Nationenpreisfinale Springen: „Es wird eine Herkulesaufgabe“

Bundestrainer Otto Becker im Interview

Das deutsche Springreiter-Team kämpft beim Nationenpreis-Finale in Barcelona um die Titelverteidigung. Bundestrainer Otto Becker spricht im Interview über die Chancen seines Teams, den besonderen Teamgeist und was das Finale der Longines League of Nations, der Nationenpreis-Serie des Weltreiterverbandes (FEI), besonders herausfordernd macht.

 

Was hast du dir mit deinem Team vorgenommen?

 

Otto Becker: Barcelona ist für uns immer etwas Besonderes, es ist der Abschluss einer langen Nationenpreis-Saison. Die Longines League of Nations feierte 2024 Premiere. Wir sind der erste Sieger und insofern haben wir uns natürlich vorgenommen, diesen Vorjahreserfolg zu wiederholen. Gleichzeitig wissen wir: Es geht wieder bei Null los. Es sind die besten Teams weltweit am Start. Es wird eine Herkulesaufgabe.

 

Es sind vier der fünf top-platzierten Reiter der Weltrangliste vor Ort. Zeugt das von dem Stellenwert, den die Nationenpreise haben?

 

Ja, absolut. Der Nationenpreis lebt. Es gibt viele Serien im Springsport, aber die Nationenpreisserie ist für mich die wichtigste. Reiter, Pfleger, Besitzer, Züchter, Fans – alle fiebern mit, weil die deutschen Reiter für ihr Land reiten. Unsere EM-Mannschaft ist am Start. Das macht mich sehr froh und zeigt den Stellenwert des Turniers.

 

Die Wertung bei der League of Nations ist anders als bei anderen Nationenpreisen: Im ersten Umlauf gehen vier Reiter pro Nation an den Start. Im zweiten Umlauf nur noch drei. Macht es das besonders spannend?

 

Ja, absolut. Die Ergebnisse aus beiden Runden zählen, und das Format ist leicht zu verstehen, weil im zweiten Umlauf nur die Fehler addiert werden. Das macht es sehr spannend – es kann ganz schnell rauf und runter gehen, weil wirklich jeder kleine Fehler zählt. Nach fast jedem Ritt werden die Karten neu gemischt.

 

Wie entscheidest du, welche drei Reiter in den zweiten Umlauf kommen?

 

Wir entscheiden nach dem ersten Umlauf. Es kommt auf die Tagesform an. Manchmal ergibt sich's von allein. Wenn ein Paar einen schlechten Tag hat, gehen die anderen Paare in den zweiten Umlauf. Generell überlegen wir gemeinsam, welche drei Paare, die besten Chancen haben, das beste Resultat abzuliefern. Am Ende muss ich die Entscheidung treffen, wer für Deutschland reitet.

 

Sowohl in A Coruña als auch gestern beim Großen Preis ist mir aufgefallen, wie sehr sich die deutschen Reiter unterstützen. Sie geben sich Tipps, stehen für Rückfragen parat oder bauen sich gegenseitig die Sprünge am Vorbereitungsplatz auf. Wie schaffst du es so ein Team zu formen?

 

Erstmal schön, dass dir das aufgefallen ist und dass du es jetzt auch ansprichst. Mir ist es sehr wichtig, dass wir als Team auftreten. Dafür müssen sich alle gegenseitig respektieren. Marcus Ehning war gestern der erste Reiter und für ihn ist es selbstverständlich danach zu Sandra (Anm. d. Red.: Auffarth) zu gehen und seine Erfahrungen aus dem Parcours mit ihr zu teilen.

 

Kommen wir auf das Team zu sprechen: Es ist relativ jung, aber doch schon sehr erfahren. Worauf achtest du bei der Zusammensetzung?

 

Priorität haben für das Nationenpreis-Finale immer die Reiter, die auch bei dem Championat gestartet sind. Und so ist es auch dieses Jahr. Wir hatten uns viele Gedanken gemacht, wen wir für die Europameisterschaften in A Coruña nominieren. Die vier, die bei den Europameisterschaften im Juli für Deutschland angetreten sind, starten auch hier. Nur Sophie Hinners reitet ein anderes Pferd, Iron Dames Singclair. Sie geht übrigens als führende Reiterin in das Finale. Sie hat mit ihren Pferden die meisten Nullrunden in League of Nations gezeigt. Wir hoffen, dass sie diesen Lauf beibehalten kann.

 

Als fünfte Reiterin ist Sandra Auffarth aufgestellt. Sie ist dieses Jahr schon mehrere Nationenpreise geritten und wir wollen sie für die Zukunft noch mehr aufbauen.

 

Sandra Auffarth war im vergangenen Jahr für die Olympischen Spiele in der Vielseitigkeit nominiert, nun reitet sie Nationenpreise im Springen. Wie ist das für dich als Bundestrainer eine auf der einen Seite so erfahrene Reiterin zu begleiten, die auf der anderen Seite in dieser Art von Wettbewerb noch auf relativ wenig Starts schauen kann?

 

Das ist auf jeden Fall ein Geschenk! Sandra hat sich bereits im Weltcup und in Nationenpreisen bewiesen. Sie plant sehr überlegt, die Zusammenarbeit ist angenehm und professionell. Sie ist fokussiert, nervenstark – und ihre Ergebnisse sprechen für sich.

 

Wie kannst du deinen Reitern helfen sich morgen im Finale zu fokussieren?

 

Ich versuche hier Rahmenbedingungen zu schaffen, die für die Reiter optimal sind. Es geht um die gute Vorbereitung, die Planung, Absprachen. Es sind viele kleine Dinge, damit sie sich einfach auf das Reiten konzentrieren können. Ich sehe mich teils auch als Dienstleister, um den Reitern gute Rahmenbedingungen zu geben. Im Vorfeld haben wir abgesprochen, dass alle vier Pferde, die im Nationpreis an den Start gehen, den Großen Preis nicht springen. Die einzelnen Paare haben sich individuell vorbereitet. Die Reiter kennen ihre Pferde am besten und wissen, was sie brauchen. Wir schaffen im Hintergrund die Basis. Reiten müssen sie am Ende selbst. Und das ist auch die Qualität jedes Einzelnen. Sie wissen, was sie tun.

 

Zu Start- und Ergebnislisten

 

Das Finale findet am 5. Oktober 2025 im Real Club de Polo de Barcelona statt, auf der Anlage wurden 1992 auch die Reitwettbewerbe der Olympischen Spiele ausgetragen. Damals startete Otto Becker erstmals bei Olympischen Spielen für Deutschland. Seit 2009 ist er der Bundestrainer der deutschen Springreiter und hat das deutsche Team in diesem Jahr beispielsweise zu Bronze bei den Europameisterschaften geführt. Mit Christian Kukuk gehört der Olympia-Sieger von 2024 zum deutschen Aufgebot, mit Richard Vogel zudem den amtierenden Einzel-Europameister. fn-press/sag

 

 

 

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