Foto: Titelseite Reiterjournal 01/2024
Das kann kein Zufall sein: Es war genau in diesen turbulenten und für den Pferdesport einschneidenden Tagen Ende November, in denen die halbe Welt den Fall Helgstrand diskutierte und sich in der Verwendung des entsetzten Vokabulars stündlich steigerte, da zeichnete das DOKR in Warendorf im Rahmen des Championatsballs erstmals Trainer des Jahres aus. Jetzt kann man sich natürlich fragen, warum erst jetzt? Aber besser spät als nie.
Für Baden-Württemberg wurde diese Premiere zu einer besonderen Wertschätzung, zwei von drei ausgezeichneten Trainern sind hier ansässig: Reitmeister Karl-Heinz Streng und Rüdiger Rau, Pony-Bundestrainer Vielseitigkeit. Diese Wahl hat zweifellos die richtigen Kandidaten erreicht. Sie leben „horsemanship“ (das Englische bietet hier das treffendere Wort). Ausbildung „made im Ländle“. In dieser Weihnachtsausgabe haben wir beide Trainer zu ihren Prinzipien der Ausbildung gefragt (ja, das gibt es noch!). Und beide haben fast identisch geantwortet, ohne sich vorher abgesprochen zu haben. Tenor: Ein guter Ausbilder muss spüren, wo die Grenzen seines Pferdes liegen. Und beide beziehen sich auf die Klassische Deutsche Reitlehre, die ja in diesem Jahr zum immateriellen Weltkulturerbe erhoben worden ist. Ein Andreas Helgstrand (und manch anderer) hat dieses Gefühl offensichtlich verloren, es ist verdeckt vom schnöden Mammon.
Nicht erst mit den Bildern aus Dänemark dürfte es klargeworden sein, dass Millionengeschäfte mit Pferden schnell zu einer toxischen Rezeptur werden können. Wie beruhigend so bodenständige Pferdeleute à la Streng und Rau doch sind. Der Reitmeister lebt seit über 40 Jahren in seinem Häuschen in Mosbach, der Bundestrainer bei seinem Reitstall im Schwarzwald. Das sind Leben für die Pferde, nicht für die Deals mit ihnen. Dass sie Maß und Ziel in der Ausbildung lehren, ist kein Zufall. Es ist Einstellung. Wie geht es nun weiter? Mehr denn je müssen wir die Diskussion auf eine fachliche Ebene zurückholen, auch wenn die Emotionen im ersten Moment Kapriolen schlagen. Aber das Thema eignet sich weder für Stammtische noch für den Boulevard. Wir haben Experten befragt und bemerkenswerte Antworten bekommen. Zum Beispiel, dass „Pferde untereinander durchaus robust kommunizieren“. Oder dass Dressurrichter noch mutiger auf die Kriterien der Losgelassenheit achten müssen, die ohne Pferdewohl gar nicht möglich ist – um die Ausbildung in die richtigen Bahnen zu lenken. Lasst uns im neuen Jahr gemeinsam die richtigen Vorbilder suchen!
In diesem Sinne, im Namen von Redaktion und Verlag, ein gesegnetes Weihnachtsfest und ein gutes Jahr mit zufriedenen Pferden!
Ihr
Roland Kern