Paralympics: Silber und Bronze für Deutschland - Silber für Regine Mispelkamp, Bronze für Anna-Lena Niehues

Die ersten Entscheidungen im Reiten bei den Paralympics in Paris sind gefallen, in allen fünf Grades wurden Titel und Medaillen vergeben. Die deutschen Reiterinnen konnten in dieser Einzelwertung gleich zwei Medaillen sichern: Regine Mispelkamp gewann mit Highlander Delight’s Silber in Grade V, Paralympics-Neuling Anna-Lena Niehues wurde mit Quimbaya auf Anhieb Dritte in Grade IV. Die zweite deutsche Grade V-Reiterin Isabell Nowak, die erstmals bei einem Championat dabei ist, landete mit Siracusa OLD auf Platz vier, ebenso wie Heidemarie Dresing mit Dooloop im Grade II.

 

Für Isabell Nowak war es nicht nur der erste Start bei den Paralympics, sondern der erste Start bei einem internationalen Championat überhaupt. Zweimal hatte sie die Reserveposition inne, in diesem Jahr nun rückte sie mit dem Oldenburger Siracusa OLD (v. Sir Donnerhall I - Don Schufro) in das deutsche Aufgebot nach. In Paris bekam sie dann in ihrem Grade V den nicht immer beliebten Startplatz eins zugelost, machte das Beste daraus und setzte mit 71,282 Prozent eine Marke, die es zu überbieten galt. „Das ist doch eine Atmosphäre, die man so nicht trainieren kann. Siri war erst sehr beeindruckt, hat aber schnell wieder zu mir gefunden. Am Anfang war er noch sehr unter Spannung, aber das kann man ihm nicht verkennen, wir kennen uns erst eineinhalb Jahre. Ich finde, das ist noch nicht lange Zeit genug, um so eine ganz innige Vertrauensbasis aufzubauen, aber er ist dann schon nach der Hälfte der ersten Trabtour sehr vertraut geworden und hat einmal richtig ausgeatmet – und dann konnten wir es genießen“, sagte Nowak und lachte. Danach hieß es für sie abwarten, bis auch alle übrigen 16 Reiter ihre Dressur präsentiert hatten.

 

Am Ende gelang es nur drei Paaren an ihr vorbeizuziehen, allen voran der amtierenden Doppelwelt- und -europameisterin und Titelverteidigerin Michèle George mit Best of 8. Auch in Paris führte nun kein Weg an der Belgierin und ihrer Hannoveraner Stute (v. Bonifatius) vorbei. Mit 76,692 Prozent gelang es ihr, ihre Leistung voll anzurufen und ihre beachtliche Gold-Sammlung um ein Exemplar zu erweitern. Nicht ganz an ihre Bestleistung heran kamen die beiden Routiniers im deutschen Team, Regine Mispelkamp und ihr Dunkelfuchs Highlander Delight’s, beispielsweise gab es kleine Abzüge beim Rückwärtsrichten. Dennoch war die Pferdewirtschaftsmeisterin aus Gronau sehr zufrieden. „Er fühlte sich super an. Es hat total Spaß gemacht. Aber man weiß ja nie, wie sie (die Pferde) reagieren in der Atmosphäre. Und er kann ja schon mal so ein kleines Knallbonbon sein. Aber er hat es einfach mega gemacht, er hat das auch genossen.“ Insgesamt gab es 73,231 Prozent für die an MS erkrankte Reiterin und damit nach Bronze in Tokio nun die Silbermedaille in der Einzelwertung.

 

Als viertletzte Reiterin ging die schon seit 2009 im Para- und Regeldressursport erfolgreiche Britin Sophie Wells an den Start. Im Sattel der erst achtjährigen LJT Egebjerggards Samoa, mit der sie im vergangenen Jahr bei den EM noch Sechste war, kam sie trotz eines teuren Fehlers in der Schritttour auf 72,257 Prozent, wurde damit Dritte und verdrängte kurz vor Ende Isabell Nowak noch vom Treppchen. „Das ist natürlich auf der einen Seite schon sehr ärgerlich, aber wer hätte gedacht, dass wir so überhaupt weit kommen. Und nun haben wir ja noch eine Chance in der Kür. Also, schauen wir mal“, sagte Nowak

 

Grade IV: Bronze für Anna-Lena Niehues
Mehr als nur das Ticket für die Kür hatte es am Vormittag bereits für Anna-Lena Niehues in Grade gegeben. Die Pferdewirtschaftsmeisterin aus Gronau ließ ihre Rappstute Quimbaya (v. Quatertime) förmlich durchs Viereck tanzen und wurde für elegante Vorstellung mit 75,222 Prozent belohnt – persönliche Bestleistung. Damit kam sie zwar nicht an den beiden bereits führenden Niederländerinnen vorbei, durfte aber auf eine Medaille hoffen. „Der Ritt war fantastisch. Quimbaya hat sich so auf mich konzentriert. Ich war sehr erstaunt, dass sie das gar nicht gemerkt hat, dass uns so viele zuschauen. Ich bin überglücklich, es hat alles so geklappt, wie es klappen sollte“, sagte Niehues. Doch zwei starke Paare folgten noch. Ein teurer Fehler der US-Amerikanerin Kate Shoemaker und ihrer erst achtjährigen Vianne besiegelte die Bronzemedaille für die Paralympics-Debütantin, denn auch die EM-Vierte Louise Etzner Jakobsson mit Goldstrike B.J, kam nicht über Platz sieben hinaus.

 

Damit war Anna-Lena Niehues Bronze sicher. Ein Traum? „Das ist schwierig zu sagen, bei Paralympics. Es ist erstmal der Traum, dass man da hinkommt. Das ist nun mal so, und das Ziel war dann natürlich eine Medaille. Ich wusste aber auch, dass es zwischen vier Reitern eng wird. Also, dass es knapp wird, wenn es für alle gut funktioniert. Bei Kate gab es leider einen Fehler, dadurch ist sie sehr weit abgerutscht“, sagte sie. 

 

Auch Bundestrainerin Silke Fütter-Sommer war höchst zufrieden: „Ich fand sie wirklich toll. Die Stute hat sich toll benommen da drinnen, hat super toll auf Anna-Lena konzentriert. Ich war super zufrieden. Das Einzige, was vielleicht noch geht, dass sie sich ein bisschen traut, mehr nach vorne zu reiten. Aber ich denke mal, das können wir am Freitag probieren. Aber es war sie das erste Mal da drin, da guckt man erst mal, wie die Pferde reagieren. Das hat sie ganz toll gemacht.“

 

Gold und Silber gingen an die Niederlande. Demi Haerkens, Triple-Europameisterin von 2023, und Daula setzte sich mit 78,722 Prozent gegen ihre Landsfrau Sanne Voets mit Demantur durch, die gleich als Erste aufs Viereck gingen und dort 76,528 Prozent bereits ein Zeichen setzten

 

Grade II: Wieder Platz vier für Heidemarie Dresing
Große Hoffnungen ruhten auf Heidemarie Dresing, denn die an MS erkrankte Architektin war 2023 nicht nur Doppel-Europameisterin 2023, sondern bei fast allen ihren internationalen Starts bisher ungeschlagen. Als Grade II-Reiterin war sie bereits am ersten Wettkampftag der Para-Dressur am Start und musste außerdem direkt als erste Starterin aufs Viereck. Ihr Oldenburger Dooloop präsentierte sich mit viel Ausdruck, aber angesichts der gewaltigen Kulisse auch etwas angespannt. Im Laufe der Prüfung fingen sich die beiden jedoch sehr gut, nur zum Schluss unterlief dem Paar ein teurer Fehler, Doolopp galoppierte anstatt anzutraben. "Ich hatte vorher ein paar kleine Fehler und wollte nochmal alles geben", gab sich 69-jährige Reiterin selbst die Schuld. 

 

Mit einem Ergebnis von 73,103 Prozent blieb Heidemarie Dresing deutlich unter ihren Möglichkeiten.Am Ende wurde - wie schon in Tokio - Platz vier daraus:„Ja, ich bin schon ein bisschen traurig, ein bisschen enttäuscht", sagte Dresing später im Fernsehinterview. "Aber auf der anderen Seite bin ich auch stolz, dass ich das trotzdem noch so hinbekommen habe. Es war hier sehr laut auf den Tribünen und mein Pferd hat schon auf dem Abreiteplatz das nicht so gern gehabt, war immer abgelenkt, sehr verspannt und nervös. Und dann galt es halt für mich, dass ich ganz, ganz ruhig bin und ihn unterstütze. Also, nicht verrückt zu spielen. Das ist mir ganz gut gelungen und deshalb bin ich eigentlich ganz zufrieden. Ich habe mir auch die Ritte angeguckt von denen, die vor mir sind. Sie haben wirklich sehr gut geritten und sie haben auch ihre Medaillen verdient. Pferde sind halt keine Computer, sondern sie sind auch Menschen und sie lassen sich auch beeindrucken von ihrer Umgebung oder von Geräuschen. Und das war jetzt der Fall - und deshalb kann ich meinem Pferd nicht böse sein." 

 

Die Goldmedaille in Grade II ging an die an Dystonie erkrankte Fiona Howard aus Boston/USA, die erst seit 2021 im Para-Dressursport aktiv ist, mit ihrem Hannoveraner Diamond Dunes und 76,931 Prozent . Als letzte Starterin überhaupt knüpfte die Doppelweltmeisterin von Herning 2022, Katrine Kristensen aus Dänemark, nach ihrer Babypause wieder an alte Erfolge an. Mit 73,966 Prozent sicherte sie sich mit Goerklinggaards Quater die Silbermedaille. Auf dem Bronzerang landete mit 73,414 Prozent die Britin Georgia Wilson mit Sakura.

 

Die Prüfungen in den Grades I und III fanden ohne deutsche Beteiligung statt. Die Para-Dressur wird in Paris mit der Teamwertung am Freitag, 7. September, fortgesetzt. Jeweils drei Teilnehmer pro Nation sind startberechtigt, wovon mindestens einer den unteren Grades (I,II oder III) angehören muss. Maximal zwei Paare im Team dürfen demselben Grade angehören.

 

Mehr Informationen unter www.pferd-aktuell.de/paris2024/paralympics

 

PM fn-press/Hb

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