Transport von Pferden zu Freizeit-, Sport- und Zuchtzwecken ist nicht vergleichbar mit Schlachttier-Transporten ins entfernte Ausland
Warendorf (fn-press). In den vergangenen Wochen erhielten gewerbliche Pferdehalter in Baden-Württemberg Schreiben von Amtsveterinären mit dem Inhalt, dass Tiertransporte ab 30 Grad Celsius nicht mehr zulässig seien. Die Veterinärbehörden beriefen sich dabei auf eine EU-Verordnung, die den Schutz von Tieren beim Transport regelt, sowie auf einen Erlass des baden-württembergischen Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz (MLR). Die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) sieht in den Schreiben eine unangemessene pauschale Einschränkung des Transports von Pferden zu Freizeit-, Sport- und Zuchtzwecken. Die FN hat aus diesem Grund Kontakt mit dem Ministerium aufgenommen und kämpft für eine sinnvolle Lösung für den Pferdebereich.
Sommer, schönes Wetter, 30 Grad – jetzt ein Ausflug mit dem Pferd an den See, vielleicht sogar ans Meer oder einfach nur ein Ausritt durch den schattigen Wald. Das ist eine Traumvorstellung vieler Reiter. Doch für die meisten sind kühle Gewässer und Wälder nicht in unmittelbarer Nähe und nur mit einer Autofahrt erreichbar. Auch Reiter, die mit ihrem Pferd zur Untersuchung in eine Tierklinik fahren müssen, denen am eigenen Stall keine Halle zur Verfügung steht und die an einem Lehrgang oder Turnier teilnehmen möchten, sind auf den Pferdetransporter angewiesen. Auch im Sommer. Also am besten morgens, wenn es noch kühl ist, das Pferd verladen und los geht‘s. Doch was ist, wenn das Thermometer im Laufe des Tages mehr als 30°C anzeigt? Klar, dass bei hohen Temperaturen einige Dinge zu beachten sind, denn Hitze kann zu einer Herausforderung für Mensch und Tier werden.
„Generell verfügen Pferde über eine sehr gute Thermoregulationsfähigkeit“, sagt Dr. Henrike Lagershausen, Leiterin der FN-Abteilung Veterinärmedizin und Tierschutz. Dies besagen auch die Leitlinien zur Beurteilung von Pferdehaltungen unter Tierschutzgesichtspunkten, die das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft herausgibt, sowie verschiedene Studien und Gutachten. „Durch das Schwitzen wird der Körper gekühlt. Trotzdem ist es bei hohen Temperaturen unabdingbar, dass die Frischluft-Zufuhr im Transporter gewährleistet ist und die Temperatur im Innenraum engmaschig kontrolliert wird“, erklärt Lagershausen. Sie betont: „Regelmäßiges Tränken der Pferde bei Hitze muss selbstverständlich sein. Jeder Pferdehalter und jeder Reiter ist für sein Tier verantwortlich und muss sicherstellen, dass es den Transport unbeschadet übersteht.“ Aus veterinärmedizinischer Sicht steht demnach dem Transport von gesunden Pferden zu Sport-, Freizeit- und Zuchtzwecken auch bei Temperaturen von über 30°C nichts im Wege – wenn bestimmte Vorkehrungen getroffen werden. Dazu hat die FN ein Merkblatt veröffentlicht, das hier als Download zur Verfügung steht: www.pferd-aktuell.de/37909
Die anfangs genannten Schreiben verunsichern jedoch viele Reiter, Züchter und Pferdehalter in Baden Württemberg. Tatsächlich ist es laut den Schreiben nun nicht mehr erlaubt, Pferde bei mehr als 30°C im Schatten zu transportieren – sei es zum Ausflug am See, zum Turnier oder zu züchterischen Zwecken. In seinem Erlass bezog sich das Ministerium jedoch vor allem auf Schlachtvieh-Transporte ins entfernte Ausland. Dort kommt es an Grenzübergängen immer wieder zu langen Wartezeiten für Tiertransporte, sodass viele Rinder und Schweine laut Medienberichten bei großer Hitze ohne Wasserversorgung auf unbelüfteten LKW qualvoll dahin vegetieren.
„Schlachttier-Transporte unter solchen Bedingungen sind nicht tierschutzgerecht, deshalb ist der Erlass für diesen Bereich auch sinnvoll. Sie sind aber nicht vergleichbar mit dem Transport von Pferden zu Freizeit-, Sport- und Zuchtzwecken. Es liegt im Interesse jedes Pferdesportlers und Züchters, dass das Pferd den Transport gut übersteht und am Zielort fit ist für einen Wanderritt, einen Turnierstart oder eine Stutenschau. Jede verantwortliche Person muss im Einzelfall entscheiden können, ob ein pferdegerechter Transport möglich ist oder nicht. Wir haben deshalb das MLR dazu aufgefordert, dass Pferdetransporte von dem Erlass des Ministeriums ausgenommen werden“, sagt FN-Generalsekretär Soenke Lauterbach. Eine Antwort liegt der FN inzwischen vor: „Daraus entnehmen wir, dass sich der Erlass in der Praxis auf Transporte bezieht, die abgefertigt werden müssen. Das sind dementsprechend grenzüberschreitende Transporte. Somit ist der Großteil der Transporte von Sport- und Zuchtpferden nicht von dem Erlass betroffen.“
Die pauschale Formulierung im Wortlaut des Erlasses, die nahelegt, ein Transport bei Außentemperaturen von über 30 Grad würde Pferden Leiden zufügen, hält die FN dennoch für falsch: Der Verband fordert das Ministerium auf anzuerkennen, dass dem Transport von gesunden Pferden zu Sport-, Freizeit- und Zuchtzwecken aus veterinärmedizinischer Sicht auch bei hohen Temperaturen nichts im Wege steht – wenn die im oben genannten Merkblatt aufgelisteten Vorkehrungen getroffen werden.
PM der Deutschen Reiterlichen Vereinigung vom 28. August 2019