Eine vielseitige Grundausbildung ist Pflicht

Bericht von der elften FN-Bildungskonferenz

 

Neustadt (Dosse). Nur eine solide und vielseitige Grundausbildung eröffnet heranwachsenden Pferdesportlern vielfältige Möglichkeiten und sollte deshalb von allen Ausbildern ernst genommen werden. Mit diesem Fazit schloss die elfte FN-Bildungskonferenz, zu der die Deutsche Reiterliche Vereinigung diesmal in das brandenburgische Haupt- und Landgestüt Neustadt (Dosse) eingeladen hatte.

 

Schwerpunktthema war bei dieser elften Konferenz die Bedeutung und Aufgabe des Trainers beziehungsweise der Trainer auf dem Weg eines Reiters vom Ponykind bis zum Erwachsenenalter. Rund 400 Teilnehmer folgten den Vorträgen und praktischen Demonstrationen und bestätigten mit ihrer Resonanz die Bedeutung dieser Konferenz für Ausbilder. Den hohen Stellenwert der Konferenz zeigten aber auch die Grußworte, die nicht nur vom FN-Vize-Präsidenten Dieter Medow und der Gestüts-Geschäftsführerin und Gastgeberin Regine Ebert gehalten wurden, sondern auch von Eckart Drewicke als Vertreter der Landesregierung sowie von Prof. Dr. Gudrun Doll-Tepper, Vizepräsidentin des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB). Letztere verwies in ihrer Ansprache auf die zunehmende Digitalisierung, die auch das Lehren und Lernen im Sport erreicht habe und eine wichtige Zukunftsaufgabe aller Sportverbände sei.

 

Kinder spielerisch heranführen

 

Dass zu einer guten Grundausbildung bereits eine gefühlvolle und achtsame Heranführung von Kindern an den Pferdesport gehört, machten schon im Einstiegs-Interview Anne Oppen, Dozentin für Sportpsychologie und Trainerin A Leistungssport, Jessica Lichtenberg, Voltigiermeisterin und Trainerin A Voltigieren, und Henning Müller, ehemaliger Cheftrainer und stellvertretender Fachschulleiter des Brandenburgischen Haupt- und Landgestütes, im Gespräch mit Moderator Christoph Hess deutlich. »Bei vierjährigen Kindern geht es nicht darum, sie möglichst schnell aufs Pony zu setzen«, erklärte Anne Oppen. »In Zweiergruppen kümmern sie sich bei uns zunächst spielerisch um je ein Pony und helfen sich dabei gegenseitig. In dieser Zeit muss der Trainer die gesamte Persönlichkeitsentwicklung der Kinder sehen und sie ganzheitlich betreuen.«

 

Mögliche Wege der Heranführung an den Pferdesport vertiefte in ihrem Vortrag Sportwissenschaftlerin Dr. Meike Riedel, unterstützt und ergänzt von Pferdewirtschaftsmeisterin Lina Sophie Otto und Fahrsportexperte Ronny Weigang. Riedel stellte klar heraus, dass sich durch eine veränderte Bewegungswelt bei Kindern in den letzten Jahren deutliche Defizite bezüglich Körperhaltung, Koordinations- und auch Konzentrationsfähigkeit eingestellt haben und viele Kinder heute unter Bewegungsmangel leiden. »Bewegung fördert aber neue Verschaltungen im Gehirn und ist ein wichtiger Teil der Hirnentwicklung. Dabei ist der Zuwachs bis zu einem Alter von rund zwölf Jahren am höchsten.« Sie wies darauf hin, dass diese Erkenntnis auch von Pferdesportausbildern im Kinder- und Jugendbereich beachtet werden müsse und betonte die Wichtigkeit einer variantenreichen Heranführung ans Pferd und einer vielseitigen Basisausbildung.

 

Altersgerechter Reitunterricht

 

Wie diese Basisausbildung vor allem im Hinblick auf altersgerechten Reitunterricht aussehen kann, arbeitete Lina Sophie Otto, Mitarbeiterin in der FN-Abteilung Ausbildung und Wissenschaft, heraus. Gerade im Kindergartenalter sollten die Schwerpunkte zunächst bei der Schulung von Gleichgewicht und Losgelassenheit liegen, bei der Förderung von Bewegungsfreude und Bewegungserfahrungen sowie der Schaffung von Naturerlebnissen. »Auf eine formale Sitzschulung sollte in dieser Zeit noch kein Fokus gelegt werden«, meinte sie und zitierte ein afrikanisches Sprichwort: »Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht.«

 

Für Kinder im Grundschulalter solle der Unterricht zwar immer noch spielerisch sein, aber nun unter anderem auch alle Sitzformen ins Training einbeziehen. Erst im Alter von etwa zehn bis zwölf Jahren seien Kinder länger belastbar und könnten komplexere Anweisungen umsetzen. »Dies ist die Zeit der Entwicklung der Schülerpersönlichkeit und sollte geprägt sein durch eine vielseitige Ausbildung, durch Förderung von Selbstständigkeit, Handlungskompetenz und Verantwortung sowie Erziehung zu Horsemanship.«

 

Wie man als Ausbilder sogar schon die Kleinsten für den Fahrsport gewinnen kann, zeigte Ronny Weigang, selbst begeisterter Fahrer und Tainer A Fahren mit Zusatzqualifikation »Kinderunterricht«. Auch er betonte die Bedeutung vielfältiger und kindgerechter Angebote auch jenseits des reinen Fahrens, um den Spaß am Sport bei den Kindern zu erhalten und sie dauerhaft für diese Disziplin zu gewinnen. Zur Verdeutlichung hatte das Trio immer wieder kleine Filme zu den einzelnen Themen gezeigt, aufgenommen an der Westfälischen Reit- und Fahrschule Münster und bei Weigang in Ludwigsfelde.

 

Um den Schritt vom spielerischen Erfühlen des Reitens hin zum zielgerichteten Training und zur Entwicklung von Hilfengebung und Einwirkung ging es in der Lehr-Demonstration des ehemaligen Leiters der Fachschule an der Hessischen Landesreit- und Fahrschule Dillenburg, Rolf Petruschke. Er arbeitete in kurzen Sequenzen mit vier jugendlichen Reitern unterschiedlichen Niveaus und machte dabei klar, dass die Vermittlung der unterschiedlichen Sitzvarianten sowie die frühe Einbeziehung von Tempo- und Gangartenwechsel wichtige Elemente seien, um Reitschüler zu mehr Sicherheit und Gefühl im Sattel zu verhelfen. »Gefühl, Balance und Angstfreiheit sind die Grundvoraussetzungen für eine sich aus dem reinen Sitzen heraus entwickelnde verbesserte Einwirkung. Als Ausbilder muss man deshalb immer eine Idee haben, wie man was aufeinander aufbaut und wohin der Weg mit dem jeweiligen Schüler führen soll.«

 

Fernziel: Olympische Spiele

 

Wie wichtig ein sinnvolles und weiterführendes Konzept für zielgerichtetes Training ist, stellte Kai Vorberg, Diplomtrainer Reiten und Bundestrainer Bildung, vor. Was in vielen anderen deutschen Sportverbänden bereits gang und gäbe sei, das Vorliegen so genannter Rahmentrainingskonzeptionen, können im Reitsport noch weiter ausgebaut werden. »Die Karriereleiter in unserem Reitabzeichen-System geht in diese Richtung und natürlich auch unsere Fachliteratur und hier vor allem die Richtlinien«, so Pferdewirtschaftsmeister und FN-Mitarbeiter Vorberg. »Aber obwohl gerade in unserem Sport die Ausbildung ja noch viel langfristiger ist als in allen anderen Sportarten, gibt es auch in den Köpfen vieler Ausbilder keine entsprechende übergreifende Konzeption. Ich habe manchmal den Eindruck, dass viele Ausbilder gar nicht erst in Richtung Spitzensport und Olympia denken, sondern den Spaß in den Vordergrund stellen. Spaß an der Sache ist wichtig und soll auch sein - aber es sollte auch jeder Ausbilder durch eine gute Grund- und systematische Weiterbildung seinen Schülern die theoretische Chance bieten, bis ganz nach oben kommen zu können.« Dazu gehöre eine weitsichtige Planung.

 

Die Hinführung zu eigenständigem Training und Entwicklung von Handlungsfähigkeit ist in allen Trainingskonzepten ein wichtiges Thema und wurde eindrucksvoll von Schülern der »Spezialklasse Reitsport« der Prinz von Homburg Schule Neustadt (Dosse) demonstriert. Diese Spezialklasse ist in dieser Form eine absolute Besonderheit. 2009 aus der Idee »Reiten in der Schule« geboren und ins Leben gerufen, haben an dieser Schule rund 100 Internatsschüler von der 7. bis zur 10. Klasse - und auch darüber hinaus - die Möglichkeit, ihren Sport im Rahmen des schulischen Unterrichts zu betreiben. Zur Konferenz präsentierte Lehrertrainerin Dörthe Ewald zwei ihrer Schüler in einer Demonstration der halbjährlich stattfindenden Reittests. Dabei müssen die Schüler selbstständig in Dressur oder Springen ihre Reitaufgabe vorbereiten, reiten und anschließend in einem Gespräch ihre Leistung reflektieren. Bewertet werden sie dabei nicht von ihren Lehrern, sondern von externen Prüfern. Zur Konferenz zeigten dies der 16-jährige Magnus im Parcours und die 15-jährige Jeannette im Dressurviereck. Geleitet wurden sie von Markus Scharmann, Wissenschaftskoordinator bei der FN und selbst Pferdewirtschaftsmeister. »Diese Hinführung zur Selbstverantwortung im Training ist ein ganz bedeutender Schritt auf dem Weg zum mündigen Athleten.«

 

Lehr-Sequenz mit Sandra Auffahrt

 

Scharmann übernahm für den verhinderten Markus Döring auch die abschließende Lehr-Sequenz mit Vielseitigskeits-Weltmeisterin und Olympionikin Sandra Auffahrt, die einen siebenjährigen Schimmelwallach des Landgestüts ritt und auf beeindruckende Weise zeigte, was über die Stellschrauben Gefühl-Können-Wissen-Training - so auch der Titel ihrer Demonstration - alles möglich werden kann. Dass Sandra Auffahrt eine vielseitige reiterliche Ausbildung genossen hat, konnte man dabei deutlich erkennen. Schnell hatte sie sich auf das ihr bis dato völlig fremde Springpferd eingestellt, arbeitete in großer Ruhe an der Verbesserung kleiner Feinheiten, immer im Zwiegespräch mit Markus Scharmann. Zu einem zuvor eingespielten Film, der ihren ästhetisch schönen und mit Platz drei auch von Erfolg gekrönten ersten Derby-Ritt auf ihrer Stute La Vista zeigte, hatte sie erklärt, wie und wie lange sie sich und ihr Pferd auf diesen ganz speziellen Parcours vorbereitet hatte. Einen besseren Beweis systematischen Trainingsaufbaus konnte es nicht geben.

 

Bevor es zum Abschluss der diesjährigen Bildungskonferenz traditionell an die Verleihung der Lütke-Westhues-Auszeichnungen für Ausbilder mit besonders guten Prüfungsleistungen ging und diesmal auch noch die Gewinnerin des Trainerassistenten-Wettbewerbs »start-you-up«, Franziska Kopp mit dem Projekt Bambini-Reiten, geehrt wurde, hatten Thies Kaspareit, Leiter der FN-Abteilu

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