DAM 2019: "Meine Vorgesetzten haben zum Glück Verständnis"

Teilnehmer der Deutschen Amateur-Meisterschaften im Porträt

 

Riesenbeck (fn-press). Einmal selbst auf der großen Bühne reiten: Während Amateure auf anderen Turnieren oft mit Berufsreitern konkurrieren müssen, bieten die Deutschen Amateur-Meisterschaften (DAM) ihnen die Möglichkeit, den Besten unter Gleichen auszumachen. Die Dressur- und Springreiter, die vom 20. bis 22. September in Riesenbeck starten, haben sich ausschließlich über sportliche Leistungen empfohlen. Eine Deutsche Meisterschaft ist insbesondere für viele der erstmals qualifizierten Reiter etwas ganz Besonderes.

 

»Es ist toll bei einer Deutschen Meisterschaft dabei zu sein. Ich freue mich sehr darauf, obwohl ich mir keine Aussichten darauf mache, vorne mitzureiten. Alleine, dass wir uns qualifizieren konnten, ist schön und jetzt hoffe ich, dass es rund läuft«, sagt Dr. Jan Holger Holtschmit, der für den Landesverband Saarland startet. Der Chefarzt für Orthopädie aus Saarbrücken ist mit seinem zehnjährigen Württemberger Wallach Don Doppio das erste Mal bei den DAM in der Dressur am Start. »Ich habe Dobby im vierten Jahr, er lief im letzten Jahr seine erste Saison in der Klasse S. Er hat eine tolle Einstellung und ist ein Pferd, das sich gut reiten lässt. Das ist für mich als Amateur, der nur abends zum Reiten kommt, sehr wichtig.« Neben seiner Tätigkeit als Chefarzt ist Dr. Holtschmit in verschiedenen Funktionen im Pferdesport tätig, unter anderem ist er Vorsitzender des DOKR Disziplinbeirats Para-Equestrian. Wie findet er trotzdem noch Zeit, selbst zu reiten? »Das alles zu vereinbaren, ist zugegebenermaßen eine Herausforderung. Meine Lebensgefährtin reitet auch und kümmert sich mit um das Tagesprogramm von Dobby. Das hilft sehr. Trotzdem muss man gut strukturiert und organisiert sein. Aber das Reiten ist ein toller Ausgleich für mich, ich kann dabei gut abschalten. Das ist sehr wertvoll.«

 

Dressurreiterin Judith Bolde aus dem Rheinland ist mit ihrem elfjährigen Wallach Freiherr von Mirbach ebenfalls noch nicht so lange in der schweren Klasse unterwegs: »Ich selber hatte die DAM tatsächlich gar nicht so im Blick, weil es unsere erste richtige Saison in der Klasse S ist. Aber mein Trainer hat im Winter schon von der DAM geredet. Als die Saison dann ganz gut lief, habe ich auch angefangen das Ranking zu beobachten«, freut sich die Reiterin aus Bornheim umso mehr über die Qualifizierung. Der Rheinländer Wallach ist derzeit ihr einziges Pferd, sie hat ihn von klein auf: »Ich habe ihn als Absetzer auf dem Fohlenmarkt in Wickrath gekauft. Damals wusste man noch überhaupt nicht, was daraus wird. Ich habe ihn mit Unterstützung meines Trainers selbst ausgebildet.« Den auffälligen Namen verdankt der Wallach seinen Züchtern: »Er kommt aus Mirbach und in seinem Jahrgang haben die alle Pferde so benannt, es gibt daher auch einen Herzog und einen Zauberer von Mirbach.« Bolde arbeitet als Beamtin beim Bundeszentralamt für Steuern: »Ich bin dafür zuständig, Auszubildende zu gewinnen und zu betreuen. Ich habe das Glück, dass ich eine Rahmenarbeitszeit habe und mir meine Arbeit deshalb flexibel einteilen kann, wenn zum Beispiel ein Turnier ansteht.«

 

Springreiter Alexander Schurig aus dem Landesverband Sachsen geht es ähnlich: »Ich bin Angestellter im Außendienst bei einer Versicherungsgruppe und kann teilweise morgens vor der Arbeit reiten oder in der Mittagspause. Außerdem habe ich nur das eine Pferd.« Die DAM hatte er vor der Saison noch gar nicht im Blick: »Ich war schon zweimal im Finale des Partner Pferd Cups in Leipzig. Mit der DAM habe ich mich nicht wirklich beschäftigt. Aber als ich im Juni dann ein Schreiben von der FN bekommen habe, dass meine Chancen gut stehen, habe ich nochmal Gas gegeben.« Die 14-jährige Cara Mia bezeichnet Schurig als seine »Wunderstute«. Das Paar verbindet eine außergewöhnliche Geschichte: »Wir haben sie uns sechsjährig angeguckt und sind für ein paar Tage dahin gefahren, wo sie damals stand. Sie lief super in Dressur und Springen und hat einen tollen Eindruck gemacht. Leider war sie zu teuer.« Schurig fuhr wieder ab, doch noch am selben Tag gab es eine überraschende Wendung: »Sie hat sich den Widerrist gebrochen, sechs Dornfortsätze waren durch.« Der Unfall passierte wahrscheinlich beim Wälzen im Stall: »Damals war unsicher, ob und inwieweit sie wieder belastbar wird. Aber: Durch die Verletzung war sie finanziell erschwinglich.« Der Reiter aus Radeberg päppelte die Oldenburger Stute ein halbes Jahr auf. Die Mühen haben sich gelohnt: »Dass wir so weit kommen, das hätte keiner gedacht. Sie kämpft immer total mit. Es sollte wohl alles so sein.«

 

Eine besondere Verbindung zu ihrem Pferd hat auch Mali Spahrbier aus Wolfsburg: »St. Laurion war drei Jahre lang krank, hatte schwere Rückenprobleme und eine Zyste im Kopf und musste operiert werden. Deshalb ist es umso schöner, dass wir jetzt wieder auf dem Niveau starten. Gerade durch seine lange Krankheit ist er sehr auf mich fixiert. Er ist sensibel und ein Kämpfer, der im Parcours sehr schnell ist und keine Fehler machen will.« Der 14-jährige Wallach lebt das ganze Jahr über auf der Wiese. Bis vor Kurzem schrieb die Reiterin aus dem Landesverband Hannover ihre Doktorarbeit, jetzt hat sie eine Festanstellung bei Volkswagen: »Ich arbeite im Bereich User-Experience. In meinem Beruf geht es um die Interaktion zwischen dem Menschen und der Maschine, also dem Auto. Als Psychologin schaue ich darauf, was der Mensch in dem Zusammenspiel für Bedürfnisse hat.« Nach der Arbeit geht es zu St. Laurion. Viel Zeit, um auf dem Sofa zu liegen, bliebe da nicht: »Vor allem, wenn ich zu meinem Trainer fahre wird es spät, da habe ich noch eine Stunde Fahrzeit.« Spahrbier kann jedoch auf die Unterstützung aus ihrem Umfeld setzen: »Gerade wenn es jetzt um die Vorbereitungen für eine Deutsche Meisterschaft geht, haben meine Vorgesetzten zum Glück Verständnis.« In Riesenbeck hat die Reiterin neben St. Laurion ihre Familie und ihren Trainer dabei: »Die Vorfreude ist sehr groß, die DAM ist mein persönliches Jahres-Highlight.« FN/Melanie Köster

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