eigenen Meinung mitgetragen werden. Dass nach außen getragen wird, welches Vorstandsmitglied angeblich was geäußert und wie abgestimmt hat, widerspricht meiner Auffassung von Demokratie, deren Grundgedanke es nun einmal ist, mehrheitliche Beschlüsse mitzutragen.
Die Vorstände, die dem einen oder anderen nicht passen mögen, werden in der öffentlichen Diskussion dargestellt als intrigante Abnicker, die Besitzansprüche sichern wollen. Das mag für einzelne gelten, mittlerweile werden aber alle so wahrgenommen. Da kann man die Lust an der Vorstandsarbeit in der Tat verlieren.
Können Sie ein konkretes Beispiel nennen?
Ein gutes Beispiel ist der geplante Hotelbau auf dem Rennbahngelände in Verden. Ich finde, es ist eine hervorragende Idee, einen Hotelbetreiber dafür zu begeistern, dort zu bauen. Nach außen wird das nun aber so dargestellt, als wolle der Verband bauen. Ich kann mir nur zwei Möglichkeiten vorstellen, wie derartige Falschinformationen aus dem Kreis des Vorstands an die Öffentlichkeit gelangen: Entweder hat da ein Vorstandsmitglied nicht aufgepasst oder es hat wissentlich die Unwahrheit gesagt – beides ist meiner Meinung nach gleichermaßen skandalös. Man muss sich fragen, welche Absicht dahintersteckt.
Bleiben wir beim Bauvorhaben. Dem Geschäftsführer und Zuchtleiter Dr. Werner Schade wird unterstellt, er wolle sich damit ein Denkmal setzen.
Diese Ansicht kann ich nicht bestätigen. Vielmehr arbeitet Dr. Schade meines Erachtens daran, den Verband in die Zukunft zu führen. Vieles wird an der Person Schade festgemacht. Um Ruhe zu bekommen, wurde ja nun beschlossen, Geschäftsführung und Zuchtleitung zu trennen, Dr. Schade soll zukünftig nur noch Zuchtleiter sein. Aber das Problem ist nicht Dr. Schade. Seine Kompetenz zu beschneiden oder sich von ihm zu trennen, trifft den Kern nicht und wird nichts ändern.
Was ist denn dann das eigentliche Problem?
Ein Problem ist der immense Imageschaden, der sich für den Verband und somit die Züchter jetzt schon negativ auswirkt. Gerüchte, Un- und Halbwahrheiten wurden bewusst gestreut und kursieren – man weiß nicht, wer welches Ziel verfolgt.
Dabei haben wir eine Menge Baustellen, die wir angehen sollten. Die Neuausrichtung und Zukunftsfähigkeit des Verbandes bei sinkender Züchterzahl, die Umgestaltung des Außengeländes, die aus meiner Sicht unbedingt notwendig ist, die Entwicklung neuer Absatzstrukturen und die Steigerung der Effizienz beim Absatz. Anstatt uns um diese Themen zu kümmern, beschäftigen wir uns mit uns selbst und mit Anwaltsschreiben. Und reißen noch dazu eine neue Baustelle auf, indem wir unseren Geschäftsführer entlassen. Und der muss sich mit Dreck bewerfen lassen und kann sich nicht öffentlich wehren, weil er dem Verband als Angestellter Loyalität schuldet und Vorstandsinterna nicht zu kommentieren hat.
Verstehe ich das richtig – Sie sind gegen eine Ämtertrennung?
Abgesehen davon, dass die Diskussion darum in völlig inakzeptabler Weise geführt wird – ja. Wir blicken auf einen erfolgreichen Hengstmarkt zurück. Das Vorhaben, das Rennbahngelände umzugestalten und so jährlich laufende Kosten von 50.000 bis 60.000 Euro zu sparen, ist meines Erachtens ohne Alternative. Das umgestaltete Außengelände würde es uns ermöglichen, internationale Turniere zu veranstalten. Und das hat nichts mit Größenwahnsinn zu tun, wie es gerne dargestellt wird, vielmehr ist die Verzahnung von Sport und Zucht essentiell, um auch in Zukunft am internationalen Markt bestehen zu können. Auch das Bemühen um einen Hotelbetreiber, der nahe der Niedersachsenhalle ein Themenhotel mit Schwerpunkt Pferdesport errichten möchte, ist zukunftsweisend. Das würde den Standort Verden und damit letztendlich auch unsere Absatzveranstaltungen aufwerten. Diese Tür in die Zukunft jetzt zuhalten zu wollen, halte ich für einen großen Fehler. Wir müssen uns die Frage stellen, ob wir ein Verband sein wollen, der auch in Zukunft für seine Züchter Pferde vermarktet, und das auch international, oder ob wir nur noch Pferde registrieren wollen. Dafür allerdings wäre ein Büro genug.
Und noch ein Argument gegen die Ämtertrennung: Sie würde unweigerlich Jahr für Jahr ein zusätzliches Gehalt in nicht unerheblicher Höhe bedeuten.
Apropos Geld. Es wird behauptet, der Hannoveraner Verband sei auch finanziell in einer Schieflage. Mal abgesehen vom angeblich missglückten sogenannten „Iran-Deal“. Sind das nicht Punkte, die dem Geschäftsführer anzulasten sind?
Man wirft Werner Schade auch vor, die Vermarktung habe für ihn einen zu hohen Stellenwert. Dabei ist Hilfe bei der Vermarktung, und zwar auch international, das, was die Züchter wollen und brauchen. In diesem Zusammenhang ist auch das Iran-Geschäft zu sehen. Es ist verständlich, dass die Züchter wissen wollen, was mit ihrem Geld geschieht. Zumal, wenn behautet wird, das Iran-Geschäft sei nicht aufgeklärt worden und 170.000 Euro seien auf der Strecke geblieben. Das ist Quatsch! Es wurden Pferde nicht bezahlt, der Verband ist den gerichtlichen Weg gegangen, bekam erstinstanzlich recht, und das erwarten wir auch von der zweiten Instanz. Dann wird das Urteil vollstreckt. Mal abgesehen davon, dass die beteiligten Züchter ihr Geld bereits bekommen haben.
Wir erheben Gebühren, die in der Höhe mit denen anderer Verbände vergleichbar sind. Aber welcher andere Verband kann das leisten, was der Hannoveraner Verband seinen Züchtern bietet? Wir haben ein tolles Vermarktungszentrum, das ohne Umlagen gebaut werden konnte, bekommen ein ebensolches Außengelände, veranstalten internationale Turniere und unsere Vermarktung ist ebenfalls international aufgestellt.
Und von wegen „pleite“. Man muss sich nur die aktuelle Bilanz anschauen – dort ist zum 31.12.2018 ein Gesamtvermögen von über acht Millionen Euro ausgewiesen. Demgegenüber stehen Verbindlichkeiten in Höhe von etwas über drei Millionen Euro. 2018 wurde ein positives Ergebnis von mehr als 320.000 Euro erwirtschaftet. Was soll der Geschäftsführer also falsch gemacht haben?
Wagen Sie eine Prognose? Wie geht es weiter in Verden? Rauft sich der Vorstand im Sinne eines konstruktiven Miteinanders wieder zusammen?
Ehrlich gesagt, weiß ich nicht wie es weitergehen soll, weil die Vertreter der unterschiedlichen Lager ja kaum noch miteinander sprechen. Nach allem, was in den vergangenen Monaten geschehen ist – und damit meine ich vor allem die bewusst lancierten Unwahrheiten – ist der Riss meines Erachtens nicht zu kitten.
An dieser Situation ändert auch die geplante Strukturreform nichts, die ja unter anderem eine Verkleinerung des Vorstands zum Inhalt hat. Aktuell ist der Vorstand sicherlich zu groß, aber das ist nicht das eigentliche Problem. Auch wenn eine Unterteilung in Vorstand und Aufsichtsrat erfolgt – das würde nichts an den Personen ändern, die nun einmal, salopp formuliert, nicht miteinander können. Mit Sympathie oder Antipathie alleine ist der Kampf mit derartig harten Bandagen übrigens nicht zu erklären. Eigentlich kann es nur darum gehen, sich persönliche Vorteile zu verschaffen. Das aber ist schwer zu durchschauen und selbst mir als Vorstandsmitglied nicht möglich.
Für einen wirklichen Neustart müsste eine Neuwahl des Vorstandes stattfinden. Denn eines ist klar: Mittlerweile geht es nicht mehr um einzelne Personen, der Verband steht auf dem Spiel!
Das Interview führte Michaela Weber-Herrmann.
Zur Person
Ralf Wagner stammt aus einer Züchterfamilie, schon sein Urgroßvater züchtete Pferde mit dem Hessenbrand. Der 42-Jährige ist als staatlich geprüfter Betriebswirt und Bilanzbuchhalter in einer Steuerkanzlei beschäftigt, absolvierte allerdings zunächst eine landwirtschaftliche Ausbildung. Er wuchs auf im hessischen Burgwald auf dem elterlichen Betrieb, der seit vier Generationen im Familienbesitz ist und den er heute im Nebenerwerb zusammen mit seinem Bruder bewirtschaftet. Schwerpunkt der 40 Hektar umfassenden Landwirtschaft ist Ackerbau, Grünland wird nur für die eigenen Pferde genutzt.
Für die Zucht interessierte sich Wagner schon früh. Im Alter von 17 Jahren begann er seine ehrenamtliche Laufbahn bei den Jungzüchtern des hessischen Verbandes, deren Sprecher er wurde. Er gehörte dem Vorstand seines Pferdezuchtvereins an, war nach der Fusion des hessischen mit dem Hannoveraner Verband Jugendsprecher seines Bezirksverbandes und wurde dann dessen Zweiter Vorsitzender. Bei der Delegiertenversammlung vor zwei Jahren in Verden wurde er als zweiter Vertreter Hessens und jüngstes Mitglied in den Vorstand des Hannoveraner Verbandes gewählt. Ralf Wagner züchtet mit einer Hannoveraner Stute von Rotspon-Wolkenstein II.