Die Förderung von Wissen und Transparenz in der Pferdezucht ist dem Oldenburger Verband sehr wichtig. Seit Jahren setzt er sich daher aktiv für anwendungsorientierte Forschungsvorhaben ein, die in Zusammenarbeit mit Partnern aus Wissenschaft und Wirtschaft bearbeitet werden.
Aktuell wird in der Praxis viel und kontrovers über die Rolle von verschiedenen Erbkrankheiten bzw. Genmutationen diskutiert. Und viel zu häufig geschieht dies ohne das Basiswissen, das erforderlich ist, um eine solide Einschätzung vornehmen und über mögliche züchterische Maßnahmen beraten zu können.
Um das in Bezug auf die Muskelerkrankungen, zu denen Gentests heute schon Hinweise auf Erkrankungsrisiken liefern können, zu ändern, hat der Oldenburger Verband nun einen weiteren starken Partner an seiner Seite: Das Gut Schönweide unterstützt seit Jahresbeginn das aufwändige Forschungsvorhaben, das sich mit der Muskelintegritätsmyopathie (MIM), früher bezeichnet als Polysaccharid-Speichermyopathie Typ 2 (PSSM2), befasst. Die wissenschaftliche Bearbeitung erfolgt im Verbund mit der Martin-Luther-University Halle-Wittenberg (MLU), der Generatio GmbH und dem Rechenzentrum Vereinigte Informationssysteme Tierhaltung w. V. (vit) im Rahmen einer Doktorarbeit.
Die Fragestellungen, auf die die Studie Antworten liefern soll, und Ihre Möglichkeiten, zum Erfolg der Studie beizutragen, werden im Folgenden kurz erläutert.
Einordnung der Muskelerkrankungen (Myopathien)
Insbesondere bei Kaltblutpferden tritt eine Störung des Energiestoffwechsels der Muskulatur auf, deren genetische Ursache schon vor Jahren aufgeklärt wurde: Die Mutation in einem einzigen Gen, GYS1, hat ein abnormes Speicherkohlenhydrat in der Skelettmuskulatur zur Folge, das sich in Muskelproben nachweisen lässt und zu unterschiedlich deutlichen Muskelfunktionsstörungen führt. Über einen einfachen Gentest, der bei manchen, stark betroffenen Rassen für Zuchtpferde vorgeschrieben ist, lässt sich feststellen, ob ein Pferd keine, eine oder zwei Erbanlagen für die Erkrankung trägt, die als Polysaccharidspeichermyopathie Typ 1 (PSSM1) bezeichnet wird.
So einfach ist es leider nicht in Bezug auf die anderen Formen von Muskelfunktionsstörungen, die lange Zeit zwecks formaler Abgrenzung von PSSM1 als „PSSM2“ angesprochen wurden und für die nun die fachlich begründete Bezeichnung MIM etabliert wurde. Denn im Gegensatz zu PSSM1 ist es bei MIM („PSSM2“) nicht das Speicherkohlenhydrat, an dem sich Veränderungen zeigen. Vielmehr treten in unterschiedlichem Ausmaß Beeinträchtigungen der Muskelfunktion und Schäden an der Muskelstruktur auf, die mit Mutationen verschiedener Gene in Verbindung gebracht werden.
Dass diese Gene beim Menschen eine Rolle für die intakte Muskelstruktur und die ungestörte Muskelfunktion spielen und Mutationen zu Erkrankungserscheinungen führen können, ist bekannt. Laboruntersuchungen (Zell- bzw. Gewebekultur, Tiermodell) lieferten weitere Belege für einen Zusammenhang zwischen dem Vorliegen gewisser Genmutationen und Struktur- bzw. Funktionsveränderungen der Muskulatur. Beim Pferd sind allerdings noch viele Detailfragen ungeklärt und insbesondere der Punkt, unter welchen Voraussetzungen solche genetisch bedingten Muskelintegritätsstörungen klinische Relevanz, also Erkrankungswert, erreichen, wird als dringender Forschungsgegenstand gesehen. Der verfügbare Gentest umfasst sechs genetische Varianten (P2, P3, P4, Px, P8 und K1) und kann damit Anknüpfungspunkte für Maßnahmen liefern, die Muskelfunktionsstörungen entgegenwirken.
Anzeichen für MIM
Es gibt kein einheitliches und eindeutiges Erscheinungsbild für MIM ("PSSM2"), was sich mit der unstrittigen Bedeutung von mehr als einem Gen, möglichen Wechselwirkungen zwischen den bekannten und noch zu identifizierenden Genen und dem erheblichen Einfluss von Fütterung, Management und Haltung erklärt. Die Anzeichen für MIM ("PSSM2") sind diejenigen einer Belastungsmyopathie: Milde Formen sind oft nur schwer zu erkennen und zeigen sich als Unwilligkeit bei der Arbeit und generelle Bewegungsunlust. Bei ausgeprägtem Verlauf sind Tiere durch starke Muskelschmerzen zum Teil sehr aggressiv und kaum zu bewegen. Andere mögliche Anzeichen sind allgemeine Muskelschwäche und wechselnde Lahmheiten bis hin zu Kreuzverschlagähnlich massiv beeinträchtigter Bewegungsfähigkeit. In fortgeschrittenen Fällen zeigen sich die Pferde insgesamt schlecht bzw. ungleich bemuskelt mit starker Vorderhand- und auffallend schwacher Hinterhandbemuskelung. Weitere Anzeichen für einen schweren Verlauf der MIM sind plötzlich und ohne äußerlich erkennbare Ursache auftretende Dellen oder Löcher in der Muskelatur unter intakter Haut sowie ein durch Waschbrettstruktur erkennbarer Abbau der Rumpfmuskulatur.
Keines dieser Anzeichen lässt einen eindeutigen Rückschluss auf die Ursache bzw. den Auslöser zu und oft ist auch anzunehmen, dass ein Zusammentreffen mehrerer Faktoren für das Auftreten von Erkrankungsanzeichen verantwortlich ist.
Der Befund eines MIM ("PSSM2")-Gentests gibt Auskunft, ob eine Mutation oder mehrere der Mutationen, die mit Muskelintegritätsstörungen in Verbindung gebracht werden, vorliegen und somit ein genetisch erhöhtes Risiko für die Krankheitserscheinungen anzunehmen ist. Man erhält damit zum gegenwärtigen Stand in erster Linie Hinweise für mögliche Managementmaßnahmen, aber keine direkte Aussage zur klinischen Auffälligkeit des Pferdes und auch nicht dazu, ob bzw. in welchem Maße einem Pferd durch eine Trainingsoptimierung und Fütterungsanpassung geholfen werden kann. Und genau hier setzt die aktuelle Studie an: Mehr Wissen über die Häufigkeit des Auftretens der verschiedenen Mutationen und der damit verbundenen Anzeichen von MIM bzw. allgemeiner Belastungsmyopathie zu generieren und ein besseres Verständnis der Zusammenhänge zwischen genetischen Varianten, äußerlich sichtbaren MIM-Anzeichen und eventuellen Ausgleichsmaßnahmen sind die erklärten Ziele.
Studienteilnahme
Der lizensierte Gentest auf MIM ("PSSM2") steht den Mitgliedern des Oldenburger Verbandes und innerhalb des gesamten Konsortiums der International Association of Future Horse Breeding (IAFH) zu vergünstigten Konditionen zur Verfügung. Ermöglicht wird dies durch die Zusammenarbeit mit der Generatio GmbH als Inhaberin des Europa-Patentes für das Testpanel. Um weitere Erkenntnisse zu gewinnen, werden im Rahmen der wissenschaftlichen Studie einerseits Fälle mit „Myopathie-Vorgeschichte“ (klinisch, Gentest) aufgearbeitet und durch zusätzliche Untersuchungen eingeordnet. Andererseits werden an einer größeren Stichprobe von Pferden umfassende Analysen zum Zusammenhang zwischen Genetik und Leistungs-/Bewegungsparametern durchgeführt, wobei zusätzlich zu den beschriebenen MIM ("PSSM2")-Varianten auch ein Screening auf weitere genetische Einflussfaktoren einer Belastungsmyopathie vorgesehen ist.
Gerne können Sie einen Test auf MIM ("PSSM2") direkt über Ihren OL- bzw. OS-Account für Ihr Pferd beantragen und als Studienteilnehmer unsere Forschung unterstützen. Bei Interesse wenden Sie sich – ebenso wie bei Fragen rund um MIM – gerne an: Janou Mayer, Tel. +49(0)4441-935552 oder mayer.janou@oldenburger-pferde.com.
Wir danken dem Gut Schönweide für die großzügige Unterstützung dieser Studie.
PM