Foto: Titelseite BAYERNS PFERDE Zucht + Sport 07/2024
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
Sodom und Gomorra! In einer Zeit, in der die deutsche Reiterei so viel Führung und Verlässlichkeit bräuchte, wie wohl nie zuvor, steckt der Reiterverband FN in der tiefsten Krise seiner Geschichte. Anfang Mai wurde bekannt, dass im Etat eine gewaltige Lücke klafft. Aber mehr als das: Man hat den Eindruck, jeder schiebt jedem die Schuld in die Schuhe, das Hauptamt dem Ehrenamt – und umgekehrt. Keiner will es gewesen sein. Und überhaupt, es sei ja alles gar nicht so schlimm und die bösen Medien bauschen mal wieder alles auf. Tja.
Um es klar zu sagen: Das Finanzloch ist das deutlich kleinere Problem als die fehlende Bereitschaft der FN-Funktionäre, das System grundsätzlich in Frage zu stellen. Der Verband in Warendorf hat sich in vielen Themen weit von der Basis entfernt; ausgerechnet bei den Sportlern und Veranstaltern, die sich eigentlich gut vertreten fühlen sollten, ist viel Unzufriedenheit zu spüren. Sie empfinden die FN mehr als Belastung statt als Hilfe. Wer mag es ihnen verdenken angesichts einer Flut an Vorschriften und damit entstehender Kosten? Jetzt verlieren jene den Überblick, die ihn ständig von anderen einfordern. Das Dilemma könnte übler nicht sein, dennoch glauben die FN-Funktionäre, alles abwiegeln und aussitzen zu können. Wir haben ein Interview mit dem aus Baden-Württemberg stammenden Finanzkurator Gerhard Ziegler geführt. Sein Tenor: Alles halb so wild. Also weiter so, nur ein bisschen sparsamer? Hoffentlich nicht! Warum spricht niemand aus, was jeder an fünf Fingern abzählen kann: Die FN hat ein gewaltiges strukturelles Problem, das Verhältnis zwischen Einnahmen und Ausgaben driftet immer weiter auseinander. Es hilft nicht mehr, die Symptome zu kurieren. Man muss an die Ursachen! Aber das würde ja weh tun, lieber dreht man sich nochmal um sich selbst. Das alles in einer Situation, in der dem Pferdesport das Wasser bis zum Hals steht. Selbst ernannte Tierschützer, mangelnde Akzeptanz in der Gesellschaft, eine Verteuerung, die Otto Normalverbraucher auszuschließen droht. Wir brauchen jetzt Ärmelkrempler, keine Wundenlecker und Kopf-in-den-Sand-Stecker!
Hoffentlich besinnen sich die Landesverbände nun ihrer Kräfte. Bayerns Gerhard Eck hat schon klare Worte gefunden, gut so! Baden-Württemberg traut sich noch nicht so richtig, sollte aber den süddeutschen Schulterschluss suchen. Wenn jemand die Kraft hat, den Warendorfern den Marsch zu blasen, dann sind es die „Landesfürsten“, die nahe an ihren Pferdeleuten sind. Was die Reiter brauchen, ist – frei nach Luther – eine Erneuerung an Haupt und Gliedern. Nur schade, dass der Karren dazu erst in den Dreck gefahren werden musste. Macht was daraus!
Herzlich, Ihr
Roland Kern
Redaktion BAYERNS PFERDE