Turnier Optimum International feiert 70. Geburtstag
Balve (fn-press). Beste Bedingungen für feinsten Pferdesport, modern, zukunftsweisend und doch so traditionell: Das ist das Balve Optimum international. Das war nicht immer so. Ein langer Weg liegt hinter dem Turnier, das in diesem Jahr seinen 70. Geburtstag feiert. Auch im Jubiläumsjahr ist es wieder Gastgeber der Deutschen Meisterschaften im Dressur- und Springreiten und diesmal wichtiger Meilenstein auf dem Weg zu den Weltreiterspielen im US-amerikanischen Tryon. Fast alle Mitglieder der deutschen Olympia-Kader stehen auf der Teilnehmerliste.
Für die Dressurreiter geht es in Balve einmal mehr um das Ticket für den Start beim CHIO Aachen. Dort findet die zweite Hauptsichtung für den internationalen Höhepunkt der Pferdesport-Saison, die Weltreiterspiele (11. bis 23. September) statt. Die DM sind Pflichttermin für die Mitglieder der Dressurkader und für die, die es werden wollen. Außer Helen Langehanenberg, die in Kürze ihr zweites Kind erwartet, wird der Olympia-Kader vollständig in Balve vertreten sein.
Im Parcours wird diesmal der gesamte Olympia-Kader um die Medaillen kämpfen. Für die beiden Amazonen im Springsattel, Simone Blum (Zolling) und Laura Klaphake (Steinfeld), waren die Deutschen Meisterschaften 2017 ein Sprungbrett in das deutsche Championatsteam. Beide nahmen im vergangenen Jahr eine Goldmedaille aus Balve mit nach Hause - Klaphake in der Wertung der Springreiterinnen, Blum erstmals in der Herren-Wertung. 2016 hatte die Bayerin bereits bei den Amazonen triumphiert.
Diesmal wird Simone Blum mit der zwölfjährigen Stute Con Touch wieder in der Damen-Konkurrenz antreten. Ihr Top-Pferd DSP Alice befindet sich noch im Aufbautraining. »Sie hat sich leider vor fünf Wochen in der Box verletzt. Aber sie fühlt sich fit an und wir haben schon wieder ein paar Sprünge gemacht. Balve kommt für sie noch ein bisschen früh und wir haben uns entscheiden, sie noch zwei Wochen zu schonen«, sagt Blum. »Balve ist für mich ein ganz besonderes Turnier mit Top-Bedingungen, einer super Atmosphäre und tollen Zuschauern. Für meine Karriere war es ein absolutes Sprungbrett. Es hat mich so weit gebracht - nach Aachen und in den Championatskader. Ohne dieses Turnier würde ich nicht da stehen, wo ich jetzt stehe.«
Auch die dritte Olympische Pferdesport-Disziplin, die Vielseitigkeit, wird in Balve stark vertreten sein. Michael Jung und Sandra Auffarth starten im Parcours, Ingrid Klimke mit ihrem Franziskus im Dressurviereck. Für die Nachwuchsreiter ist die Reise ins Sauerland ebenfalls von großer Bedeutung. Balve ist die letzte Station von Deutschlands U25-Springpokal, der von der Stiftung Deutscher Spitzenpferdesport und der Familie Müter ermöglicht wird. Hier wird entschieden, welche Nachwuchs-Springreiter das Finale im Rahmen des CHIO Aachen bestreiten dürfen. Punkte können in Balve auch die unter 25-jährigen Dressurreiter sammeln. Der Piaff-Förderpreis macht auf dem Weg zum Finale in Stuttgart Station im Sauerland. Außerdem sichten die Bundestrainer ihre Kandidaten für die U25-EM in Roosendaal.
Alle Informationen zu den Deutschen Meisterschaften im Dressur- und Springreiten finden Sie hier: www.balve-optimum.de
70 JAHRE BALVE OPTIMUM
Deutsche Meisterschaften, Sichtungsstation, Springpokal, Piaff-Förderpreis, internationales Springturnier - die stetige Weiterentwicklung hat das Balve Optimum stets ausgemacht. Doch wie fing eigentlich alles an?
Nachkriegsdeutschland, 1947. Im Land herrscht immer noch Chaos. Der Wiederaufbau geht schleppend voran, dennoch möchten die Deutschen wieder Normalität verspüren und ihren Hobbies nachgehen können. Sport - etwas, das über Sprachen, Kulturen und Länder hinweg verbindet, das ist ein Anker. So sieht das auch Dieter Graf von Landsberg-Velen. Er holt eine Sondergenehmigung der Besatzungsmacht ein und veranstaltet eines der ersten Reitturniere Deutschlands nach dem Krieg auf den Allhoff'schen Wiesen in Balve. Die Resonanz ist großartig, das Publikum dankbar. Das war quasi die Geburtsstunde des heutigen Balve Optimum. 1948 zieht das sportliche Event um nach Wocklum. Dorthin, wo das es auch heute noch ausgetragen wird.
Am 20. Juni 1948, dem Tag der deutschen Währungsreform, wird in Balve-Wocklum das erste Reitturnier ausgetragen. Komfort? Den suchen Zwei- und Vierbeiner damals vergebens. Mit der Bahn werden die Pferde in Waggons ins Sauerland transportiert. Umliegende Bauernhöfe werden zur Unterkunft der edlen Tiere. Von dort aus werden sie zum Turnierareal geführt. Die Zuschauer finden auf Lastwagen und Anhängern Platz. Heutiger Komfort ist damals nicht vorstellbar. Und trotzdem genießen es die Menschen. Es wird ein voller Erfolg: Als »denkwürdiges Turnier« tituliert es die überregionale Presse. Der Reitsport war zurück - und er fand ein neues Zuhause in Balve. Das Wocklumer Reitturnier wächst und wächst. 1949 wird bereits in Reitbahn, Innenraum, Boden und Bande investiert, 1950 wird eine Tribüne mit 3.000 Plätzen erbaut und der Turnierplatz vergrößert. Mehr als 5.000 Besucher strömen nach Balve, um Pferdesport zu genießen. Eignungsprüfungen, Jagdprüfungen, Gelände- und Zulassungsprüfungen stehen beispielsweise auf dem Zeitplan.
Gleich mehrere Meilensteine finden sich 1951: Nicht nur das erste S-Springen steht im Programm und der Hauptplatz bekommt eine feste Einzäunung, sondern auch DER zukünftige Star im Sattel findet seinen Weg nach Balve: Hans Günter Winkler. Mit im Gepäck hat er eine gewisse »Halla« - eine Dame mit Allüren. Ob sie schon damals wusste, dass sie und Winkler bald Geschichte schreiben sollten? »Sie wurde in die letzte Box gestellt und neben ihr und dem nächsten Pferd musste eine Box frei bleiben«, erinnert sich die heutige Turnierchefin Rosalie von Landsberg-Velen an die Geschichten, die ihr ihr Vater Dieter Graf von Landsberg-Velen erzählte. Die von Landsberg-Velen sind untrennbar mit dem Balve Optimum verbunden. Sie sind die Initiatoren, die Veranstalter, die Gesichter und die Seele dieser Traditionsveranstaltung. Das war damals so und so ist es heute noch.
Von Halla und Mist
Hans Günter Winkler avanciert zum Stammgast in Balve. 1956 - seinem wohl erfolgreichsten und denkwürdigsten Jahr - kommt er als zweifacher Weltmeister nach Wocklum und als Favorit für die kommenden Olympischen Spiele in Stockholm. Das Wocklumer Turnier hat mittlerweile nationales Renommee erlangt, sportlich wie gesellschaftlich. 12.000 Zuschauer jubeln »HGW« 1956 zu, der in einem taubenblauen Volkswagen-Cabriolet nach Wocklum chauffiert wird. Sportler sind die neuen Helden. Dazu trägt natürlich auch der WM-Sieg der Deutschen Fußballnationalmannschaft 1954 bei. Und im Reitsport dominieren die Deutschen ebenfalls.
Die Turnierwiese wird 1956 per Hand mit dem Rasenmäher gemäht, die Hindernisse selbst gebaut und mit verteiltem Mist wurde der zu nasse Boden trockengelegt. 1957 nimmt »HGW« wieder am Wocklumer Turnier teil. Eine tiefe Freundschaft verbindet ihn mittlerweile mit Dieter Graf von Landsberg-Velen, der gerne auch einfach nur »Reitergraf« genannt wird, und so viel für den deutschen und internationalen Reitsport tut. Mit der legendären »Halla« siegt Winkler vor 10.000 Zuschauern im Großen Preis. 1959 wird das Wocklumer Turnier übrigens erstmals im TV übertragen.
Die 60er Jahre sind geprägt von Hochs und Tiefs, von neuen Kooperationen und von wohlwollender Presse: »Hervorragender Reitsport und ausgezeichnete Organisation«. Das trifft bis heute zu. 1970 ereignet sich ein großer Rückschlag: Schnee und Regen bringen Chaos und organisatorische Schwierigkeiten, und führen somit zur wohl schwärzesten Stunde des Turniers. Das soll aber nicht lange so bleiben: 1972 werden erstmals Olympia-Vorbereitungs-Springen in Balve ausgetragen. Ein Ritterschlag, denn somit trifft sich die gesamte deutsche Springreiter-Spitzenklasse in Wocklum. Hans-Dietrich Genscher, Bundesminister des Inneren, setzt sich dafür ein, dass Angehörige des Bundesgrenzschutzes die Hindernisse aufbauen. Das Balver Reitturnier ist in aller Munde.
Duelle, Dressur und Deutsche Meisterschaften
Legendär ist auch das Jahr 1974. Alwin Schockemöhle, der als Vielseitigkeitsreiter bereits 1956 für Olympia qualifiziert war und als Springreiter 1960 olympisches Mannschaftsgold gewann, startet in Balve. Sein größter Kontrahent kommt aus den eigenen Reihen: Sein Bruder Paul Schockemöhle, damals noch ein relativ unbeschriebenes Blatt im internationalen Sport, aber einer, der brandgefährlich werden konnte und auf nationaler Ebene schon sehr erfolgreich unterwegs ist. Mehr als 10.000 Besucher und über 2.000 Autos verwandeln das Wocklumer Areal in ein echtes Turnierdorf. Ein Novum: Erstmals ziert die Arena Bandenwerbung. Willkommen in der Welt des Sponsorings, das natürlich immer wichtiger wird.
Die Dressur blieb lange das Stiefkind in Wocklum, das sollte sich aber ab 1980 ändern: Erstmals finden sich auch Grand Prix und Grand Prix Special in der Ausschreibung - und es wird in ein Wettkampf-Dressurviereck mit Sitztribüne investiert. 1984 wird es doppelt spannend in Wocklum: Erstmals finden auf dem immer moderner werdenden Turniergelände die Deutschen Meisterschaften statt, verbunden mit der Olympia-Sichtung der Dressur- und Springreiter für Los Angeles. 20.000 Besucher lassen sich diese spannenden Wettkämpfe nicht entgehen. Live dabei: das ZDF.