Interview mit Para-Dressur Bundestrainerin Silke Fütterer-Sommer
Noch ein Tag, dann startet die EM der Para-Dressur! Vom 3. bis 7. September wird das niederländische Ermelo erstmals Austragungsort für die Europameisterschaften der Para-Dressurreiter sein. Die Gastgeber treten als Titelverteidiger an, Team Deutschland hat bei der letzten EM 2023 Silber gewonnen. Kann Silber verteidigt werden? Darüber, über die Philosophie der Teamaufstellung und über Glückssocken berichtet Bundestrainerin Silke Fütterer-Sommer im Interview.
Die EM wird für Sie die zweite als Bundestrainerin. Wie blicken Sie Ermelo entgegen?
Silke Fütterer-Sommer: Ich freue mich total auf Ermelo, weil ich nach fast drei Jahren im Bundestraineramt mehr Sicherheit und Routine bekomme. Vor allen Dingen nach den Paralympischen Spielen in Paris hat man sich „eingegroovt“, was Championate angeht. Hinzu kommt, dass unser EM-Team bis auf eine Reiterin die Truppe von der EM 2023 ist. Das bedeutet: Es sind alles schon erfahrenere Championatsreiter, die wissen, was auf sie zukommt. Auch das macht mich entspannter als bei meiner EM-Premiere. Die Reiterinnen und auch die Grooms kennen die Abläufe, man muss nicht nochmal alles bis ins Detail erklären. Auch ich weiß besser Bescheid. Das sind manchmal Kleinigkeiten – wann und wo man Listen bekommt, in denen man sich bei Championaten eintragen muss, beispielsweise für Trainingszeiten. Das ist das Erste, worauf sich alle stürzen und ich weiß inzwischen, dass man da möglichst früh dran sein muss. Kleine Dinge, die mit Routine einfacher gehen und einen nicht mehr so schnell aus der Fassung bringen.
Haben Sie bei der Aufstellung des Teams sozusagen „aus dem Vollen geschöpft“ oder war es schwierig, das EM-Team zusammenzubekommen?
Silke Fütterer-Sommer: Wir schöpfen tatsächlich selten aus dem Vollen. Wir haben meistens nur einen kleinen Kader und müssen gucken, dass wir alle fit und gesund behalten. Und in diesem EM-Jahr haben wir uns ganz klar auf die Nachwuchspferde und neue Kombinationen konzentriert, weil die Nachwuchspferde auch mal raus müssen und Erfahrung sammeln. Nächstes Jahr steht die große WM im eigenen Land vor der Tür. Deshalb möchte ich Kombination ausprobieren und wissen, auf was man sich hinterher verlassen kann. Deswegen besteht unser Team Hälfte/Hälfte aus erfahrenen und aus neuen Kombinationen.
Ihr EM-Team 2025 – beschreiben Sie uns Ihre Kombinationen.
Fangen wir mit der Einzelgold-Gewinnerin von 2023 an, Heidemarie Dresing. „Heide“ nimmt dieses Jahr ihre zehnjährige Stute Poesie mit, die sie vorletztes Jahr gekauft hat. Die beiden haben über den Winter sehr gut zusammengefunden, sind dieses Jahr routiniert in die Saison gestartet und haben richtig gut abgeliefert. Sie haben zu 90 Prozent alles gewonnen. Die Stute ist ein bisschen kompakter als ihr EM-Goldpferd Dooloop. Sie ist sehr weich in ihren Bewegungen, federnd und tänzerisch, so dass das Pferd für Heide bequemer zu sitzen ist, was das Gesamtbild noch harmonischer erscheinen lässt. Heide hat sehr viel Routine, Poesie noch nicht, wir sind gespannt, wie die Beiden sich in Ermelo schlagen – das kann sehr gut werden.
Isabell Nowak und Siracusa OLD – das ist das einzige Paar, was wir so auch mit in Paris hatten. Sie sind damals als Nachrücker ins Paralympics-Team gerutscht und haben das sehr gut gemacht. Isabel hatte zu Beginn der Saison gesundheitlich etwas Probleme, aber das hat sie gut aufgeholt und sich jetzt nochmal deutlich gebessert. Bei der DM in Balve waren die beiden in Topform und haben sich den Titel geholt.
Wie bei Heide und Poesie ist auch die Kombination Regine Mispelkamp und Pramwaldhof's Bayala noch nicht zusammen auf einem Championat gewesen. Regine ist eine erfahrene Reiterin mit sehr guten Nerven. Bayala ist zehn, noch nicht so erfahren, aber ein unheimlich ausdrucksstarkes Pferd mit sehr viel Qualität. Die Beiden sind eine tolle Kombination, waren in dieser Saison sehr erfolgreich und sind Deutsche Vizemeister geworden.
Melanie Wienand war auch schon bei der EM in Riesenbeck dabei und nimmt auch ihren EM-Partner von 2023 mit nach Ermelo, Lemony's Loverboy. Die beiden hatten zwischendurch ein paar gesundheitliche Themen, haben deshalb den Sprung ins Paralympics-Team letztes Jahr nicht ganz geschafft, aber diese Saison lief bisher sehr beständig und souverän. Melanie arbeitet außerdem mit einer neuen Trainerin, Johanna Augustin, zusammen, das hat nochmal für einen Leistungsschub gesorgt. Ich bin sehr froh, dass Melanie mit dabei ist und wir so, neben Poesie, ein zweites Pferd in den unteren Grades haben.
Die unteren Grade I bis III haben besondere Bedeutung mit Blick auf die Mannschaftsmedaille?
Silke Fütterer-Sommer: Ja, das stimmt. Wir haben einige Reiter, die in den oberen Grades sehr stark sind, aber in den unteren könnten wir noch breiter aufgestellt sein, denn: Die unteren Grades liegen von den Prozenten in der Bewertung immer etwas höher als die oberen, so dass das für die Mannschaftswertung sehr wichtig ist.
Was macht ein gutes Pferd für die unteren Grades aus?
Silke Fütterer-Sommer: Der Schritt muss geregelt sein und mit deutlichem Abdruck. In Grade I wird nur Schritt geritten, in den Grades II und III jeweils Trab und Schritt mit verschiedenen Anforderungen. Im Regelsport gehen die Pferde Mittelschritt am längeren Zügel und ein kurzes Stück versammelten Schritt in Aufrichtung. Das war’s. Im Para-Sport werden alle oder viele Lektionen wie Schenkelweichen oder Volten im Schritt geritten, je nach Grade. Das bedeutet, die Pferde gehen über weite Phasen im Mittelschritt mit kürzerem Zügel und in guter Selbsthaltung – das gibt es so im Regelsport nicht. Das müssen die Para-Pferde erst kennenlernen und je besser sie durch den Körper gearbeitet sind, je mehr Kraft sie im Rücken haben, desto unkomplizierter wird das. Wir müssen daran arbeiten, noch zwei oder drei mehr von diesen Pferden zu haben, noch breiter aufgestellt zu sein – auch um eventuelle Ausfälle besser zu verkraften, wie jetzt zum Beispiel die Verletzung von Gianna Regenbrechts Pferd. Wir sind gerade dabei, eine Strategie zu entwickeln, wie wir das sinnvoll aktiv angehen können. Neben der Qualität der Pferde ist ein weiterer Aspekt die Einschränkung des Reiters. Je nach Einschränkung müssen sich Pferd und Reiter finden, das ist nicht einfach.
Wie sah der Fahrplan zur EM aus?
Silke Fütterer-Sommer: Nach der Nominierung des Teams hatten wir Mitte August unseren Abschluss-Lehrgang in Warendorf. Am Montag, den 1. September, sind wir dann alle in Ermelo angereist. Die Erfahrung hat gezeigt, dass es für einige Reiter zu anstrengend ist, wenn wir direkt vom Lehrgang zum Championat fahren, deshalb haben wir hier noch mal zwei Wochen dazwischen eingeplant.
Silber hat das deutsche Team bei der letzten EM 2023 gewonnen – wäre das dieses Mal wieder ein Ziel?
Silke Fütterer-Sommer: Es wäre ein schwieriges Ziel, muss ich gestehen. Wir haben die neuen Kombinationen dabei, wir haben zwei starke Reiter in den oberen Grades und die Mannschaftsmedaillen werden häufig durch die unteren entschieden. Die Niederländer werden der „Endgegner“ in Ermelo sein. Sie sind sehr stark und dann auch noch die Gastgeber. Die Briten sind nach wie vor stark, die Dänen, Italien… Silber ist nicht unmöglich, aber alle müssten ihre Bestleistungen abliefern können und dann bräuchten wir noch ein bisschen Glück obendrauf. Ich denke, bei den Einzelmedaillen stehen unsere Chancen noch besser, da bin ich zuversichtlicher.
Viele Teams haben einen Glücksbringer oder ein bestimmtes Championats-Ritual – haben Sie auch etwas in der Art?
Silke Fütterer-Sommer: Tatsächlich hat es sich schon etabliert, dass ich den Reiterinnen, meinen Mädels, einen Glücksbringer schenke – ich werde jetzt natürlich noch nicht verraten was genau. Und die Grooms bekommen etwas von mir und meine Jungs auch. „Meine Jungs“ – das ist die Teamleitung, die besteht rein aus Männern. In Riesenbeck haben meine Mädels beispielsweise für jeden individuell angefertigte Armbänder bekommen, passend zu dem Land, wo das Championat stattfindet. Und für die Jungen gab es Glückssocken – die wurden auch eifrig getragen (lacht).
Das Interview führte Kim Kreling für das PM-Forum, dem Magazin der Persönlichen Mitglieder der FN.