Dr. Annette Wyrwoll: „Alle Beteiligten im Blick“

Interview mit der neuen Ausschussvorsitzenden Vielseitigkeit

Der Vielseitigkeitsausschuss des Deutschen Olympiade-Komitees für Reiterei (DOKR) hat eine neue Vorsitzende. Die bisherige Aktivensprecherin Dr. Annette Wyrwoll aus Duggendorf wurde von den Kaderreitern zur Nachfolgerin von Prof. Dr. Jens Adolphsen vorgeschlagen und Anfang Mai von der DOKR-Mitgliederversammlung gewählt. FN-aktuell sprach mit ihr über ihr neues Amt und die Herausforderungen. Sie waren lange Aktivensprecherin. Was macht dieses Amt aus? Dr. Annette Wyrwoll: „Ich war fast 15 Jahre lang Aktivensprecherin, davon die letzten elf Jahre am Stück. Meine Aufgabe dabei war, die Anliegen der Aktiven im Ausschuss anzusprechen und zu vertreten. Das bedeutet, dass ich in den letzten Jahren einen sehr engen Kontakt zu ihnen hatte. Denn ich kann die Interessen ja nur vertreten, wenn die Aktiven auch Vertrauen haben. Sie dürfen keine Scheu haben, offen über alles zu sprechen, auch über Dinge, die eventuell nachteilig für sie sein könnten. Und dass es dann auch in ihrem Sinn im Ausschuss vorgebracht wird.“ Warum jetzt der Vorsitz? Dr. Wyrwoll: „Das Amt der Aktivensprecherin hat mir viel Spaß gemacht. Aber eigentlich wollte ich in diesem Jahr aufhören. Ich dachte, es ist blöd, wenn ich mit fast 70 noch 23-jährige Reiter vertrete. Aber als ich das habe verlauten lassen, haben mich viele gebeten, doch weiterzumachen. Und als Jens Adolphsen bekannt gegeben hat, dass er nicht mehr kandidiert, war es sehr schwierig, einen Nachfolger zu finden. Es gab zwar viele Namen, die wir alle angerufen und kontaktiert haben. Aber die meisten haben abgelehnt. Dann kamen die Aktiven auf mich zu und haben mich letztlich überredet, das Amt zu übernehmen.“ Was ändert sich jetzt? Dr. Wyrwoll: „Bisher habe ich eben vorrangig die Aktiven und deren Interessen vertreten. In meinem neuen Amt werde ich mich noch mehr mit den Anliegen, Wünschen und Herausforderungen der anderen Beteiligten am Sport – Verbände, Veranstalter, Offizielle – befassen. Ich bin nicht mehr der alleinige Anwalt der Reiter, sondern muss noch mehr als bisher den gesamten Sport und dessen Entwicklung im Blick behalten.“ Was haben Sie sich vorgenommen? Dr. Wyrwoll: „In erster Linie möchte ich eine gute Kommunikation. Mein Ziel ist, dass wir gut miteinander und fair umgehen und den Teamgedanken in den Vordergrund stellen. Sportlich gesehen sind immer die nächsten Olympischen Spiele das große Ziel. Auf dem Weg dorthin wollen wir möglichst von allen Championaten mit mindestens einer oder zwei Medaillen nach Hause zu kommen. Besonders wichtig sind dabei die Weltmeisterschaften im kommenden Jahr in Aachen. Wir wollen unseren Sport im eigenen Land im besten Licht dastehen lassen und uns gleichzeitig direkt für Los Angeles zu qualifizieren. Unser Vorteil ist, dass wir in Deutschland ein Turnier- und Ausbildungssystem haben, um das wir weltweit beneidet werden, und auch großartig ausgebildete und reitende Aktive. Was uns fehlt, ist ein entsprechend großer Pool an Championatspferden. Dazu wurde bereits das Projekt „Road to LA“ auf den Weg gebracht. Eine tolle Idee und hochmotivierte Leute, aber wir brauchen noch tatkräftige finanzielle Unterstützer. Das gilt auch für unsere Nachwuchsarbeit. Konzepte wie die Perspektivgruppe haben sich bestens bewährt. Daran müssen wir festhalten, um sicherzustellen, dass junge Leute nachkommen und für eine Kontinuität in unserem Sport sorgen.“ Zur Person: Dr. Annette Wyrwoll aus Duggendorf kennt den Sport in allen Facetten. Sie ist Fachtierärztin für Pferde und FEI-Tierärztin, Pferdewirtschaftsmeisterin Reiten sowie Zucht und Haltung, Vielseitigkeitsreiterin bis Olympische Spiele und seit über 30 Jahren Züchterin, Mitglied der Sportkommission und Widerspruchs-Körkommission im Trakehner Verband sowie gefragte Referentin und Expertin für Gesundheits- und Ausbildungsfragen von Pferden. Wenn auch nicht aus einem Reiterhaushalt stammend, verbrachte Annette Wyrwoll in ihrer Jugend jede freie Minute im Stall. Zur Vielseitigkeit kam sie durch ihren Reitlehrer Adi Jadmich. Da sie kein eigenes Pferd hatte, startete sie mit Pflegepferden und feierte aufgrund des guten Trainings, guten Reitens und guter Fitness schnell erste Erfolge. Später erfolgte die Aufnahme in den Kader, die Teilnahme an Deutschen Meisterschaften und Championaten. 1995 wurde sie zusammen mit dem deutschen Team Vierte bei den Europameisterschaften in Pratoni del Vivaro, vier Jahre später startete sie bei den EM in Luhmühlen. Im Jahr 2000 feierte sie mit der Teilnahme an den Olympischen Spielen ihren größten sportlichen Triumph (als beste Deutsche Platz 19 in der Einzelwertung) und verabschiedete sich danach aus dem großen Sport. Ähnlich zielstrebig wie im Sport verlief auch Wyrwolls berufliche Karriere, auch wenn ihr nach dem Abitur eine Zehntelnote fehlte, um direkt das Studium der Tiermedizin zu ergreife. Also studierte die auch ansonsten sehr sportliche Reiterin (Leichtathletik, Volleyball) zunächst Sport und Mathe auf Lehramt, gab dies jedoch zugunsten der Reiterei auf. Sie legte den Berufsreitertest zu Bereiterin ab und studierte ab 1978 Tiermedizin, was sie nie bereute. „Ich würde jederzeit wieder machen. Der Beruf macht nach wie vor wahnsinnig Spaß, wenn auch die Bürokratisierung nervt“, sagt sie. Bis 2022 führte sie eine eigene Pferdepraxis in Duggendorf bei Regensburg und ist dort auch nach Verkauf der Praxis an TeamVet noch immer geschäftsführende Tierärztin. „Ende des Jahres möchte ich allerdings etwas kürzertreten“, verrät Dr. Wyrwoll. „Was jetzt noch gesucht wird, ist ein motivierter Tierarzt oder eine Tierärztin, der oder die die Leitung der Praxis übernehmen möchte. Möglicherweise auch ein Ehepaar, das sich hier etwas aufbauen möchte.“ fn-press/Hb

 

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