Foto: Titelseite Reiterjournal 04/2025
Neulich habe ich im Radio einen Historiker gehört, der die aktuelle politische und wirtschaftliche Lage der Nation analysiert hat. Wie wir leider konstatieren müssen, geht es dem Laden Deutschland derzeit so schlecht wie schon lange nicht mehr. Firmenpleiten, Insolvenzen, Entlassungen und alle anderen fiesen Indikatoren einer Rezession liegen auf Rekordniveau. Ähnlich dramatisch stellt sich nur noch der Mangel an Arbeitskräften dar, egal ob vom Fach oder nicht. Diese Kombination ist toxisch und in dieser Konstellation noch nie dagewesen.
Dieser Historiker stellte eine gewagte These auf. Die aktuelle Politiker-Generation sei die erste in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, die nie selbst einen Krieg erlebt habe. Die Kreativität, die Krisensicherheit, der Mut, die verzweifelte Kraft, das „Jetzt-erst-recht!“, die Entschlossenheit, die Leidensfähigkeit und die – heutzutage sagt man – Resilienz dieser Generation habe den Wirtschaftswunder-Aufstieg unserer Nation erst möglich gemacht. Ich würde diese Analyse als schonungslos bezeichnen, aber auch als zynisch. Denn das heißt ja, es müssen erst Menschen leiden oder sogar sterben, wenn es hinterher wieder vorangehen soll. Aber irgendwie ist ja etwas dran.
Sprichwörter und Mythologien, bei denen Phönix aus der Asche steigt, sind ja kein Humbug. Sie sind Philosophie und Lebensweisheit. Und die Tatsache, dass es uns jetzt seit über 70 Jahren eigentlich immer besser geht, hat uns als Leistungsgesellschaft sicher nicht beflügelt. Nicht einmal glücklich gemacht. Im Gegenteil. Was wir am besten können, ist jammern und klagen.
Was hat das jetzt mit uns Reitern zu tun? Wenn das Sprichwort gilt, dass man erst fallen muss, um wieder aufstehen zu können, dann trifft das auf die Reiter in besonderem Maße zu. Jeder kennt das. Das unsanfte Landen auf dem Boden, das Knirschen des Sandes zwischen den Zähnen. Der Zuruf des Reitlehrers: „Aufsitzen, sofort“! Das Zähne-Zusammenbeißen beim Aufsteigen, das Weitermachen, auch wenn es zwickt. Der Stolz hinterher, wenn man wieder aufgestanden und aufgesessen ist. Von ganz unten nach ganz oben.
Reiter sind darin geübt und geschult, nicht liegenzubleiben, sondern nach oben zu schauen – wo es weitergeht. Das macht sie zu Stützen der Gesellschaft. Wenn dieses Heft erscheint, ist die neue Regierung in Berlin wohl noch nicht gebildet. Es wäre gut, wenn Reiterinnen oder Reiter dabei wären.
Mit reiterlichen Grüßen
Roland Kern
Redaktion Reiterjournal