Foto: Roland Kern - Fotograf: TOMsPIC
So kennt man das CHIO in Aachen: großer Sport und große Emotionen. Ein Wechselbad der Gefühle zum Weltfest der Pferde! Himmelhochjauchzend (wie Gerrit Nieberg) und zu Tode betrübt (Rosalind Canter). Aber so arg hätte es auch wieder nicht sein müssen! Wieder bleiben Bilder eines leidenden Pferdes haften. Ja klar, es stimmt, es handelte sich um ein Unglück, das jedem Freizeitpferd auf jeder Koppel hätte geschehen können (was sogar wahrscheinlicher ist). Aber es ist nun einmal vor großer Kulisse passiert und vor laufenden Kameras. Das ist schrecklich für Pferd und Reiterin, aber auch eine weitere Markierung auf dem Weg zum Imageverlust unseres einzigartigen Sports. Solche Vorfälle sind nicht vermeidbar. Andere schon.
Sind wir mal ehrlich: Schon einige Monate spitzen sich die Tierschutzdiskussionen im Zusammenhang mit dem Pferdesport zu. Sie haben an Fahrt aufgenommen mit den Olympischen Spielen in Tokio und wurden kurzzeitig hitziger um die neue Barr-Affäre um den Stall Beerbaum. Was ist daraufhin passiert? Was haben wir daraus gelernt? Was wurde geändert? Nichts. Aber ein „Weiter so“ wird der Lage nicht gerecht. Die Diskussionen haben eine neue Qualität erreicht, weil sie eine immer breitere Öffentlichkeit erreichen. Es nützt deshalb auch nichts, immer nur die PETA-Leute an den Pranger zu stellen, weil sie keine Ahnung haben und Effekte haschen, um mit Popularität mehr Spenden zu sammeln (was allerdings stimmt). Aber PETA ist nicht unser Problem. Das Problem ist, dass wir zu wenig mit Taten und Fakten dagegenhalten. Und dass es eben offene Flanken gibt. Also runter vom hohen Ross!
Die Reiter müssen dringend das Heft des Handelns wieder in die Hand bekommen, nicht erst reagieren, wenn es wieder mal Kritik hagelt. Natürlich gibt es Änderungsbedarf und noch Luft nach oben, was den Tierwohlgedanken angeht! Und wir müssen uns auch mit dem Gedanken anfreunden, dass wir uns von Gewohnheiten trennen, über die wir vergessen haben nachzudenken: unnötig scharfe Gebisse, zu viele Starts, zu wenig mutige Richter, die feines Reiten belohnen und zu grobes bestrafen. Es gibt zu wenig Stilspringen und viel zu wenig Fairnesspreise, dafür alte Zöpfe wie Mächtigkeitsspringen oder Siegerehrungen mit aufgeregt umherhüpfenden Pferden – und immer noch Leute, die aus der Prüfung reiten, ein wütendes „Sch… bock“ auf den Lippen. Die Liste ließe sich fortsetzen. Wir müssen Schwachstellen definieren, bevor es andere tun. Denn dann geht es nicht mehr um die Pferde und nicht mehr um den Sport.
Die neuen Ausgaben von Reiterjournal und Bayerns Pferde Zucht+Sport sind ab Freitag, den 22. Juli im Handel erhältlich oder schon jetzt auf reiterjournal.com bzw. bayernspferde.de!
Mit reiterlichen Grüßen
Roland Kern
Redaktion Reiterjournal & Bayerns Pferde Zucht+Sport