Foto: Roland Kern, Redaktion - Fotograf: TOMSPic Thomas Hartig
Rin in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln – an diesen alten Spruch fühlte man sich in den zurückliegenden Wochen erinnert, als es um die Herpes-Impfpflicht für Turnierpferde ging. Im März wurde auf einmal wieder ein vorübergehendes Aussetzen der Impfpflicht diskutiert, die doch erst seit dieser Saison gilt. Was jetzt? Erst impfen, dann wieder doch nicht?
Um es gleich zu sagen: Die klärende Entscheidung des FN-Beirats Sport, an der Impfpflicht festzuhalten, war richtig. Die FN und ihre Landesverbände müssen in der aktuellen, teilweise unsicheren Zeit einen Kompass haben. Die andere Variante hätte die Verlässlichkeit der Verbände infrage gestellt. Die besonders gewissenhaften Reiter haben ihre Pferde nämlich im Vertrauen auf die Glaubwürdigkeit ihres Verbandes längst immunisiert. Sie wären sich veräppelt vorgekommen. Die Intention der Aussetzungs-Befürworter (während Baden-Württemberg für ein Aussetzen stimmte, sprach sich Bayern klar dagegen aus) war ja durchaus reiterfreundlich gedacht. Die Impfpflicht-Entscheidung stammt aus dem Jahr 2021; da gab es noch keinen Ukraine-Krieg, keine Energiekrise, noch Tankfüllungen für weniger als 100 Euro und keine neue GOT-verdammte Gebührenordnung. Die Angst vor weiter sinkenden Starterzahlen führte zu der Überlegung. Angst ist allerdings selten ein guter Ratgeber.
Aber es geht ja in die richtige Richtung: Die Verbände haben im Moment mehr als je zuvor die Aufgabe, den Sport erschwinglich und dadurch wieder attraktiver zu machen. Das ist nicht leicht, denn die Reiter machen keine Energiepreise und keine Gebührenordnung für Tierärzte. Aber die Diskussion zeigt: Da ändert sich etwas – und das ist gut so. Jahrzehntelang hatten die Reiterverbände die Aufgabe, einen boomenden Sport zu organisieren. In den nächsten Jahren muss es nun aber heißen, die Veranstalter von Aufwand, Bürokratie, Vorschriften und – vor allem – Kosten zu entlasten, damit es weitergeht. Die Landesverbände mit ihren Fachmagazinen sind da wichtige Impulsgeber.
Allerdings, dabei ausgerechnet mit der Herpes-Impfpflicht und einem Tierwohl-Thema zu beginnen, wäre das völlig falsche Signal gewesen – zumal die tiermedizinische Sicht ziemlich klar ist. Denn es gibt ja noch eine andere „Baustelle“ in unserem Sport: Die zunehmend aggressive Kritik von Menschen, die sich Tierschützer nennen, ohne von Pferden eine Ahnung zu haben. Eine zurückgenommene Impfpflicht des Geldes wegen hätte nur wieder eine Flanke in diese Richtung geöffnet.
Die Herpes-Impfpflicht macht es auch den Reitschulen und Vereinen immer schwerer ihre Schulpferde auf ein Turnier zu schicken – eine fatale Konsequenz, vor allem wenn man bedenkt wie dramatisch uns die Basis in den Einsteigerklassen wegbricht. In der neuen Ausgabe von Reiterjournal und Bayerns Pferde haben wir mit einigen Reitschulbetrieben und Vereinen über aktuelle Herausforderungen und Nöte gesprochen. Mehr dazu erfahren Sie in der neuen Ausgabe – ab Freitag, den 21. April 2023, im Handel oder HIER im ABO!
Mit reiterlichen Grüßen
Roland Kern
Redaktion Reiterjournal und Bayerns Pferde Zucht + Sport